München. Im NSU-Prozess hat sich das Gericht am Donnerstag erneut mit den Waffen des Trios auseinandergesetzt. Der Angeklagte Carsten S. beanstandete grundverschiedene Fotos der Pistolen; ein als Zeuge geladener Polizist enttäuschte mit Sehschwächen und fehlender Waffenkenntnis.
Hat Carsten S. die Tatwaffe für die neun fremdenfeindlichen NSU-Morde besorgt? Das war eine der Fragen, mit der sich der Strafsenat am Oberlandesgericht in München gestern beschäftigte. Eine zweite lautete, ob ein weiterer Angeklagter, Holger G. diese Waffe zum Terrortrio nach Zwickau gebracht hatte. Es war der 19. Verhandlungstag im NSU-Prozess.
Dass der Angeklagte Carsten S. eine Pistole beschafft hatte, die für den für den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gedacht war, ist bereits geklärt. Gestern ging es um Details. Denn vor Gericht muss bewiesen werden, dass genau seine Pistole für die neun fremdenfeindlichen Morden verwendet wurde. Im Auftrag der Bundesanwaltschaft wurden dem Angeklagten deshalb am 1. Februar des Vorjahres in Karlsruhe Fotos von mehreren Schusswaffen gezeigt, damit er sagen konnte, ob die Waffe darunter ist, die er besorgt hatte.
Auf diesen Fotos grenzte der Angeklagte nach eigenen Angaben drei, vier Pistolen ein. Erst einige Tage später bei einer zweiten Vernehmung in Köln wurden Carsten S. dann in einer Polizeidienststelle richtige Waffen zum Vergleich vorgelegt. Der Zeuge schilderte auf Nachfrage von Richter Manfred Götzl, dass unter den dort präsentierten Waffen, zwei Pistolen mit Schalldämpfer lagen. Er habe dann die Waffe mit dem deutlich längeren Schalldämpfer ausgewählt. Er sei sich aber nicht sicher gewesen, ob es wirklich die von ihm damals besorgte Waffe war.
Zeuge hatte seine Brille vergessen
Als das Gericht dem Angeklagten die Fotos aus dem Vorjahr noch einmal vorlegen wollte, stellte sich heraus, dass diese nicht in der Akte zu finden waren. In den Unterlagen sind Farbfotos abgeheftet. Carsten S. erklärte aber, dass ihm damals Bilder in schlechter Qualität vorgelegt wurden. Auch nach einer Prozess-Pause konnte das Fehlen der damaligen Bilder nicht geklärt werden.
Noch unübersichtlicher gestaltete sich gestern der Auftritt des ersten Zeugen, der dem Angeklagten Holger G. am 17. Januar 2012 ebenfalls Waffen zur Identifizierung vorgelegt hatte. De Ein 50-jähriger BKA-Beamter mit Irokesen-Haarschnitt und Ohrring sollte dazu befragt werden. Gleich zu Beginn seiner Befragung erklärte der Zeuge, dass er kein Waffenexperte sei und nur wenig zu den im Gericht präsentierten Waffen sagen könne. Da er auch noch seine Brille vergesse hatte, fiel es dem Beamten zudem schwer, die Beschriftungen dieser Waffen zu lesen.
Letztlich konnte Holger G. damals die Pistole nicht identifizieren, mit der die neun fremdenfeindlichen NSU-Morde begangen worden sein sollen. Der Angeklagte hatte in seiner Aussage aber bereits eingeräumt, dass er als Kurier eine Waffe zum NSU-Trio nach Zwickau gebracht hatte.
Bundesanwaltschaft weist Kritik der Verteidiger zurück
Die Verteidigung kritisierte mit ihren Nachfragen die Vorlage der Waffen während der Befragung durch die Polizei. Einer der Hauptkritikpunkte war, dass den Angeklagten damals nur Waffen präsentiert wurden, die aus dem Wohnmobil in Eisenach und der Wohnung in Zwickau stammten und daher ein neutrales Wiedererkennen nicht möglich gewesen sei. Die Bundesanwaltschaft wies diese Kritik erwartungsgemäß zurück. Richter Manfred Götzl ließ nicht erkennen, wie er das Vorgehen der Polizei bewertet.
Bilder zum NSU-Prozess
Der Angeklagte Holger G. stand auch am Nachmittag im Mittelpunkt des Verfahrens. Ein Thür inger Kriminalbeamter sagte über seine erste Vernehmung des Angeklagten nur einen Tag nach dem Auffliegen des NSU-Trios aus. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren am 4. November 2011 nach einem Überfall auf eine Sparkasse in Eisenach von der Polizei in ihrem Wohnmobil gestellt worden. Beide Männer sollen sich in dieser Situation erschossen und das Fahrzeug in Brand gesteckt haben.
Nur einen Tag später war der Thüringer Beamte mit dem Hubschrauber nach Niedersachsen geflogen, wo der Angeklagte Holger G. damals wohnte. Der Zeuge schilderte, dass er den Eindruck hatte, dass Holger G. damals immer noch Verbindungen zur nationalistischen Szene und zu Ralf Wohlleben hatte. Das NSU-Trio soll in den vergangenen Jahren im Sommer immer bei ihm vorbei gekommen sein.
Angeklagter G. hatte Mundlos und Böhnhardt seinen Reisepass gegeben
Dem Zeugen, der bei der Kriminalpolizei in Eisenach das Mordkommissariat leitet, war ihm am Samstagvormittag noch vor seinem Abflug mitgeteilt worden, dass Uwe Mundlos einer der beiden Toten aus dem Wohnmobil war. Er habe gegen 8 Uhr einen Anruf erhalten, erzählte er. Die Identifizierung des zweiten Toten habe länger gedauert.
Die Thüringer Ermittler waren damals auf den Angeklagten Holger G. gekommen, weil unter seinem Namen das Wohnmobil für den Banküberfall gemietet worden war. Nach Angaben des Zeugen habe G. während der Vernehmung eingeräumt, im Sommer 2011 Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt seinen Reisepass übergeben zu haben. Er wollte nicht als Verräter wirken, soll der Angeklagte dem Zeugen damals gesagt haben.
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Zum Gruppenverhalten des NSU-Trios erklärte der Zeuge, dass er nach der Vernehmung von Holger G. den Eindruck hatte, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gleichberichtigt an der Spitze standen, danach schloss sich Beate Zschäpe an. Das soll der Angeklagte damals ohne großes Überlegen gesagt haben, betonte der Zeuge auf Nachfrage des Zschäpe-Verteidigers Wolfgang Stahl.
Richter fragt detailliert über mehrere Stunden
Holger G. hatte früher Drogen genommen und er war nach Angaben des Kriminalbeamten spielsüchtige gewesen und hatte Schulden. Der betroffene Angeklagte folgte konzentriert den Ausführungen des Zeugen und machte sich immer wieder auch Notizen. Richter Holger Götzl fragte mehrerer Stunden detailliert nach.
Das Gericht wollte wissen wie die Gesprächssituation war, wie sich der Angeklagte damals verhalten habe. Er interessierte sich auch für den politischen Hintergrund und den Freundeskreis von Holger G. Noch detaillierter fragte der Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer nach. Denn am 4. November gab es bereits in Eisenach Staatsschutzermittlungen zum rechtsextremen Hintergrund der beiden Toten.
Am Rande der Vernehmung schilderte der Beamte noch einmal, dass in dem Wohnmobil offenbar vor dem Tod der beiden Männer drei Schüsse abgegeben worden sein sollen. Nach dem Löschen des Brandes habe die Polizei dann die beiden Toten in dem Fahrzeug gefunden.
Der Thüringer Ermittler verwies mehrfach darauf, dass er den umfangreichen rechtsextremen Hintergrund damals so noch nicht gekannt hatte. Der Angeklagte sei befragt worden, weil er im Verdacht stand, dass Wohlmobil für den Überfall gemietet zu haben. Den NSU-Zusammenhang zwischen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe kannte er damals noch nicht, so der Zeuge.