Bochum. 2007 diagnostizierten Ärzte Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Rolf Zimmermann, gaben ihm noch ein halbes Jahr. Heute gilt der Dorstener als geheilt.

Die Petersilienhochzeit verlangte Rolfs Zimmermanns Frau, als sie „Ja“ sagte. Zwölfeinhalb weitere Jahre sollte er gemeinsam mit ihr verbringen. Mindestens. Zimmermann versprach, er werde dafür kämpfen. 2009 war das, ein Jahr, nachdem bei dem heute 75-Jährigen aus Dorsten Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden war -- der tödlichste von allen. Ein halbes Jahr gaben ihm die Ärzte damals noch. Heute weiß Zimmermann: Kämpfen lohnt. Er gilt als geheilt. „Das mit der Petersilienhochzeit“, lacht er, „könnte wirklich klappen.“

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„Es wird klappen“, versichert Prof. Waldemar Uhl, Leiter der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Bochumer St. Josef Hospital. Vor 13 Jahren hat der renommierte Pankreas-Experte Zimmermann operiert, zweimal: Ein Jahr nach der ersten OP fanden sich Metastasen in der Lunge. Damals, sagt Uhl, sei er froh gewesen, dass sein Patient die schweren Eingriffe überlebt habe. Heute nennt er ihn ein „Paradebeispiel“, aber: „eines von vielen Paradebeispielen“. Ein Einzelfall sei Zimmermann längst nicht mehr. „Es hat sich viel getan, in Chirurgie wie Chemotherapie.“ 10 bis 15 Prozent der Betroffenen überlebten inzwischen die kritischen fünf Jahre nach der Diagnose. Vor zehn Jahren lag die Rate bei 0,5 Prozent. „Pankreaskrebs ist kein Todesurteil mehr“, betont Uhl. „Wir können den Patienten inzwischen viel mehr anbieten. Und wir werden noch besser werden.“

„Ich hatte mit meinem Leben bereits abgeschlossen“

Frohe Botschaft am Ende eines schwierigen Jahres: Rolf Zimmermann war vor 14 Jahren an Pankreaskrebs erkrankt, der tödlichsten aller Krebsarten. Porträt von Prof. Dr. med. Waldemar Uhl am 15. Dezember 2020 im St. Josef- Hospital in seinem Büro in Bochum. Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services
Frohe Botschaft am Ende eines schwierigen Jahres: Rolf Zimmermann war vor 14 Jahren an Pankreaskrebs erkrankt, der tödlichsten aller Krebsarten. Porträt von Prof. Dr. med. Waldemar Uhl am 15. Dezember 2020 im St. Josef- Hospital in seinem Büro in Bochum. Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services © Andreas Buck / FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Im Übrigen, ergänzt der Mediziner: könne man auch denen helfen, die nicht mehr zu heilen seien. Viele dankbare Briefe von Angehörigen, die Uhl sorgsam aufbewahrt und „in dunklen Momenten“ gerne erneut liest, zeugten auch davon.

Der Mann, neben dem Rolf Zimmermann im Dezember 2007 im Krankenzimmer aufwachte, „ein hochdekorierter Offizier der Bundeswehr“, ein Leidensgenosse, mit dem er sich rasch anfreundete, war drei Monate später tot. Auch Zimmermann hatte „mit dem Leben abgeschlossen“. Heute ist er Diabetiker, wie alle ohne Bauchspeicheldrüse, aber er lebt, ist sogar beschwerdefrei, muss nur noch einmal im Jahr zur Ultraschallkontrolle beim Hausarzt. Er sagt, er habe sehr viel Glück gehabt. Dass sein Gastroenterologe gleich ahnte, wo die dumpfen Bauchbeschwerden herrührten; dass er binnen einer Woche im Bochumer Pankreas-Spezialzentrum landet

350 Operationen jährlich im Bochumer Pankreas-Spezialzentrum

Der schlimmste Augenblick in all den Jahren, erinnert sich der Dorstener, sei gewesen, als die Ärzte die Metastasen entdeckten; Uhl zur erneuten OP riet, er sich zunächst weigerte, und dann doch einwilligen musste – weil unter der Chemo-Therapie, die er vorgezogen hatte, die Tumore in seiner Lunge sogar gewachsen waren. Ließen ihn solche Rückschläge nie verzweifeln, ans Aufgeben denken? Es helfe nach einer solchen „Hammernachricht“, „den Bruch aufzuräumen“, erklärt der ehemalige Bergbau-Ingenieur: Ordnung ins Leben zu bringen, Aufgeschobenes zu erledigen, sich um Erbe und Testament zu kümmern, alte Streitigkeiten beizulegen; vielleicht auch, in der Nachkriegszeit aufgewachsen zu sei. Doch: Ohne seinen Glauben, ohne seine Familie hätte er es wohl nicht geschafft, denkt Zimmermann.

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Sein Arzt, Waldemar Uhl, bestätigt: „Es ist unglaublich wichtig, mit einer solchen Erkrankung zu einem Spezialisten zu gehen. Die Hälfte der 1900 Kliniken in Deutschland, die solche Bauchspeicheldrüsen-Eingriffe machen, machten jährlich weniger als zehn davon – was die hohe Sterblichkeit von zehn Prozent direkt nach der OP erkläre. Im Bochumer Josef-Hospital liegt sie Uhl zufolge unter drei Prozent, hier zählte man im vergangenem Jahr 350 Pankreas-OPs. Uhl, der auf ein ganzheitliches Behandlungskonzept setzt, betont indes auch, wie wichtig es tatsächlich sei, nach einer solchen Diagnose einen Partner an der Seite zu haben, „der zuhört, der hilft, der offen ist.“

Zimmermanns Wunsch für 2012? Gesundheit – für die Söhne

Dass Zimmermann seine vier Söhne und deren Frauen wegen Corona im vergangenen Jahr so selten sah, dass er die sechs Enkel so lange schon nicht mehr umarmen konnte, schmerzt ihn sehr. Die jüngste, erzählt er, sei doch sogar immer einkaufen gegangen, als er und seine Frau sich wegen des Virus daheim „einigeln“ mussten; habe die vollen Taschen bis vor der Haustür gebracht. Erst Ende Mai, erinnert sich Zimmermann, habe er sich wieder „auf die Straße getraut“. Die Feier zu seinem 75. Geburtstag im März sagte er ab, obwohl 100 Gäste bereits eingeladen waren. Den 10. Hochzeitstag verbrachte er allein mit seiner Frau und die lang geplante, große Italienreise fiel ebenfalls aus. „Aber im September sind wir im Hausboot über die Havel geschippert“, schiebt er sogleich nach. Er ist keiner, der gern jammert.

Was er sich für 2021 wünsche? „Endlich wieder zusammen in der Nordkurve auf Schalke zu stehen“, sagt er grinsend. Doch ernst schiebt er nach: Vor allem: Gesundheit – für seine Söhne. Bei den beiden aus erster Ehe brach in diesem Jahr das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom aus, eine seltene Erbkrankheit. Ihre Mutter starb daran. Die Prognose sei nicht gut, sagt Rolf Zimmermann leise. Doch seine Kinder haben ein Vorbild, wie es kein besseres geben kann. Sie versprachen zu kämpfen.

>>> INFO: Pankreas-Krebs

Während bei anderen Krebsarten die Fallzahlen sinken, steigen sie bei Pankreastumoren, in den USA zwischen 2005 und 2014 um 44 Prozent. Allein im vergangenen Jahr erkrankten 557.680 Menschen neu. 18.370 waren es in Deutschland, 3.767 in NRW.

Das habe mit unseren Lebensgewohnheiten zu tun, erklärt der Bochumer Spezialist Prof. Waldemar Uhl: „Wir essen zu viel Fett, Zucker und Kohlenhydrate, bewegen uns zu wenig.“