Mäuse und Prinzessinnen sind auf der Kreuzfahrt mit der Disney Magic von Miami bis zu den Bahamas allgegenwärtig. Wer möchte, kann sich von morgens bis abends unterhalten lassen. Und passend zur Weihnachtszeit wurde sogar auf der konzerneigenen Insel Castaway-Cay ein Tannenbaum aufgestellt.

Man muss sie schon mögen, diese bunte, zuckrige Disney-Welt: Ein Lebkuchenhaus in der Lobby, direkt neben dem üppig behängten Weihnachtsbaum, Trickfilmszenen als gerahmte Gemälde, Restaurants im Ambiente von Disney-Klassikern, kostümierte Kellner und nicht zu vergessen die Gute-Laune-Durchsagen von „Captain John“ und „Cruise-Director Brent“. So sieht sie aus, eine Kreuzfahrt mit der „Disney Magic“.

Schon die Begrüßung an Bord markiert den Übergang von der Realität in eine familienfreundliche Wohlfühlwelt: Jedes Paar, jeder Clan, jede Reisegruppe wird persönlich und unter Beifall des Spalier stehenden Personals auf dem Schiff willkommen geheißen – „please welcome on board: the ... family!“. Hier spielt der Gast die Hauptrolle, suggeriert dieser Empfang. Und wer wollte nicht schon immer im perfekten Disney-Universum mitspielen dürfen?

Der Atlantik spieltnur eine Nebenrolle

Bei der Kreuzfahrt von Miami zu den Bahamas und nach Key West wird dem Atlantik und seiner Inselwelt nur eine Nebenrolle zugebilligt. Die eigentlichen Attraktionen sind neben den hofierten Gästen grinsende Mäuse und lächelnde Prinzessinnen, die einem überall und jederzeit über den Weg laufen – stets eine Wolke von fotografierenden Erwachsenen und faszinierten Kindern hinter sich herziehend.

Dass man sich auf einem Schiff befindet: ebenfalls nebensächlich. Miamis Silhouette, die zum Abschied blinkt und blitzt, entgeht den meisten Reisenden: Sie genießen das Unterhaltungsprogramm unter Deck, anstatt zu beobachten, wie die Stadt immer kleiner und der Ozean immer größer wird.

Wer sich für die „Cruise“ mit Mickey Mouse und Co. entscheidet, verbindet mit dem Namen „Disney“ Unterhaltung, Familienfreundlichkeit und guten Service, womit er ja auch gar nicht falsch liegt. „Die Gäste lieben das Disney-Produkt“, sagt Kreuzfahrtdirektor Brent Davies. „Nicht nur wegen der Marke, sondern wegen des Erlebnisses.“ 90 Prozent der Passagiere haben Kinder dabei, viele bringen auch gleich die Großeltern mit – so funktioniert Mehrgenerationen-Urlaub. Andere sind Disney-Fans, wie das Pärchen aus Orlando, das schon alle vier Schiffe der Disney-Flotte bereist hat und einfach alles und jeden „fantastic“ findet. Damit gehören sie zu den 30 Prozent, die wiederkommen – auf die Magic, die Wonder, die Dream oder die Fantasy.

Ein Foto mit Schneewittchen

Die Kinder-Kostüme
Die Kinder-Kostüme

Die meisten der 2700 Gäste stammen aus Amerika, noch sind pro Kreuzfahrt nur etwa vier Deutsche an Bord. Dabei bekommt, wer sich in Disneys Obhut begibt, einiges geboten – Rundum-Bespaßung vom frühen Morgen bis zum späten Abend: Kino (drinnen und draußen), Musicals, Shows, Fitness und Spa, vier verschiedene im Reisepreis inbegriffene Restaurants und weitere (nicht inbegriffene) gastronomische Angebote, exzellenten Service, Kinderbetreuung (ab drei Monaten), Landausflüge, kostenloses Softeis und Softdrinks bis zum Abwinken und Autogrammstunden mit Mickey, Schneewittchen und Captain America.

Nicht immer lässt sich dabei sagen, wessen Träume hier gerade Wirklichkeit werden: Wenn die Mutter den pflichtbewusst lächelnden Zehnjährigen punktgenau neben Aschenputtel platziert, bevor sie sich mit triumphierendem Gesichtsausdruck daneben stellt und das Ganze fürs Familienalbum festgehalten wird.

Wenn Mädchen im Kindergartenalter in hochhackigen Schuhen, mit Prinzessinnen-Kleidchen, akkuratem Dutt, lackierten Fingernägeln und Rouge auf den Wangen anhimmelnd zu Dornröschen aufschauen.

Wenn das Baby im Schneewittchen-Kostüm von Schneewittchen höchstpersönlich im Arm gehalten wird und die Eltern vor Stolz beinahe platzen.

Bahamas-Insel mit Weihnachtsbaum

Doch wen man auch fragt: Sie alle finden den viertägigen Kurztrip in die Märchenwelt aufregend und amüsant, sie fühlen sich gut unterhalten, bestens versorgt und können sich keinen schöneren Urlaub vorstellen. „Fantastic, wonderful, excellent!“

Normalerweise sind auch sonniges Sommerwetter und frisch gemalte Sonnenuntergänge inklusive. Zwar tragen einige der 950 Crewmitglieder rot-weiß gestreifte Mützen und Schals und auch die konzerneigene Bahamas-Insel Castaway-Cay trumpft mit riesigem Weihnachtsbaum auf. Doch der Winter ist nur Illusion: Im November halten sich die Temperaturen bei wohlig warmen 25 Grad.

Wobei auch Märchenfabrikant Disney vor den Launen des Wettergottes nicht gefeit ist: Als das Schiff auf Castaway-Cay anlegt, werden die Sonnenstrahlen von Regenschauern verdrängt, und auch der nächste Tag auf See ist verregnet. Es passt nicht ganz ins Bild: grauer Himmel, Pfützen auf dem Deck, in Handtücher gekuschelte Hartgesottene, die auf Liegestühlen ausharren und auf bessere Zeiten warten – die mit der Ankunft in Key West glücklicherweise noch kommen.

Leben im Wohlfühlmodus

Dort kann, wer möchte, die Disneywelt für ein paar Stunden verlassen und eine andere Art Paralleluniversum kennenlernen: Leben im Wohlfühlmodus – „gechillt, happy, easy-going“ – nur eben ohne Trickfilmfiguren.

Stattdessen mit echten Hühnern und Hähnen – die zum Stadtbild gehören wie anderswo die Tauben und für die hier jeder Autofahrer bremst – echten Katzen, die den Garten des Hemingway-Hauses bevölkern, echten Pelikanen im Hafenbecken und echtem Patriotismus im „Little White House“, wo einst President Truman residierte.

Carol Shaughnessy vom Tourismusbüro Key West lebt seit 30 Jahren auf der Insel und kann in wenigen Worten erklären, was Key West für sie so besonders macht: „Hier kannst du der Mensch sein, der du sein willst. Ein gutes Herz ist alles, was du mitbringen musst, dann bist du in der Gemeinschaft willkommen.“ Noch so eine schöne Illusion, die gut zur Reise passt.

Als das Schiff wieder in Miami anlegt, scheint der Boden auch an Land leicht zu schwanken. Ob es an dem eher dezenten Wellengang der vergangenen Tage oder doch an der Überdosis watteweiche Wunderwelt liegt, ist wohl von Gast zu Gast unterschiedlich.