Am Altmarkt in Oberhausen wird Weiberfastnacht gefeiert – während Russland in die Ukraine einmarschiert. Nicht nur für OB Schranz unvereinbar.
Krieg in Europa – und wir feiern Karneval. Die Nachricht vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine platzt mitten in das kleine bisschen närrischen Frohsinn, den die Oberhausener Karnevalisten der Corona-Pandemie abgetrotzt haben. Keine Karnevalszüge, keine Prunksitzung, nur eine einzige Veranstaltung war von der Stadt Oberhausen genehmigt worden: Der närrische Altmarkt zur Weiberfastnacht findet zu dieser Stunde statt, unter strengen Auflagen. Daran ändern auch die Eilmeldungen vom Ukraine-Angriff nichts, wie Ludger Decker, Präsident des Hauptausschusses Groß-Oberhausener Karneval, auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt. Oberbürgermeister Daniel Schranz hat indes mitgeteilt, nicht zur geplanten Übergabe des Stadtschlüssels auf der Bühne am Altmarkt zu erscheinen.
„Wem würde es nützen, wenn wir jetzt alles absagen würden“, fragt Ludger Decker. Wenn es einen Zweck erfüllen würde, dass in Oberhausen kein Karneval gefeiert werde, dann würde er dies sofort befürworten. Oder, so sagt er, wenn in ganz Deutschland sich alle solidarisch zeigen würden und zum Beispiel für einen Tag symbolisch auf alle Feierlichkeiten verzichten würden. „Da wären wir natürlich dabei.“
Karneval könnte etwas von den Sorgen ablenken
Der Kriegsausbruch, der ausgerechnet auf den heutigen Weiberfastnachtstag gefallen ist, habe sich seit Monaten schon abgezeichnet. Von den Politikern unseres Landes sei „herzlich wenig“ getan worden, um dies zu verhindern, sagt Decker. „Es ärgert mich, dass wir als Land nicht viel energischer und resoluter aufgetreten sind.“ Die Karnevalisten, die ohnehin schwer gebeutelt waren in dieser Session, da zur Verantwortung zu ziehen, hält er für falsch. „Es ist ja ohnehin nicht die Ausgelassenheit wie sonst“, sagt Decker. „Die Stimmung ist gedrückt. Für unseren Prinzen ist die ganze Session den Bach heruntergegangen. Und viele sind betroffen durch Krankheit und Quarantäne.“
Nicht nur die Karnevalisten, auch die Künstler und Gastronomen hätten eine schwere Zeit hinter sich – und vielleicht noch vor sich. Heute könnten die Kneipen in der Oberhausener Innenstadt für einige Stunden etwas Umsatz machen, sagt Ludger Decker. Die Open-Air-Party ist bis 16 Uhr angesetzt. „Die Nachrichten vom Krieg sind schlimm, aber ein Verzicht auf Karneval würde in dieser Situation keinem helfen. Im Gegenteil: Wir können heute vielleicht etwas von den Sorgen ablenken.“
Auch ohne Auftritt des Oberbürgermeisters: Die heutige Feier am Altmarkt war eine selten gewordene Gelegenheit für die Oberhausener Karnevalisten, ihr Brauchtum auszuleben. „Wir sind froh über jeden Strohhalm, um Präsenz zu zeigen“, sagt Hauptausschuss-Präsident Decker. Die Botschaft der Narren laute: „Wir sind nicht tot, wir leben noch.“
Feiern, aber „ohne auf Tische und Bänke zu steigen“
Walter Paßgang, „Chef-Karnevalist“ bei der CDU und Präsident des traditionsreichen Eulenordens „Närrische Weisheit“, zeigt Verständnis für jeden, der für ein kleines Karnevalserlebnis heute zum Altmarkt gekommen ist – er selbst habe dies jedoch nicht übers Herz bringen können. „Ich bin auch ein Kriegskind, ich bin in den letzten Tagen zur Welt gekommen. Ich schaue jetzt Nachrichten und muss erstmal damit fertig werden“, erzählt er uns am Telefon. So mancher hätte ihm gesagt, dass der Krieg in Syrien auch niemanden bewegt und vom Feiern abgehalten hätte. „Aber hier sind wir in einer Partnerschaft, wir haben vieles zusammen erlebt“, sagt er über die Oberhausener Beziehungen zur Ukraine.
Als politisch denkender Mensch sei er jetzt in Sorge um alles, was diese Krise auch für unsere Zukunft bedeuten könne. Nach Schunkeln und Lachen sei ihm dabei nicht zumute. Dennoch: „Absagen muss man es nicht. Man sollte dem Brauchtum eine Chance geben“, sagt er. Feiern und es dann ruhig ausklingen lassen , „ohne heute Abend auf Tischen und Bänken zu stehen“, so laute sein Rat an die Karnevalisten. „Es gibt keinen Karneval ohne Aschermittwoch“, sagt Paßgang. „Dass diese Stimmung schon heute eingetreten ist, damit müssen wir alle jetzt umgehen.“