Düsseldorf. Pro Jahr werden bundesweit mehrere Hundert schwere Erkrankungen durch Zecken gemeldet. Nicht viel? Es gibt gute Gründe, sich zu schützen.

Die Symptome kamen urplötzlich bei dem fünfjährigen Lars aus Düsseldorf: Er hatte rote Flecken im Gesicht, klagte über starke Kopfschmerzen – und seine rechte Gesichtshälfte war taub. Der Arzt schickte das Kind umgehend ins Krankenhaus – Verdacht auf Borreliose durch einen Zeckenstich!

Erst später hatten Lars Eltern rekonstruiert, dass ihr Sohn vier Wochen zuvor nach einem Kindergarten-Ausflug auf einen Waldspielplatz „eine Beule am Kopf hatte, unter den Haaren“, erinnert sich sein Vater. Und in der Zeit danach „war Lars unleidlich, hatte oft verschlafene Augen“, sagt sein Vater: „Aber auf einen Zeckenstich waren wir nicht gekommen.“

Zecken können gefährliche Krankheitserreger übertragen

„Zecken sind an sich nicht gefährlich“, heißt es auf dem Info-Portal „zecken.de“, hinter dem der Pharma-Konzern Pfizer steht. Doch sogleich folgt das „aber“. Denn „Zecken können gefährliche Krankheitserreger übertragen“ – vor allem FSME (Frühsommermeningoenzephalitis) oder Borreliose.

Der Blick in die Statistik zeigt: Bundesweit wurden im Jahr 2020 insgesamt 704 FSME-Erkrankungen gemeldet, teilt die Barmer Ersatzkasse mit. An Borreliose wurden in den Jahren 2015 bis 2019 zwischen 158 und 182 Erkrankungen gemeldet – je 100.000 Versicherten, sagt eine Sprecherin.

Der harte Winter hat die Zecken-Population nicht groß verringert

Mit Blick auf FSME werden in Deutschland aktuell 169 Landkreise als Risikogebiete aufgelistet, vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Teilen Hessens, Thüringens und Sachsens. In NRW gibt es zwar bis dato keine ausgewiesenen Zecken-Risiko-Gebiete. Dennoch: Ein Zeckenstich kann auch hierzulande schwerwiegende Folgen haben, wie die Geschichte des fünfjährigen Lars zeigt: Denn der Waldspielplatz liegt am Stadtrand von Düsseldorf.

Darauf zu vertrauen, dass der vergleichsweise harte Winter im Frühjahr die Zeckenpopulation bei uns geschädigt hat, hilft nicht, mein Lisa Stange, vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW: „Erfahrungsgemäß hat das Wettergeschehen selbst bei Wetterausschlägen in unseren Breiten nur geringen Einfluss auf die Zeckenpopulation“, meint die Mitarbeiterin vom Tam Wald- und Klimaschutz.

Landesbetrieb Wald und Holz: Statistisch drei Zeckenstiche je Mitarbeiter pro Jahr

Beim Landesbetrieb hält man Zeckenstiche bei Mitarbeitern in „Verbandbüchern“ fest, erklärt Stange. Die Bücher zeigen, „dass in den vergangenen fünf Jahren jeder Beschäftigte im Außendienst bei uns rechnerisch etwa dreimal pro Jahr von einer Zecke gestochen wurde“. Mit zwischen 1700 und 2300 gemeldeten Zeckenstichen pro Jahr seien die Zahlen aber „relativ gleichmäßig“.

„Erkrankungen, die typischerweise durch Zecken übertragen werden, sind die Lyme-Borreliose, das Rückfallfieber, Zeckenbissfieber und die durch Zecken übertragene Virusenzephalitis“, sagt Anika Jurkuhn, Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg.

Wahrscheinlichkeit, durch Zeckenstich zu erkranken, ist gering – aber da

Das Risiko, durch eine Zecke schwer zu erkranken, mag gering erscheinen – aber es ist da, geht aus den Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor: „Das Vorkommen von Borrelien in Zecken schwankt kleinräumig sehr stark und kann bis zu 30 Prozent betragen“, teilt das RKI mit. Nach Untersuchungen aus Deutschland und der Schweiz wurde nach einem Zeckenstich bei 2,6 bis 5,6 Prozent der Betroffenen eine Borrelien-Infektion nachgewiesen, „charakterisiert durch die sogenannte Serokonversion, also das Auftreten von Antikörpern im Blut.“ Nur ein kleiner Teil der Infizierten erkrankt. Insgesamt ist laut RKI bei 0,3 bis 1,4 Prozent der Zeckenstiche mit Krankheitssymptomen zu rechnen

In Panik zu verfallen, Wälder zu meiden oder Kinder nur auf kurz gemähten Wiesen spielen zu lassen – weil Zecken zum Beispiel hohes Gras schätzen, aber auch feuchtes Laub –, dürfte übertrieben sein. Experten empfehlen vielmehr Vorsicht und vor allem gründliche Nachsorge.

Nach einem Waldbesuch den Körper gründlich absuchen

Der Landesbetrieb Wald- und Holz gibt diese Verhaltenstipps, die vor allem nach Waldbesuchen beherzigt werden sollten:

  • Tragen von dichter Kleidung, am besten lange Hosen, langärmelige Hemden und auch dichte Schuhe
  • Einsatz von Abwehrmitteln („Repellentien“) wie etwa Autan oder andere Mittel
  • Nach dem Waldbesuch zu Hause den gesamten Körper nach Zeckenstichen absuchen (besonders in den Achseln, im Schritt und auf dem Kopf)
  • Zecken mit geeignetem Werkzeug entfernen (z.B. einer Zeckenzange) – und wenn das nicht gelingt, zum Arzt damit gehen

„Zecken lauern bevorzugt in hohem Gras oder im Unterholz“, sagt AOK-Sprecherin Anika Jurkuhn. Sie stechen nicht sofort zu, sondern suchen erst eine geeignete Stelle am Körper – „das kann bis zu einer Stunde dauern“, heißt es beim RKI.

„Zecken bevorzugen Stichstellen wie zum Beispiel Haaransatz, Ohren, Hals, Achseln, Ellenbeuge, Bauchnabel, Genitalbereich oder Kniekehle“, teilt das RKI mit und rät unter anderem: „Das Tragen von heller Kleidung erleichtert das Auffinden von Zecken.“

Gegen Borelliose gibt es keine Impfung

Gegen FSME kann man sich impfen lassen, gegen Borrelliose gibt es keine Impfung. Erkrankt man daran, werden Antibiotika eingesetzt.

So konnte letztlich auch Lars geholfen werden. Nach zwei Wochen Antibiotika-Therapie konnte der Fünfjährige aus dem Krankenhaus entlassen werden. Doch bis er vollständig gesund war, vergingen weitere Wochen. Unter anderem benötigte er eine Physiotherapie, um seine Gesichtsmuskulatur wieder in Funktion zu bringen.

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