Witten. . Giulia Grace soll einmal wissen, wer ihr Papa war. Deshalb hat der krebskranke Andrea Bizzotto (33) für sein Töchterchen ein Buch geschrieben.
Es war Liebe auf den ersten Blick, sagen sie. Andrea Bizzotto hat seine Frau Maria im Oktober 2014 in einer Wittener Eisdiele kennengelernt, wo er damals arbeitete. Zwei schöne Jahre folgten. Dann erhielt der Italiener im Oktober 2016 die Diagnose Krebs. Der 33-Jährige ist unheilbar erkrankt, muss sich mit seinem Tod auseinandersetzen. Damit seine Tochter später einmal weiß, wer ihr Papa war, hat er für die kleine Giulia Grace ein Buch geschrieben.
Der studierte Ingenieur, der mit seiner Familie in Heven lebt, weiß, dass er nicht mehr in der Lage sein wird, das erst 20 Monate alte Mädchen großzuziehen, „sie an ihrem ersten Schultag zu begleiten, ihr mit Liebe ihr Lieblingsessen zuzubereiten“. Deshalb begann er im Krankenhaus damit, seine Autobiografie in sein Handy zu tippen. „Geschichte eines Tollpatsches auf dem Fahrrad“ wird sein Buch für sein Töchterchen heißen. „In meiner Jugend bin ich auch Radrennen gefahren“, erklärt Andrea Bizzotto lächelnd, der aus der norditalienischen Stadt Bassano del Grappa stammt.
Die letzte Glückwunschkarte ist für das Jahr 2036
Weil er möchte, dass Giulia nie vergisst, dass sie „das Kostbarste ist, das ich habe“, hat er der Tochter auch Geburtstagskarten geschrieben. Jedes Jahr, am 10. März, wird sie eine davon öffnen können. Ihre Mutter Maria hebt diesen Schatz für sie auf. Die letzte Karte des Vaters trägt die Jahreszahl 2036. Dann wird Giulia 19 Jahre alt sein.
Als sie 2017 zur Welt kam, musste ihr Vater gerade eine harte Chemotherapie im Knappschaftskrankenhaus Langendreer über sich ergehen lassen. Er wollte trotzdem die Geburt des Mädchens im Marien-Hospital miterleben. Seine Ärzte stimmten zu. Vier Stunden durfte Andrea Bizzotto bei seiner Frau sein. Maria Brandt: „Nach dreieinhalb Stunden war Giulia auf der Welt. Das war das richtige Timing.“
Diagnose Krebs als seine Frau schwanger war
Andrea Bizzottos Krebs machte sich vor zwei Jahren durch eine Schwellung am linken Oberschenkel bemerkbar. Ein Orthopäde dachte zunächst an einen Meniskusschaden. Die Auswertung einer MRT-Untersuchung brachte dann die erschütternde Gewissheit: Synovialsarkom, Stadium 3. Ein aggressiver Tumor des Weichteilgewebes. Da war Andrea Bizzottos Frau schon schwanger.
Ihrem Mann stand eine schwere Operation im Bochumer Bergmannsheil bevor, 30 Bestrahlungen und vier Zyklen einer Hochdosis-Chemotherapie. Der junge Mann kämpfte, liebevoll unterstützt von seiner Frau, Freunden und der Familie. Nach weniger als einem Jahr kamen die Metastasen.
Eine Blitzhochzeit und Flitterwochen auf Sizilien
Die nächste OP stand an, ein Teil der von Metastasen übersäten Lunge musste entfernt werden. Andrea Bizzotto und seine Frau entschieden sich vor der Operation in diesem Jahr für eine Blitzhochzeit. Nach dem Eingriff gönnte sich das Paar Flitterwochen. „Wir sind vor der Chemotherapie eine Woche nach Sizilien gereist“, sagt Maria Brandt. Zur Reise ermutigt hatte sie der behandelnde Arzt ihres Mannes, der Wittener Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns. Die 34-Jährige sagt dankbar: „Wir waren mit Medikamenten ausgestattet und ständig mit ihm in Kontakt.“
Auch Maria Brandt ist eine Mutmacherin. Sie ließ T-Shirts anfertigen, die das Gesicht ihres Mannes zeigen und die Worte „Team Bizzotto“. Auf der Rückseite der Shirts ist zu lesen: „Together against Cancer“, „Gemeinsam gegen den Krebs“. Maria Brandt schlüpfte in ein solches Shirt, auch ihr Töchterchen. Freunde ließen sich in ihren Shirts in Siegerpose filmen. Maria Brandt machte aus allem ein 10-minütiges Video – mit vielen Liebeserklärungen an ihren schwerkranken Mann. Den erinnert sie im Video an ihre schöne gemeinsame Zeit: „Wir sangen, wir reisten, wir kochten, wir trafen Familie und Freunde, wir lieben uns – und haben diesen wundervollen Menschen gemacht“ – die kleine Giulia.
Italienischer TV-Sender hat sich gemeldet
Vom Buch ihres Mannes, das in Kürze in Italien erscheinen soll, haben auch italienische Medien erfahren. Viele haben über das Schicksal ihres Landsmannes Bizzotto berichtet. Darunter auch die italienische Tageszeitung La Repubblica. Ein italienischer TV-Sender will ihn zuhause in Heven besuchen. Was will Andrea Bizzotto seiner Tochter mit seinem Buch vor allem mit auf den Lebensweg geben? „Immer lächeln“, sagt er und wirft seinem Kind und seiner Frau einen zärtlichen Blick zu.
>>> DAS PALLIATIVNETZ WITTEN
Dr. Matthias Thöns vom Palliativnetz Witten e.V., der Andrea Bizzotto palliativmedizinisch versorgt: „Wir setzten alle Hebel in Bewegung, dass Klinik möglichst nicht sein muss. Als Palliativnetz konnten wir der Familie aus Spendengeldern einen Zuschuss für ihren Urlaub geben. Wir wollen, dass Menschen wirklich leben, bis sie sterben.“
Weitere Informationen zum Palliativnetz unter: www.palliativnetz-witten.de
Andrea Bizzotto würde sein Buch für Giulia auch gerne auf Deutsch veröffentlichen. Dafür wird ein Übersetzer gesucht.