Essen. Im litauischen Grutas Park können Besucher eine Ausstellung mit Stücken aus alten Sowjet-Zeiten bestaunen. Russische Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Noch immer sind, auch zwei Jahrzehnte nach dem UdSSR-Zusammenbruch, sowjetische Einflüsse spürbar. Die Hauptstadt Vilnius bildet eine Ausnahme.
Es ist schon ein seltsamer Ort, dieser Grutas Park im Süden Litauens, wo Lenin, Stalin und Breschnew dem Zahn der Zeit bis heute entkommen sind. Mehr als 80 Ausstellungsstücke aus alter Sowjet-Zeit hat Parkeigentümer Viliumas Malinauskas nach dem Zusammenbruch der UdSSR gesammelt und hier vor den Toren der Stadt Druskininkai nahe der weißrussischen Grenze ausgestellt. Aus Lautsprechern quäkt russische Volksmusik, Nostalgie aus längst vergangenen Zeiten – auch im Besucherzentrum. Eine alte russische Kinobestuhlung. Der handgeknüpfte Teppich mit Lenins Konterfei. An einer Wand ein Foto von Leonid Breschnew mit der revolutionären Weisheit „Wirtschaft muss wirtschaftlich sein“.
Auch dem Wodka hat Viliumas Malinauskas in seinem Park, der heute eine der beliebtesten Touristenattraktionen Litauens ist, ein Denkmal gewidmet – nämlich das für den größten Bösewicht Litauens. Als dieser einst gewählt wurde, siegte das Nationalgetränk noch vor den Volksvertretern. Dennoch: Die Speisekarte im „Nostalgija“ ist der Beweis dafür, dass es ohne Wodka auch im Grutas Park nicht geht. Neben dem Dichtergetränk „Erinnerung“, einem Cocktail „Auge vom Hirsch“ und Buletten mit dem Namen „Goodbye Jugend“ wird der Kartoffelschnaps hier im Menu mit Hering und Zwiebeln serviert.
Sowjet-Einflüsse sind auf dem Land immer noch spürbar
Die Einflüsse der sowjetischen Herrschaft sind im ländlichen Litauen auch mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der UdSSR noch spürbar. Die Hauptstadt Vilnius mit ihren mehr als 50 Kirchen und Gebetshäusern ist die Ausnahme. Hier, am rechten Ufer der Vilnia liegt Uzupio – das Viertel „jenseits des Flusses“, voller Künstler, ist seit 1997 eine eigene Republik. Eine Republik mit eigenem Nationalfeiertag – passenderweise am 1. April, an dem in Uzupio alljährlich Umzüge und Konzerte stattfinden. Und eine Republik mit eigener Verfassung, die in zahlreichen Sprachen übersetzt an einer schlichten Betonmauer nachgelesen werden kann. In den 38 Artikeln der Verfassung Uzupios ist nicht nur das Recht verankert, einzigartig zu sein. Auch zu lieben, glücklich oder unglücklich zu sein, zu faulenzen, zu schweigen und unverstanden zu bleiben sind in der eigenwilligen Künstlerrepublik, die auch über ihre eigene Regierung samt diplomatischem Hofstaat verfügt, verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte. Und auch ein Hund hat nach Artikel 12 in Uzupio ein festgeschriebenes Recht – nämlich das, ein Hund zu sein.
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Arturos Zuokas lebt gerne in Uzupio. Der 46-Jährige, den man mitunter in Heraldas‘ „Spunka“ beim Bier antrifft, ist der Bürgermeister der 550.000-Einwohner-Stadt Vilnius. Ein moderner, weltoffener Bürgermeister, der immer mal wieder für eine Schlagzeile gut ist. Dann nämlich, wenn er wie 2011 für einen TV-Spot in einem Panzer über eine im Parkverbot abgestellte Luxuslimousine rollt. Worauf sich das Falschparkerproblem in Vilnius zumindest ein wenig entspannte.
Vilnius erinnert nur selten an Sowjetunion
Früher lud Arturos Zuokas seine Mitbürger gerne auf Getränk und Gespräch in den heimischen Hof ein. Seitdem er hier bestohlen wurde, gehört dies nun zur Vergangenheit. Neben dem „Spunka“ liegt das „Sturmo“, das beste Fischgeschäft der Stadt. Gleich um die Ecke wird getöpfert, geschmiedet und geschliffen.
Das Handwerk lebt in Vilnius, und nicht nur im Künstlerviertel. Bernstein ist der litauische Exportschlager. In der Innenstadt bieten kleine Boutiquen den edlen Harz an. Wer mag, bearbeitet sich seine Brosche gleich vor Ort selbst. Kultur und Kreativwirtschaft sind das, was der europäischen Kulturhauptstadt 2009 das Blut in ihre Adern pumpt. Schon seit 1987 öffnet in der Stadt das Vilnius Jazz Festival alljährlich seine Tore. Mittlerweile lässt sich prominente Besetzung für das Festival nicht mehr zweimal fragen. Der europäische Takt pulsiert in den Straßen von Vilnius. Zwei Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit von der UdSSR kommen in der südlichsten der drei baltischen Hauptstädte nur noch ganz selten Erinnerungen an die vier Jahrzehnte unter sowjetischer Herrschaft hoch.