Essen. Die spanische Eisenbahngesellschaft „Renfe“ bietet Touristen eine besondere Möglichkeit, Andalusien zu erkunden. In dem Zug “Al Andalus“ können Urlauber auf einer sechstätigen Fahrt luxuriös von Sevilla nach Madrid reisen. Jeden Abend erwartet die Gäste ein mehrgängiges Gourmet-Menü.

Mit scharfen Messern hantiert Nico Jiménez virtuos vor den Augen der im Salonwagen versammelten Gäste. Blitzschnell zerlegt er den in eine Jamonera eingespannten Iberico-Schinken in feinste Scheiben. „Jedes Teil der Keule hat einen anderen Geschmack“, erklärt er. Wir dürfen probieren. Danach folgt, wie jeden Abend, das mehrgängige Gourmet-Menü in den zwei eleganten Restaurantwagen. 

Es ist der letzte Abend der sechstägigen Reise mit dem Luxus-Zug „Al Andalus“ von Sevilla nach Madrid. Eine normale Bahnfahrt dauert nicht mehr als zweieinhalb Stunden. Aber wir Passagiere wollen ja nicht schnellstmöglich ankommen, sondern möglichst viel unterwegs sehen und erleben. Die Stationen stehen fest. Doch täglich sind Überraschungen eingebaut. In der Stadt Mérida mit ihrer römischen Vergangenheit treffen wir im Amphitheater auf heftig mit Dreizack, Netz und Schwertern kämpfende Gladiatoren. Auf der römischen Brücke über die Guadiana marschieren römische Soldaten mit schwerem Marschgepäck heran, jubelnd erwartet von Frauen und Kindern. Es ist ein beeindruckendes Spektakel, das uns um 2000 Jahre ins pralle römische Leben zurück versetzt.

Eine Suite im Luxus-Zug

Am Vormittag hatten wir in Zafra idyllische Kleinstadtatmosphäre geschnuppert, fachkundig geführt oder auch auf eigene Faust, wie jeder möchte. Zum Aperitif aber finden sich alle im Garten eines maurischen Adelsschlosses ein. Der den Zug von Sevilla bis Madrid begleitende Bus bringt uns pünktlich zurück zum Bahnhof. Auch Individualausflügler dürfen nicht zu spät kommen. Denn warten kann der „Al Andalus“ nicht. Als Sonderzug muss er sich nach ausgeklügeltem Plan in den Schienenverkehr einfädeln.

Herzlich werden wir von dem immer fröhlichen Zugteam bei jeder Rückkehr im Barwagen, dem Haupt-Ein- und Ausstieg, mit einem kühlen Drink empfangen. Die meisten sprechen deutsch. Zum Auffrischen sucht jeder sein von Geisterhand tagsüber in ein komfortables Wohnzimmer verwandeltes Abteil, Suite genannt, auf. Und schon wartet während der Weiterfahrt das mehrgängige Mittagessen mit Wein der Region. Jeder kann sitzen wo er möchte. So lernt man schnell die anderen Mitreisenden kennen.

Passagiere reisen aus Australien und Südafrika an

Einige der 49 Passagiere, darunter viele Singles, sind wegen des ungewöhnlichen Zug-Erlebnisses von Australien, aus Kanada und Südafrika angereist. Doch die meisten sind Europäer. Ein deutsches Paar aus Essen bekam die Reise zur Silberhochzeit geschenkt von den Kindern. Ein würdiges Geschenk.

Denn man reist in königlichem Ambiente. Vor knapp 100 Jahren wurden die luxuriösen Schlaf-, Salon-, Bar- und Speisewagen für das britische Königshaus gebaut. Ihre Hoheiten pflegten mit dem Zug an die Cote d’Azur zu fahren. Seit dem Zweiten Weltkrieg standen die Wagen im Depot. 1985 erweckte die spanische Eisenbahngesellschaft „Renfe“ sie nach gründlicher Überholung zu neuem Leben – für „touristische Sonderfahrten“ durch Andalusien als „Al Andalus“.

Gourmet-Frühstück an Bord

Nach einer erneuten Pause wurden die Waggons 2012 einer technischen Verjüngungskur unterzogen und auf verschiedenen Strecken Spaniens eingesetzt. Erstmals trat der „Al Andalus“ im Juni 2014 seine Reise von Sevilla nach Madrid durch die zauberhafte Landschaft der Extremadura an, zudem mit dem völlig neuen Konzept einer Kooperation mit privaten Gourmet-Restaurants von Relais & Châteaux.

So überrascht am Morgen nach der Abfahrt von Mérida an Bord ein Gourmet-Frühstück, bereitet von Sternekoch Toño Pérez. Zwar lässt auch sonst das Frühstücksbuffet nichts zu wünschen übrig, doch Toño kreiert etwas Besonderes. In Cáceres besichtigen wir die Altstadt. Am höchsten Punkt, auf der Plaza de Santa Maria, öffnen sich für uns die Pforten des Relais & Châteaux-Restaurants „Atrio“. Verschmitzt lachend steht Chef Toño in der Tür und lädt in seinen Gourmet-Tempel zu einem „kleinen Lunch“ ein.

Um einen ruckelfreien Schlaf des Nachts zu ermöglichen, steht der Zug – diesmal in Monfragüe. Am Morgen fährt uns Busfahrer Julio zum „Naturpark Monfragüe“. In grandiosen Felsformationen am Ufer des Tajo nisten Gänsegeier. Ranger bauen starke Teleskope auf, so dass wir fast die Federn der Vögel zählen können. Vorbei an uralten Kork- und Steineichen wandern wir hinauf zu einer verfallenen Burg mit grandioser Aussicht über das Flusstal. Majestätisch kreisen unter und über uns Kaiseradler und Mönchsgeier. Nachmittags erleben wir Toledo. In Aranjuez werden die Königliche Sommerresidenz und ein altes Weingut besichtigt. Fast tränenreich verabschieden sich in Madrid Zug-Team und Passagiere voneinander.