Ruhrgebiet. Manche Horrorhäuser des Ruhrgebiets sind bereits verschwunden, etliche stehen noch. Ist Abriss die einzige Lösung? Ein Experte sagt: Nein.
Horrorhäuser machen nur Spaß im Movie Park in Bottrop. Alle anderen sind ein Alptraum für Bewohner und Nachbarn. Vermüllt, verfallen, verschrien.
Sie hatten das Fleisch vergessen. In einem gerade geräumten Hochhaus musste am Dienstag eines der neuen Türsiegel wieder aufgebrochen werden, damit die Menschen ihr Fleisch holen konnten. Es wäre sonst verkommen. Hier wohnt ja niemand mehr.
Nach der Räumung leben zunächst 142 Menschen in Notunterkünften
Das Hochhaus in Gladbeck, auch schon ,Horrorhaus’ genannt, ist nur der jüngste Fall. Solche Häuser sind häufig überbelegt und vermüllt, Bewohner und Nachbarn entnervt von Lärm und Ratten. Am Ende sind es Zweifel am Brandschutz, die die Behörden veranlassen, die Häuser zu räumen. 142 Menschen hier leben jetzt in Notunterkünften. Was aus dem Haus wird? Offen. Typisch. Das Horrorhaus, ein Geisterhaus. Passt.
Doch „ein Hochhaus an sich ist nicht das Problem“, sagt Armin Hentschel, Leiter des „Instituts für soziale Stadtentwicklung“. Wenn es „die letzte Zuflucht ist für alle, die kein Geld haben, das ist das Problem“. Eine Mischung aus „schlechtem Image und sozialer Ausweglosigkeit führt in eine Spirale“. Doch gebe es auch Beispiele, wo Hochhäuser gerettet wurden, indem man sie renovierte, Etagen abtrug und eine Empfangssituation mit Pförtner schuf. „Warum soll man sie abreißen, wenn es wieder einen Mangel an Wohnraum gibt?“
„Geringe Mieteinnahmen führen zu schlechter Bauerhaltung - und umgekehrt“
Dabei begann es positiv. Hochhäuser hatten eine große Zeit vor rund 50 Jahren. Der Grund? Der Mensch will hoch hinaus. Dass alle Bewohner des Hochhauses gleich waren, entsprach dem Zeitgeist. Die Wende kam, als die fortzogen, die weniger gleich waren. „Geringe Mieteinnahmen führen zu schlechter Bauerhaltung - und umgekehrt“, sagt ein Experte des Landschaftsverbandes.
Weiße Riesen werden graue Riesen. In der Innenstadt von Marl haben sie einige renoviert und andere abgerissen. Oft ist diese Lösung eine Art Kapitulation, Abriss. Die weißen Riesen von Kamp-Lintfort sind auch schon weg, die letzten weißen Riesen in Duisburg-Hochheide verschwinden noch. Riese hieß: 320 Wohnungen in einem Bau. Das sprengt jedes menschliche Maß. Die Riesen machten Hochheide lange zum Angst-Raum, „H-Town“ genannt. Wenn der letzte verschwunden ist, soll eine Grünfläche entstehen. Man kann auch sagen: Park drüber.
In Bottrop und in Essen haben sich Hochhäuser wieder gefangen
Jeder einzelne Abriss kostet Millionen von Euro, bringt Tonnen von Schutt, dauert und dauert wie bei jenem anderen verfallenden Gladbecker Horrorhaus, in dessen Nähe das Geiseldrama begann. Und Müll fällt an, soviel Müll: Vor einem Abriss in Duisburg holte das Unternehmen 800 Tonnen Sperrmüll aus dem verurteilten Haus „und bestimmt 20000 leere Flaschen“.
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Doch es gibt auch Gegenbeispiele. Vier über die Innenstadt von Essen verteilte Hochhäuser wurden gerade noch rechtzeitig renoviert, funktionieren nun wieder. Und eine verrufene und heruntergekommene Hochhaussiedlung in Bottrop-Welheim hat sich auch wieder gefangen. Oft muss für so eine Wende aber erst der Besitzer wechseln.