Essen. Immer mehr Passagiere reisen auf immer größeren Schiffen. Trotzdem wird laut dem Experten Franz Neumeier die Kreuzfahrt individueller. So geht der Trend zum Beispiel hin zu mehr Flexibilität an Bord. Auch das Internetangebot an Bord soll bald deutlich billiger oder sogar kostenlos werden.

Der Boom kennt kein Ende: Knapp 1,7 Millionen Deutsche gingen 2013 an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Neun Tage dauerte durchschnittlich eine Reise. 2,5 Milliarden Euro setzten die Reedereien mit den Passagieren aus der Bundesrepublik um. Ein Wachstum, das ohne Anpassungen nicht möglich wäre. Welche das sind, weiß kaum jemand besser als der Kreuzfahrt-Journalist Franz Neumeier. Ein Gespräch über Seetage, Fahrgebiete und das Ende fester Essenszeiten.

Die neuen Kreuzfahrt-Kataloge kommen gerade heraus. Was erwartet Seereisende 2015?

Franz Neumeier: Die Fahrgebiete sind alle erschlossen, da gibt es keine Überraschungen. Ein Trend zeichnet sich aber bei den Expeditionsschiffen ab. Mit dem Klimawandel sind für die kleinen Schiffe nun auch die Nordost- und die Nordwestpassage erreichbar. Ansonsten ändern sich eher Kleinigkeiten: Der Trend geht zum Beispiel hin zu mehr Flexibilität an Bord. Das Standardschema, nach dem es feste Tische und feste Uhrzeiten fürs Essen gibt, bricht immer mehr auf. Gerade auf den großen Schiffen müssen die Leute jetzt besser verteilt werden. Nachteil: Passagiere müssen nun selbst planen und reservieren.

Die Balearen erwarten 2015 einen Rekord von 600 Kreuzfahrtschiffen. Welche Häfen liegen sonst im Trend?

Neumeier: Es ist schwierig einen Trend auszumachen, weil immer mehr Schiffe unterwegs sind. Die „Allure of the Seas“ zum Beispiel ist 2015 im Mittelmeer unterwegs. Da sie derzeit das größte Kreuzfahrtschiff der Welt ist, werden auf ihrer Route alle Häfen Passagierrekorde verzeichnen. Aber auch Städte wie Barcelona, Istanbul, Palma oder Civitavecchia werden neue Rekorde melden, weil sie durch ihre Flughäfen aus der ganzen Welt erreichbar sind und mit ihrer Infrastruktur die Massen meistern können.

„Umweltschutz wird immer wichtiger“

Die Branche wächst. Geschieht das alles frei nach dem Motto: höher, größer, breiter?

Neumeier: Es sah eine Weile so aus, als wäre die Größengrenze bei Kreuzfahrtschiffen erreicht. Der aktuelle Bauboom zeigt aber, dass dem nicht so ist. Costa baut gerade die Diadema, die mit knapp 5000 Passagieren das größte je in Italien gebaute Schiff ist und am 30. Oktober auf Jungfernfahrt geht. MSC gibt so viele Schiffe in Auftrag, dass man fast den Überblick verliert. Bei Tui Cruises fährt ab kommendem Frühjahr die Mein Schiff 4 – Mein Schiff 5, 6, 7 und 8 sind beschlossen. Aber auch Royal Caribbean, Norwegian und Aida bauen Schiffe für 3000 bis 5000 Passagiere.

Was können Reisende von den neuen Schiffen erwarten?

Neumeier: Alle Schiffe setzen auf eine Mischung aus Neuheiten und Bewährtem. Einerseits nehmen die Alternativen in den Bereichen Entertainment, Sport und Wellness zu. Andererseits wird die Vielfalt der Restaurants größer – vom einfachen Buffet bis zum Nobelrestaurant. Jeder will das Beste bieten.

Aida stellt ab sofort Tageszeitungen zur Verfügung. W-Lan gibt es mittlerweile auch überall. Sind die ruhigen Tage auf See ein für alle Mal passé?

Neumeier: Das würde ich so nicht sehen. Auf jeder Route sind ja wie früher Seetage dabei, an denen es keinen Druck gibt, an Land gehen zu müssen. Und diese Tage werden sicher nicht weniger werden. Die Reedereien wollen ja, dass die Leute ihr Geld an Bord ausgeben. Die Frage ist natürlich, was ich mit diesen Seetagen anfange. Bei dem großen Angebot an Bord ist die Versuchung da, von einem zum nächsten zu hetzen.

Vor allem die Amerikaner galten lange als Entertainment-Experten auf See. Gibt es noch Unterschiede zwischen US- und europäischen Reedereien?

Neumeier: Bei Reedereien, wo etwa die Hälfte der Passagiere Amerikaner sind, ist das Entertainment nach den Vorbildern am Broadway oder in Las Vegas sehr amerikanisch geprägt. Deutsche Reedereien haben andere Konzepte und versuchen, dem europäischen Publikum näherzukommen. Bei den Amerikanern gibt es aber insgesamt ein höheres Niveau mit sehr hochwertiger Live-Musik.

Kreuzfahrten auf dem Nil

Erste Station der Nil-Kreuzfahrt: der Horus-Tempel in Edfu.
Erste Station der Nil-Kreuzfahrt: der Horus-Tempel in Edfu. ©  Philipp Laage
In aller Ruhe lassen sich die Details des Horus-Tempels in Edfu besichtigen.
In aller Ruhe lassen sich die Details des Horus-Tempels in Edfu besichtigen. ©  Philipp Laage
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Die "Nile Smart" fährt von Luxor nach Assuan und wieder zurück - viele andere Schiffe liegen derzeit still. ©  Philipp Laage
Der Tempel von Abu Simbel, den die Kreuzfahrer per Buskonvoi erreichen, wird derzeit oft nur von rund 100 Reisenden am Tag besucht. Früher waren es bis zu 1000.
Der Tempel von Abu Simbel, den die Kreuzfahrer per Buskonvoi erreichen, wird derzeit oft nur von rund 100 Reisenden am Tag besucht. Früher waren es bis zu 1000. ©  Philipp Laage
Kultur kompakt: Zum Karnak-Tempel kommen auch etliche Tagestouristen aus Hurghada.
Kultur kompakt: Zum Karnak-Tempel kommen auch etliche Tagestouristen aus Hurghada. ©  Philipp Laage
Leere Sonnenliegen: Selbst die wenigen verbliebenen Schiffe auf dem Nil sind oft nur zur Hälfte ausgelastet.
Leere Sonnenliegen: Selbst die wenigen verbliebenen Schiffe auf dem Nil sind oft nur zur Hälfte ausgelastet. ©  Philipp Laage
Wenig Arbeit: Hesham Khattab führt Touristen durch sein Land.
Wenig Arbeit: Hesham Khattab führt Touristen durch sein Land. ©  Philipp Laage
Kaum Touristen: Freier Blick herrscht derzeit am Hatschepsut-Tempel.
Kaum Touristen: Freier Blick herrscht derzeit am Hatschepsut-Tempel. ©  Philipp Laage
Kaum Kundschaft: Am Isis-Tempel warten Händler auf Touristen.
Kaum Kundschaft: Am Isis-Tempel warten Händler auf Touristen. ©  Philipp Laage
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Internet wird an Bord auf absehbare Zeit deutlich billiger oder sogar kostenlos

Wie sieht die Zukunft der Kreuzfahrt aus?

Neumeier: Internet wird an Bord auf absehbare Zeit deutlich billiger oder sogar kostenlos werden. Das gehört so zum Alltag, dass sich keine 50 Cent pro Minute mehr halten lassen. Dann bekommt der Umweltschutz eine immer wichtigere Rolle: In die neuen Schiffe werden Abgas-Filter eingebaut, viele ältere Schiffe werden nachgerüstet und auf lange Sicht wird Flüssiggas das Schweröl ersetzen.

Weiter werden Musikkreuzfahrten wie der Rockliner mit Udo Lindenberg zunehmen. Und für den deutschen Markt gilt: Aida und Tui werden versuchen, den Markt zu behaupten. Und der wird wachsen, weil viele gemerkt haben, dass sie auf einem Schiff guten Urlaub für günstiges Geld machen können.

Also wird sich All-inclusive an Bord durchsetzen?

Neumeier: Es kommt zu einer Aufsplittung zwischen traditionellen Kreuzfahrern und Neukunden. Während Erstere kleine Schiffe und ausgefallene Ziele und das Meer als solches erleben wollen, sehen Neukunden ein Schiff eher als ein Ferien-Resort. So ist dann auch die Erwartung.