Kos. Für die Einwohner von Kos spielt die Kirche eine wichtige Rolle im Alltag. Doch der orthodoxe Priester Vasilios aus der Insel-Hauptstadt hat überraschend weltliche Ansichten. Er erzählt vom angenehmen Kontrast zur Großstadt, aus der er stammt, aber auch von Problemen durch Immigranten.

Er fasziniert von Anfang an, obwohl sein Äußeres zunächst einmal gehörigen Respekt einflösst: Ein langes schwarzes Gewand, ein großes Kreuz um den Hals, ein üppiger Vollbart. Priester Vasilios Chlampanis. Sein graues krauses Haar unter dem Hut ist im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Doch er hat sanfte dunkle Augen, und seine Weltlichkeit verblüfft. Der Familienvater findet es richtig, dass junge Witwen nach ein paar Monaten das schwarze Trauerkleid ablegen. „Das Leben geht doch weiter“, entrüstet er sich, „inklusive neuem Partner“. Ein Gottesmann mit viel Gefühl und Nähe. Die älteren Frauen trügen den Rest ihres Lebens schwarz – und blieben allein.

Priester Vasilios ist in der Ágios Nikolaos-Kathedrale zuhause, mitten im quirligen Zentrum von Kos, der Hauptstadt der gleichnamigen griechischen Insel. Um ihn herum mit Ikonen geschmückte Wände, goldene Kronleuchter, prächtige Marmorsäulen. Gold verzierte Heilige schauen auf ihn herab. Mystische Stille. Im Halbdunkeln zündet er zwei Kerzen an und schickt den Verstorbenen damit seine „wärmsten Wünsche“.

"Ich wollte weit weg von der Hektik"

Die griechisch-orthodoxe Kirche ist im Alltag zumindest der älteren Koer noch sehr präsent. Viele besuchen täglich Gottesdienste in einsam gelegenen weißen Kapellen mit leuchtend blauen Kuppeln auf kargen Berghügeln oder in den etwas moderneren Stadtkirchen. „Seit vielen Jahrhunderten ist die Kirche bei uns ein Teil des Alltags, unsere Traditionen feiern wir schon seit Ewigkeiten“, erklärt der 58-Jährige Vasilios. Rund 30 „Papades“ kümmern sich um die Gläubigen auf Kos.

Der sympathische Vasilios lebt seit Ende der Siebziger auf der kleinen Insel in der östlichen Ägäis, kommt aber ursprünglich aus der Nähe von Athen. „Ich wollte weit weg von all der Hektik und dem Lärm der Hauptstadt“, sagt der frühere Juwelier, „und in Ruhe mit Gott kommunizieren“.

Einsam und entspannt im Westen

Ruhe und Einsamkeit finden Besucher auch auf einer Tour über das überschaulich-gemütliche Eiland. Rund 33.300 Menschen leben hier auf 283 Quadratkilometern. Doch während der Hochsaison im Sommer wird es voller: Teilweise verbringen bis zu 60.000 Besucher gleichzeitig ihre Ferien auf der Badeinsel. Jetzt, im späten Frühjahr, gleicht Kos einem kunterbunten Blumenmeer: Rosafarbene Zistrosen stehen in voller Blüte. In den urigen Bergdörfern Zia und Lagoúdi blühen vor weiß getünchten Steinhäusern mit blauen Fensterläden duftende Kräuter wie Lavendel und Oregano. Breite weiße Strände erstrecken sich rund um die ganze Insel – ideal für Liebhaber feinsandiger Buchten mit Dünen und türkisstrahlendem Meer. Eine griechische Postkartenidylle.

Richtig einsam und entspannt wird es im Westen – auf der Kéfalos-Halbinsel. Fast unberührt scheint der „Schafskopf“, wie die Einheimischen sie auch nennen, selbst im Hochsommer, wenn Briten, Holländer und Deutsche Kos bevölkern. Einsame zerklüftete Buchten, grüne Wiesen mit Thymianbüschen und bunt bemalten Bienenkästen, genüsslich grasende Ziegenherden und schroff-felsige Bergregionen. Natur pur, Griechenland pur.

Deutscher Auswanderer schwärmt vom sauberen Meer

Hinter Kornfeldern vor einer weißen Mühle steht plötzlich ein Schild: „Frischer hausgemachter deutscher Apfelkuchen“. Auf der urigen, mit pinken Bougainvillea bewachsenen Terrasse sitzt Dietmar Dickow: Nahe des noch sehr ursprünglichen Ortes Kéfalos baute der ehemalige Drucker aus der Nähe von Bergisch-Gladbach vor zwölf Jahren auf einem kargen Acker eine Mühle. „Das war damals schon eine verrückte Idee“, muss der 63-Jährige heute zugeben. Doch er wollte Deutschland den Rücken zukehren, mit Ehefrau Petra etwas Neues beginnen. Genug von Hektik und Stress.

Und in Kos waren die beiden von Anfang an verliebt: „Hier hab‘ ich mein kleines Segelboot im Hafen liegen, das Meer ist sauber – und die Menschen sind freundlich und hilfsbereit“, schwärmt Dietmar und gibt den Tipp, unbedingt den einsamen Strand Kap Kata, südlich von Kéfalos, zu besuchen – „kein Mensch weit und breit.“

Bootsflüchtlinge werden leicht kriminell

Reise-Infos

Anreise: Mit Tuifly ( 01806/00 01 20, www.tuifly.com) ab Düsseldorf nonstop nach Kos-Stadt.

Besonderheiten: Deutschen Apfelkuchen auf Kos gibt es in der Großen Mühle, zwischen Kéfalos und Limniónas, bei Petra und Dietmar Dickow: 0030/22 42 07 15 42

Koische Hausmannskost wird bei Mummy‘s Cooking im Hafen von Kos-Stadt serviert: 0030/22 42 02 85 25.

Veranstalter: Tui ( 0511/56 78 01 05, www.tui.com) bietet eine Woche im Puravida Blue Lagoon Village in Kéfalos (Doppelzimmer/All Inclusive) und Flügen ab 733 Euro pro Person.

Buchtipp: Im Juli erscheint der neue „Merian live! Kos“ mit neuen Rubriken wie „Merian Momente“ (Tipps für das kleine Glück auf Reisen), 12,99 Euro, ISBN (13) 978 38 34 21 67 17, Travel House Media.

Kontakt: Griechische Zentrale für Fremdenverkehr, 069/2 57 82 70, www.visitgreece.gr, www.kos.gr

Der Anfang war 2004 kein „Zuckerschlecken“, erzählt er weiter. Auch hier müsse man hart arbeiten für sein Geld, und „die Sommer sind anstrengend“. Doch die beiden Besitzer der „großen Mühle“ haben sich mittlerweile einen Namen auf der Insel gemacht: Der saftige Apfelkuchen seiner Gattin ist Kult – auch die Griechen lieben ihn. Deutschland sei ihm mittlerweile einfach zu engstirnig, sagt Dietmar. „Wenn ich schon dran denke, dass man überall, wo man sein Auto parken will, ein Ticket zahlen muss, krieg‘ ich zu viel.“ Er lacht.

Kos hat andere Schattenseiten, von denen Papa Vasilios weiß. Der Sanftmütige liebt seine ruhige, stressfreie Insel, ist aber in ihrem einzigen Gefängnis auch für türkische und albanische Immigranten zuständig. Der Gottesmann hat Empathie. Denn er weiß, dass die Neuankömmlinge ohne Papiere und Job leicht kriminell werden. Dabei nimmt Griechenland viele solcher Bootsflüchtlinge auf. „Die gemütliche Insel ist für sie ein Tor nach Europa.“

Für den Besucher ist Kos immer noch ein Stück weit griechische Postkartenidylle – aber eher in der Nebensaison, wenn es schön ruhig ist.