Ostrachtal.

Krumm gewachsenes Ahorn-, Buchen- oder Eschenholz ist ideal. Auf der Suche nach besten heimischen Hölzern für den Schlittenbau durchkämmt Rudolf Finkel an klaren Wintertagen die bewaldeten Bergflanken des Ostrachtals. Wenn sich bei strengem Frost der Saft aus dem Stamm zurückgezogen hat, markiert er das Holz, welches sich für sein Handwerk am besten eignet. Stabiler geht’s nicht.

Jedes Jahr fertigt der Wagnermeister aus Bad Oberdorf Dutzende der traditionellen „Hornerschlitten“ in seiner Werkstatt in der Kurzen Gasse mit der Hausnummer 2. Die nach vorn gebogen zulaufenden Kufen sind allesamt aus einem Stück Holz gebaut. Ganz ohne Leim und Schrauben fertigt Finkel die im Oberallgäu beheimateten Schlitten. Alle Teilstücke seiner begehrten Unikate sind lediglich mit Holzdübeln verbunden.

Handwerk gilt als ausgestorben

Das Berufsleben des 70-Jährigen ist wie das seiner Vorfahren untrennbar mit dem Schlittenbau verbunden. „Noch unsere Väter und Urgroßväter haben Heu oder Holz auf Schlitten von den Bergen herunter in die Höfe geschafft“, sagt Finkel. „Ursprünglich wurden für den Transport einfach beladene Tierfelle, starke Astgabeln oder zusammengebundene Baumstämme genutzt, die vom Vieh oder von Menschenhand gezogen wurden.“ Später wurden Gestelle aus zwei Balken gefertigt, die mit leiterförmigen Bretterbrücken auf Metallschienen verbunden wurden. Das waren die Vorläufer der von Wagnermeister Finkel gefertigten Hornerschlitten. Bereits in vierter Generation betreibt er das eigentlich als ausgestorben geltende Handwerk.

Schon sein Urgroßvater hatte Holzräder samt Wagen für die Landwirte im Ostrachtal hergestellt. „Neben Karren wurden auch landwirtschaftliche Geräte aller Art, Dreschflegel, Rechen, Heugabeln und Schlitten zum Transport von Holz und Heu hergestellt“, erzählt Finkel.

Auto verdrängte das Holzrad

Mit dem Siegeszug des Automobils war es schließlich vorbei mit den klassischen Aufgaben eines Wagners. Das Gummirad verdrängte die traditionellen Holzräder. Weil seine Dienste als Wagenbauer nicht mehr in Anspruch genommen wurden, hat sich Rudolf Finkel bereits früh auf den Bau von Schlitten konzentriert. In seiner Werkstatt wird einzig die Hobelmaschine von Motorkraft betrieben. Der Rest ist echtes Handwerkzeug: Mit Säge, „Igel“, Hammer und Stechbeitel bringt er das Holz in Form. Die Kufen aus krumm gewachsenem Holz dürfen nicht zu steil verlaufen, sie sollen sich nicht in den Schnee bohren.

Fünf Millimeter starkes und 25 Millimeter breites Eisen für die Kufen werden von einem ihm bekannten Schmied geliefert. Vorn schmaler, läuft der Hornerschlitten von Finkel nach hinten jedoch breiter und niedriger zu. „Dann hält er besser die Spur“, erklärt der Wagnermeister. Zu guter Letzt wird das gute Stück zur besseren Haltbarkeit mit Firnisöl behandelt.

1200 Meter in 90 Sekunden

Gegen Ende ihres Winterurlaubs kommen viele Familien nach Oberdorf, um die stabilen Rodel aus heimischen Hölzern als Urlaubsandenken oder Geschenk mit nach Hause zu nehmen.

Jedes Jahr gehen bei Finkel aber auch Aufträge für original „Hornerschlitten“ ein. Im Februar gehen diese beim internationalen Hornerschlittenrennen in Vorderhindelang (Schliermoos) an den Start. Verwegene junge Männer, aber auch Frauen aus dem Oberallgäu, haben die zwei bis drei Meter langen Schlitten in massiver Bauweise zur Gaudi als Sportgerät entdeckt. Morgen ermitteln sie wieder bei einem Spektakel sondergleichen die Besten und Schnellsten. Dann stehen die traditionellen Schlitten bei der 15. Auflage des Ostrachtaler Hornerschlittenrennen im Fokus der Öffentlichkeit. Bis zu 70 Mannschaften aus Österreich, der Schweiz und dem Oberallgäu gehen an den Start: zehn wagemutige Damen- und 60 markige Männerteams jagen dann auf ihren überdimensionierten Rennrodeln die 1200 Meter lange Strecke hinab. Die Mutigsten und Schnellsten schaffen es in nur knapp 90 Sekunden. Spektakulärer Höhepunkt ist die Gruppe der Hornerschlittenfahrer, die in schicker Tracht und mit Fracht ihre Schlitten mit Holz oder Heu beladen den Hang hinunter rauschen.