Essen. Die Ermittlungen um gefälschte Noten an der Uni Duisburg-Essen laufen noch. 45 Ex-Studenten sollen ihre Abschlüsse verlieren.
Der leichte Weg zu guten Noten an der Universität Duisburg-Essen hat schwere Folgen. Etwas mehr als 40 ehemalige Studenten, die für bestandene Prüfungen Geld bezahlt hatten, bekommen in diesen Wochen Post von der Hochschule. Mit eindeutigen formaljuristischen Formulierungen wird ihnen darin das Examen aberkannt. Gleichzeitig laufen auch noch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen Bestechung und Bestechlichkeit.
Ein anonymer Hinweis hatte die Uni im vergangenen Jahr aufgeschreckt. Von manipulierten Klausurnoten in der Fakultät Wirtschaftswissenschaft am Campus Essen war die Rede. Eine Verwaltungsmitarbeiterin halte die Hand auf und ändere gegen mindestens 800 Euro Bargeld eine nicht bestandene Prüfung in eine erfolgreich absolvierte um. Weitere Notensteigerungen kosteten zusätzliches Geld. Für jeweils 50 Euro gab es eine Höherstufung um 0,3 Punkte.
Universität schaltet die Polizei ein
Die Uni prüfte intern und sah die Vorwürfe des Hinweisgebers bestätigt. Deshalb schaltete sie die Polizei ein. Mit Durchsuchungen in der Uni sowie in den Privatwohnungen der 38 Jahre alten Verwaltungsmitarbeiterin sowie zahlreicher Studenten ergab sich schnell ein konkretes Bild von der Manipulation. Ohne Kontrolle war es der Sachbearbeiterin offenbar möglich, die im Computer eingetragenen Noten zu ändern.
Das soll jetzt anders werden, verspricht die Universität auf Anfrage der WAZ. Sprecherin Ulrike Bohnsack versichert, nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe die Hochschule auch außerhalb der Wirtschaftswissenschaft intensiv nach Manipulationen geforscht. Das Ergebnis: "Wir haben großflächig Stichproben genommen und keine Abweichungen feststellen können."
Uni sieht weitere Manipulationen ausgeschlossen
Das Prüfverfahren sei zudem geändert und zusätzliche Prüfroutinen eingebaut worden. "Damit", so Ulrike Bohnsack, "ist ausgeschlossen, dass sich so ein Fall wiederholt."
Parallel läuft die staatsanwaltschaftliche Ermittlung. Marion Weise, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen: "Die Ermittlungen richten sich gegen insgesamt 46 Personen, davon 45 seinerzeit oder noch Studierende. Sie dauern noch an."
Verfahren wegen Bestechlichkeit und Bestechung
Verantworten muss sich die Sachbearbeiterin der Uni wegen Bestechlichkeit, der Rest wegen Bestechung. Zur Gruppe der Studierenden gehört auch ein 35 Jahre alter Essener, der an der Uni Vorbereitungskurse gegeben hatte. Er soll schwächeren Studenten den Tipp gegeben haben, wie sie die Kurse durch Bestechung bestehen können. Er soll das Geld entgegen genommen und an die Sachbearbeiterin weitergeleitet haben.
Den Hinweis auf diesen Mann hatte eine 28 Jahre alte Referendarin gegeben. Die Essenerin, die das Lehramt an Berufsschulen anstrebte, hatte für neun Prüfungen fast 9000 Euro bezahlt und dafür den Bachelor- sowie den Master-Abschluss erhalten. Ihr Anwalt Volker Schröder hofft, dass ihr Geständnis und die Aufklärungshilfe von der Staatsanwaltschaft honoriert werden: "Sie ist ja wirklich schon genug gestraft, weil sie ihren Traumberuf aufgeben musste."
Schwerwiegender Täuschungsversuch
Sie hat wie die anderen Betroffenen ein Schreiben der Uni erhalten, dass ihr wegen "schwerwiegender Täuschungsversuche" Kursabschlüsse und Examen aberkannt werden.
"In besonders hohem Maße", schreibt die Uni, seien "die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt" worden. Mit welchen weiteren Konsequenzen zu rechnen ist, dazu werden die Betroffenen aktuell angehört.
Zwangsexmatrikulation droht
Im schlimmsten Fall wird es ihnen nicht möglich sein, an einer anderen Universität in Deutschland die Abschlüsse nachzuholen. Im Internet gibt es dazu private Beratungsseiten, in denen Alternativen aufgezeigt werden. Betroffen sind viele, nicht nur betrügende Studenten. So droht auch dem der Rausschmiss, also die Zwangsexmatrikulation, wenn eine Prüfung mehrfach nicht bestanden wurde.
Eine Beratungsseite macht da Mut. Dort heißt es: "Dass man nicht unbedingt ein Studium braucht, um erfolgreich zu sein, zeigen prominente Beispiele wie Bill Gates, der sein Mathematik-Studium an der Elite-Uni Harvard schon früh beendet hat."