Saalfeld. Eine märchenhafte Welt unter Tage entdeckten Forscher 1913 in einem ehemaligen Bergwerk bei Saalfeld in Thüringen. Die “Feengrotten“ wurden kurz darauf für Besucher geöffnet und gehören heute noch zu den beliebtesten Schauhöhlen Deutschlands. Rundherum werden einige Familien-Attraktionen geboten.
Ursprünglich suchten die Bergleute und Forscher eine Heilquelle. Doch was sie 1913 im kargen Schein ihrer Lampen unter Tage erblickten, hat selbst gestandene Männer verzaubert. "Von gleißenden Farben und verschwenderischer Pracht ist alles erfüllt, die ganze Erhabenheit unberührter Natur kommt hier zum Ausdruck", versuchte einer der Entdecker seine Eindrücke in Worte zu fassen.
Für die märchenhafte Tropfsteinwelt in einem alten Saalfelder Bergwerk war bald der Name "Feengrotten" geboren. Seit ihrer Eröffnung am 31. Mai vor 100 Jahren haben sie mehr als 18 Millionen Besucher angelockt und sind eine der beliebtesten Schauhöhlen Deutschlands.
Diadochit ist "der Ferrari unter den Tropfsteinen"
Anders als andere solcher Höhlen entstanden die Feengrotten nicht auf rein natürlichem Weg. "Seit etwa 1530 wurde hier Alaunschiefer abgebaut", erzählt Geschäftsführerin Yvonne Wagner. Das daraus gewonnene Salz war wichtig für Gerbereien, die Papierherstellung, aber auch als Wundstiller bekannt. Mit dem Aufkommen der chemischen Industrie verlor Alaunschiefer an Bedeutung, so dass der Abbau um 1850 eingestellt wurde. Wagner: "Der Stollen ist dann verfallen und hat niemanden mehr interessiert."
Doch da, wo einst Bergleute mühevoll mit Schlegel und Eisen große Hohlräume ins Gestein geschlagen hatten, wuchsen Tropfsteine aus den Wänden, denen verschiedene Mineralien eine bunte Färbung gaben. Während andernorts Tropfsteine rund hundert Jahre brauchen, um etwa einen Zentimeter zu wachsen, schaffen die Saalfelder bis zu drei Zentimeter im Jahr. Denn sie bestehen vor allem aus dem weichen Mineral Diadochit. "Das ist der Ferrari unter den Tropfsteinen", erklärt Grottenführerin Simone Pamminger. "Aber sie brechen leicht wie eine Salzstange."
Inspiration für ein Bühnenbild
In der Hoffnung eine Heilquelle zu finden und vermarkten zu können, hatte der Berliner Bankier Adolf Mützelburg das alte Bergwerk gekauft und erkunden lassen. Zwei Tage vor Weihnachten 1913 stieß die Expedition auf den "Märchendom", die älteste und eindrucksvollste Grotte. Mützelburg ließ den Stollen ausbauen und öffnete ihn für Touristen.
Bereitete der Erste Weltkrieg dem Besucherverkehr zunächst ein jähes Ende, wandelten sich die Feengrotten dann zu einem Besuchermagneten. So soll in den 1920er Jahren der Sohn des Komponisten Richard Wagner, Siegfried, im Märchendom zu einem Bühnenbild für die Oper "Tannhäuser" inspiriert worden sein. Ab den 1930er Jahren schickte die Bahn sogar Sonderzüge nach Saalfeld. Damals wurde dort auch ein Heilstollen eingerichtet - den Angaben nach der erste seiner Art in Deutschland. Mitte der 1950er Jahren wurden die Feengrotten regelrecht überrannt: bis zu 450.000 Besucher waren es im Jahr.
Paradebeispiel für gute Organisation
Heute stemmen sich die Feengrotten mit etwa 170.000 Gästen jährlich gegen den rückläufigen Trend bei Schauhöhlen und Besucherbergwerken. Vor einigen Jahren entstanden ein Mitmachmuseum namens "Grottoneum" und ein märchenhafter Abenteuerpark. Auch der Heilstollen wurde wiederbelebt. "Wir haben vor allem unser Angebot für Familien mit Kindern erweitert", erklärt Wagner. Alles zusammen bringe es auf etwa 250.000 Besucher im Jahr.
Laut Internationaler Schauhöhlen-Vereinigung (ISCA) gibt es in Deutschland etwa 60 solcher echten Höhlen plus mehr als 100 Besucherbergwerke. "Die Feengrotten sind ein Paradebeispiel, wie Schauhöhlen organisiert werden können", lobt Vizepräsident Heinz Vonderthann und hebt vor allem die Wissensvermittlung hervor. Der Besuch in Schauhöhlen sei immer wieder die Initialzündung für junge Menschen, sich mehr mit Höhlenforschung auseinanderzusetzen. (dpa)