Recklinghausen. In den Gärten des Reviers sollen Klimabäume ihr Scherflein beitragen gegen den Klimawandel. Der Regionalverband verteilt sie – zunächst stockend.
Der Grund, dass Familie Wengerek sich an diesem Vormittag einen Klimabaum abholt, liegt ihnen sichtlich am Herzen, trägt eine dicke rosa Jacke und hört auf den Namen Annabelle. Nein, ob sie hört, wissen wir gar nicht wirklich, aber einen guten Grund für einen Schritt zu mehr Klimaschutz stellt ein 20 Monate altes Kind natürlich immer dar. Annabelle, auf Vaters Arm. Guck mal in die Kamera, Annabelle! Hört.
Wengereks gestalten gerade ihren Garten um, erzählt die Mutter, Katharina. In Richtung Obstbäume. „Wir wollen dem Kind zeigen, wo Obst und Gemüse herkommen, und zeigen, dass man regionales Obst selbst anpflanzen kann. Und dass man was fürs Klima tun muss.“ Dann ziehen sie mit ihrem neuen Pflaumenbäumchen davon.
„Du hast das Grundstück, wir haben den Baum!“
An diesem Vormittag verteilen Vertreter des Regionalverbandes Ruhrgebiet (RVR) kostenlos Obstbäume vor dem schönsten Rathaus von NRW, dem Recklinghäuser. Menschen haben sich um die Bäume beworben, haben den Zuschlag bekommen, holen sie nun. Viele begleitet von den besten Gründen: wie Max (5) und Jana-Ina (8), Alea und Alena, Mia, Finn, Ben und den anderen aus der Altersklasse Knirps.
„Du hast das Grundstück, wir haben den Baum!“ ist das Motto der Aktion, angeführt vom RVR, begleitet von der Emschergenossenschaft, finanziert vom NRW-Umweltministerium, praktisch umgesetzt in 43 von 53 Revierstädten. Die Gründe bringt beispielsweise die Klimaschutzbeauftragte der Stadt Hattingen auf einen Satz: „Die Bäume binden das CO2 aus der Luft und sorgen für frischere Luft in den Gärten“, sagt Svenja Zimmermann. Und von Stadtklima, Feuchtigkeit, schattigen Plätzchen und frischen Früchtchen ist dann noch gar nichts gesagt.
Lieferengpässe verzögern die Ausgabe der meisten Bäume um zwei Wochen
Allerdings steht die Aktion an diesem Wochenende unter einem . . . jedenfalls nicht unter einem Glücksstern. „Pflanzwetter“, so ironisiert RVR-Sprecher Jens Hapke den mild verregneten, winddurchtosten Tag. Schwieriger aber ist: Ursprünglich wollte der Regionalverband 10.000 Bäume an Mann und Frau bringen. Gemeldet haben sich aber nur rund 5200 Menschen, die interessiert waren.
Und die haben jetzt nicht einmal, wie geplant, alle ihre Bäume bekommen. Drastische Liefer-Engpässe nämlich hatten sich am Donnerstag offenbart, und so kommt es, dass zunächst nur 500 statt 5200 Klimabäume verteilt werden können. In Recklinghausen, Mülheim, Oberhausen, Essen, in nur vier statt 43 Städten. Alle anderen sollen jetzt in zwei Wochen ausgegeben werden, am 13. November - so ist es wenigstens geplant. Merke: Auch Klimabäume wachsen nicht in den Himmel.
„Jetzt bekommen wir noch einen Familienbaum“
Das schmälert natürlich nichts an der Motivation der Leute, sich und uns allen einen Gefallen zu pflanzen, auch wenn keine guten Gründe auf zwei Beinchen neben ihnen herlaufen. Carola Neumann hat in ihrem Garten zwei große Nadelbäume verloren an die Trockenheit, das Pfläumchen soll jetzt in die Lücke hineinwachsen. Und auch Nicole Glinka geht in Richtung Obst und hat schon vor Monaten einen Apfelbaum gepflanzt - und „einen ersten kleinen, wunderschönen Apfel geerntet“.
Petra Gnaß ist eine der ersten am Recklinghäuser Rathaus, weit vor der Zeit, und ihre eigene Erklärung dafür lautet: „Lehrerin!“ Sie beschreibt sich als „70er-Jahre-Mensch, Atomkraft nein danke, Vegetarierin seit 55 Jahren“ und findet, man müsse jetzt „alles retten, was noch zu retten ist“.
Nur noch eben die Ulms. Das Elternpaar Nina und Tobias hat jedem seiner Kinder schon in der Vergangenheit einen Baum zur Taufe gepflanzt, „jetzt bekommen wir noch einen Familienbaum“, sagt er. In den Presse-Unterlagen lässt sich die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser so zitieren: Bei allen langfristigen Strategien „muss aber auch sofort etwas passieren. Dafür steht die Aktion Klimabäume.“ Luka, Levi und Ella Ulm sagen danke. Ach was, die ganze Generation Knirps macht das.