Moskau. Auf der längsten Zugstrecke der Welt geht es durch die verschneite und kalte Landschaft Russlands - zum Glück im warmen Zug. Die Transsibirische Eisenbahn fährt uns von Moskau bis weit hinein nach Asien. Auf der Reise sehen wir zahlreiche spannende Orte und erleben die Weite Sibiriens.
Sicher, eine Reise in den sibirischen Winter hat noch immer einen Hauch von Abenteuer. Doch wir werden umsorgt: Als wir am Jaroslawler Bahnhof in Moskau in den Zug einsteigen, empfängt uns Marina Nikolajewa mit einem freundlichen Lächeln. Sie ist eine der beiden Schaffnerinnen, die in unserem Waggon der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis in die Mongolei rund um die Uhr Dienst tun. Wir richten uns in einer Vierbett-Kabine der 2. Klasse ein. Die Betten beziehen wir selbst, frische Wäsche liegt bereit, und schnell ist das Gepäck im Stauraum verschwunden. Wer es bequemer mag, reist nicht im Regelzug, sondern bucht ein luxuriöses Abteil im Zarengold.
Bevor die Reise gen Osten beginnt, erkunden wir das winterliche Moskau. Auf dem Roten Platz ist längst nicht mehr das Lenin-Mausoleum die Attraktion, sondern die vorm festlich geschmückten Kaufhaus GUM aufgebaute Schlittschuhbahn, auf der Jung und Alt ihre Runden drehen. Ein perfektes Fotomotiv ist auch die am Abend angestrahlte Basiliuskathedrale mit ihren bunten Zwiebeltürmen. Dem Neujungenfrauenkloster und der Christus-Erlöserkathedrale am Ufer der Moskwa statten wir auch einen Besuch ab. Danach müssen wir zum Bahnhof – pünktlich setzt sich der Transsib in Bewegung.
1777 Kilometer von Moskau bis Asien
Der Zug rattert im Takt der Schienenstöße. Draußen ziehen triste Plattenbauten der Vorortsiedlungen vorbei. Es wird dunkel, Zeit für die Nachtruhe. Ein Gläschen Wodka hilft beim Einschlafen. Am nächsten Morgen genießen wir einen heißen Tee aus dem Samowar. Jetzt sind es endlos scheinende und tief verschneite Birkenwälder, die das Landschaftsbild prägen. Manchmal ducken sich kleine Holzhäuser an die Trasse. Viele sind verfallen, längst nicht mehr bewohnt. Aus anderen steigt eine Rauchsäule als Zeichen menschlicher Zivilisation auf. Und wenn Menschen zu sehen sind, dann sind sie warm verpackt und tragen dicke Pelzmützen.
Wir sind noch in Europa. Erst nach 1777 Kilometern wird der Ural erreicht, der Europa von Asien trennt. Dort, in Jekaterinburg, verlassen wir erstmals den Zug. Wolkenkratzer, die auch in Manhattan stehen könnten, dominieren das Stadtbild. „Jekaterinburg ist Boomtown“, erzählt Valerie, der die Gäste die gesamte Reise über begleitet. „Vor allem wegen der Bodenschätze aus dem Ural glänzt die Millionenmetropole mit Reichtum.“ Wir besuchen die Kathedrale auf dem Blut, errichtet an jener Stelle, an der die Kommunisten die Zarenfamilie erschossen haben. 2003 eingeweiht, hat sie sich zum Zentrum der russischen Zarenverehrung entwickelt. Tief berührt verneigen sich Menschen aller Altersgruppen, bekreuzigen sich, zünden Kerzen an.
LKW überqueren zugefrorenen See
Am Abend rollt der Zug weiter, Valeri informiert über russische Trinkgewohnheiten. Wodka wird probiert und Trinksprüche eingeübt. Schnell kommen wir mit anderen Passagieren ins Gespräch – mit Anton und Stepan. Anton will seine Eltern in Nowaja Igirma besuchen. Über 80 Stunden Bahnfahrt werden hinter ihm liegen, wenn er die sibirische Kleinstadt in der Nähe von Irkutsk erreicht. „Eigentlich könnte ich zu Hause mit Freunden feiern, aber es zieht mich immer wieder nach Sibirien“, erzählt er. Zugfahren dauert länger als der Flug, macht aber mehr Spaß: „Ich ‘erfahre’ die Weite Sibiriens“, sagt er und reicht mir einen Zettel mit seiner Adresse. „Schreib mal, wie es dir am Baikalsee gefallen hat.“
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Heiliges Meer nennen die hier lebenden Burjaten den See, der 1000 Mal größer als der Bodensee ist und mit seiner schönen Landschaft zu den Höhepunkten der Reise zählt. Ende Januar friert der See zu, sogar LKW können ihn dann überqueren. Auch eine Kutschfahrt durch die verschneiten Wälder rund um das Dorf Listwjanka mit alten Holzhäusern hat ihren Reiz. In Irkutsk zeigt uns Valerie das Standbild des Zaren Alexander III. „Dieser Zar war der Ideengeber für die Transsib“, erklärt er uns. Bevor die Trasse 1916 fertiggestellt war, verband nur ein unbefestigter Weg den russischen Westen mit Sibirien.
Richtung Ulan Bator
Die Transsib ist die längste Eisenbahnstrecke der Welt. 9288 Kilometer sind es von Moskau bis Wladiwostok. Für Touristen attraktiver sind Routen, die über die Transmandschurische oder Transmongolische Bahn nach Peking oder Ulan Bator führen. Unser Zug nimmt Kurs auf die mongolische Hauptstadt Ulan Bator. In „UB“ lernen wir das Gandan-Kloster kennen und fahren zum Suchbaatar-Platz. Vor dem Palast thront Dschingis Khan, der Herrscher des Mongolischen Weltreichs.
Für uns hat er sich erfüllt, der Traum von der Reise auf der längsten Bahnstrecke der Welt. Unvergessliche Eindrücke von der Weite und Schönheit Sibiriens nehmen wir mit auf den Rückflug, der uns in weniger als zehn Stunden nach Deutschland bringen wird. Und die Gewissheit: Wer Russland wirklich erfahren will, muss Zug fahren.