Alausí/Sibambe. Die Route der Andenbahn in Ecuador verbindet Alausí und Sibambe und führt dabei auch über die legendäre “Teufelsnase“. Dabei fährt der Zug auf seinem schmalen Schienenbrett über schmale Stege, links und rechts gähnen hunderte Meter tiefe Schluchten. Bis 2007 fuhr die Bahn sogar noch unter Dampf.

Dass Ecuadors Andenbahn nicht mehr unter Dampf steht, haken Eisenbahnnostalgiker unter "Fortschritt" ab. Dass beim Überqueren der Gebirgskette aber das alte Cabrio-Feeling auf der Strecke bleibt, bedauern nicht nur von Sicherheitsbestimmungen verwöhnte oder geplagte Westeuropäer. Mit Passagieren auf dem Wagendach schnaufte das museale Vehikel zum letzten Mal 2007 das touristische Herzstück zur berüchtigten "Teufelsnase" hinauf. Steinschlag oder abgerissene Elektrokabel machten den Openair-Spaß dann aber zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Heute pendeln in Ecuador moderne Abteilwagen auf der einfach haarsträubenden Bahnroute zwischen Alausí und Sibambe am Fuße des Berges.

Magenkribbeln und Schweiß auf der Stirn

Dabei hielten Ingenieure den monströsen Felszinken in 1900 Metern Höhe einst für ein unüberwindbares Hindernis. 100 Jahre später preisen Touristiker das ehemalige Schreckgespenst als den Höhepunkt jeder Ecuador-Reise an.

In der Tat: Auch in der geschlossenen Reisebox mit Klimaanlage und pneumatischer Federung sorgt die aufregende Schaukelfahrt zur Teufelsnase für großes Kribbeln in der Magengegend und einige Schweißperlen auf der Stirn.

Einst das gefährlichste Teilstück

In Alausí wartet eine Diesellokomotive darauf, die Panoramawagen zu dem berüchtigten Berg zu schleppen. Knapp eine Stunde wird der Zug auf dem einst gefährlichsten Teilstück der großen Ecuador-Route unterwegs sein.

Beim Schwindel erregenden Abstieg in die Küstenregion umkurvt der Zug auf Serpentinen steile Felswände und lässt unter seinem schmalen Schienenbett 100 Meter tiefe Schluchten links und rechts einfach liegen. Die olivgrüne "Haut" der Teufelsnase aus Steppengras und kargem Gesträuch zieht am Fenster vorbei. Scheinbar waagerecht übereinander liegende Gleistrassen winden sich wie eine Halskette um das beeindruckende Felsmassiv.

Die größte Nase von Südamerika 

Mal vorwärts, mal rückwärts müht sich die Bahn auf ihrem Zick-Zack-Kurs ins Tal. Auf einem Abstellgleis stoppt der Tren Tourístico. Fahrgäste steigen aus und nehmen mit Kameras die größte Nase von Südamerika ins Visier. Manchmal scheint es fast so, als schäme sich der Goliath für sein markantes geologisches Aussehen. Schnell hüllt er sich in wulstige Nebelwolken und streckt nur noch seine Nasenspitze aus dem Grau.

Was ihn freilich nicht daran hindert, mit ganzer Präsenz seiner Rolle als Hindernisparcours gerecht zu werden. Auf der Rückfahrt nach Alausí zwingt der Koloss der Bahn ihre finale Kletterleistung ab: 800 Meter Höhenunterschied muss der Andenzug auf dem steilsten Eisenbahnparcours der Welt überwinden.

Tausende Arbeiter und Sklaven verloren ihr Leben beim Bau

Seinen teuflischen Namen erhielt der scheinbar unbezwingbare Riese, weil beim Bau der 445 Kilometer langen Route von der Pazifikküste bis zum Hochland und der kühnen Überwindung der "Nariz del Diablo" Tausende Arbeiter und Sklaven ihr Leben verloren. Als das Land 1872 Investoren für die Schienenpassage suchte, hagelte es Absagen. Wer an eine Eisenbahnpassage um die Teufelsnase glaube, fahre zielsicher gegen eine Wand aus Stein, kritisierten Gegner das Unternehmen.

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Erst 25 Jahre später unterzeichnete Ecuador mit einer US-Firma eine Vereinbarung für den Eisenbahnbau. 1908 polterte der erste Zug vom Hafen Guayaquil in die Hauptstadt Quito. In seinen Erinnerungen notierte Ecuadors damaliger Regierungschef Eloy Alfaro: "Wenn ich in die schroffen Abgründe schaute, die selbst für Ziegen nicht passierbar zu sein schienen, machte ich die Augen zu und vertraute dem Himmel über mir."

Ein Stillstand, der Dörfer veröden ließ

Im Bahnhofscafé berichtet Romy von South American Tour, dass bereits sechs weitere Teilabschnitte der in den 1990er Jahren stillgelegten Ecuadorbahn wieder in Betrieb sind. Hoffnungen, das marode Schienennetz früher zu sanieren, wurden unter leeren staatlichen Kassenschränken begraben. "Eine Katastrophe", erinnert sich Romy. Der Stillstand der Bahn trennte Ortschaften von der Außenwelt und ließ Dörfer veröden. Als Präsident Rafael Correa den Zug 2008 als "Erbe Ecuadors" adelte und zur nationalen Angelegenheit erklärte, atmete auch der Tourismus auf. 280 Millionen US-Dollar hat der Eisenbahnfreund bereitgestellt, damit bis Ende 2013 Züge wieder den Norden mit dem Süden verbinden.