Kapstadt. George ist ein Gepard, wurde mit der Milchflasche großgezogen und hätte in der freien Wildbahn wohl keine Überlebenschance. Er hat trotzdem eine wichtige Aufgabe, denn er ist Botschafter für seine vom Aussterben bedrohten Artgenossen. Im Geparden-Schutzprogramm vor den Toren Kapstadts kann man George besuchen.
Joseph liegt im Schatten und schnurrt. Sein kurzes Fell fühlt sich rau an. Entspannt genießt der prächtige Gepard die Streicheleinheiten von uns, die wir andachtsvoll vor ihm auf dem Rasen kauern. Bonga Matina, sein Pfleger, hält den Kopf der Großkatze. Der Südafrikaner beobachtet seinen Schützling ganz genau. Sollte der Gepard unruhig werden, müssten wir sein Gehege sofort verlassen. Damit dies im Ernstfall schnell geht, dürfen wir nur mit einem Knie auf dem Boden ruhen, das andere Bein bleibt aufgestellt. Zur Sicherheit. Aber Joseph denkt gar nicht daran, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Man könnte denken, er sei betäubt – wenn er nicht so laut schnurren würde.
„Er ist in Gefangenschaft geboren und von uns mit dem Fläschchen aufgezogen worden“, sagt Bonga. „In freier Wildbahn hätte er schlechte Karten. Aber er ist ein perfekter Botschafter für unser Schutzprogramm.“ Darin liegt der Unterschied zwischen dieser Großkatze und einem Tier im Streichelzoo: Joseph hat einen Job. Er ist ein Botschafter für das Geparden-Schutzprogramm Cheetah Outreach in Südafrika.
Ein eigenartiger Ort
Das Schutzzentrum liegt nur wenige Autominuten von Kapstadt entfernt in Paardevlei in Somerset Westauf. Auf den umliegenden Weingütern entspannen Gourmet-Touristen und Honeymooner, locken Restaurants mit Antilopen-Spießchen und südafrikanischer Folklore. Ein eigenartiger Ort für ein Geparden-Schutzzentrum. Aber perfekt. Denn zum Programm von Cheetah Outreach gehört es auch, Werbung für den Schutz der schnellsten Landsäugetiere der Welt zu machen. Dieser Schutz ist dringend nötig. Auf der roten Liste der IUCN ist der afrikanische Gepard als „gefährdet“ bis „stark gefährdet´“ gelistet, die asiatische Unterart als „vom Aussterben bedroht“.
Um die Jahrhundertwende lebten Schätzungen zufolge 100 000 Geparden in Afrika und Asien. Heute gibt es nach Informationen des Zentrums nur noch etwa 7500, 850 davon in Südafrika. Experten fürchten, dass sie in 15 Jahren in freier Wildbahn ausgestorben sein könnten.
Menschen schränkenden Lebensraum ein
Geparden sind aus mehreren Gründen besonders bedroht. Ihr Lebensraum wird durch den Menschen eingeschränkt. Löwen und anderen großen Raubtieren sind sie unterlegen. Oft jagen sie daher außerhalb der Nationalparks, wo sie von Tierfarmern erschossen werden. „Da Geparden tagsüber jagen, werden sie öfter erwischt als nachtaktive Räuber“, sagt Josephine, Studentin aus Hannover. Die Namensvetterin des Botschafter-Geparden arbeitet zwei Monate als „Volunteer“ ehrenamtlich auf der Schutzstation. Während wir Joseph streicheln, erklärt sie begeistert, wie „Cheetah Outreach“ ganz konkret den illegalen Abschuss von Geparden eindämmt. Ausgerechnet Hunde tragen zum Schutz der Großkatzen bei. Riesige anatolische Hirtenhunde werden auf der Schutzstation gezüchtet und Tierfarmern kostenlos zur Verfügung gestellt. „Die Hunde schützen die Herde und die Farmer lassen die Geparden in Ruhe“, so Josephine. „In Namibia hat man so schon große Erfolge erzielt.“
Joseph wurden in der Zuchtstation De Wildt geboren, wie viele seiner zehn Botschafter-Kollegen. „Als er drei Monate alt war, kam er zu uns“, sagt Bonga. Die Aufzucht von Gepardenwelpen aus dem De Wildt Breeding Centre ist neben dem Schutz der freilebenden Tiere eine der Hauptaufgaben von Cheetah Outreach. Gerade sind süße Neulinge angekommen. Bilder der Kleinen versetzen die Fans der Facebook-Seite des Zentrums in Verzücken. Wer will, kann für 470 Euro Spendengeld pro Jahr einen Geparden als Pate „adoptieren“.
Geparden sind anfällig für Krankheiten
Die Begegnung mit einem Botschafter-Geparden kostet umgerechnet 11,50 Euro, Kinder bezahlen die Hälfte. Ehrenamtliche Mitarbeiter wie Josephine bereiten die Touristen vor. Zuerst werden wir in eine Art Vorzimmer geführt, ein eingezäunter Bereich vor dem Gehege. Josephine gibt uns Desinfektionsmittel für die Hände: „Geparden sind sehr anfällig für Krankheiten“, sagt sie. Die Ursachen dafür zu ermitteln, ist eine der vielen Forschungsaufgaben des Schutzzentrums, das mit Wissenschaftlern auf der ganzen Welt zusammenarbeitet. „Nicht von vorne in die Reichweite der Pfoten herantreten, nur den Rücken streicheln, nicht den Kopf“, so Josephine weiter.
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Es ist ein unvergessliches Erlebnis. Dieses Raubtier kann locker Antilopen totbeißen, und hier liegt es schnurrend wie ein Hauskätzchen. Sogar ein überdimensionales Halsband trägt es. Natürlich kommt die Frage auf, ob der enge Kontakt mit fremden Menschen überhaupt wünschenswert für den Geparden ist. In freier Wildbahn reagieren sie mit Stress auf die gaffenden Nationalparkbesucher in den Jeeps, die den tagaktiven Räubern oft die lebensnotwendige Jagd vermasseln. Für die von Menschen aufgezogenen Geparden wie Joseph hingegen gehören Begegnungen mit Touristen zum „Enrichment“-Programm. Es soll Abwechslung in das Leben der Großkatzen bringen und sie vor Käfigkoller schützen.
Regelmäßiger Auslauf
Spaß bringen sollen auch regelmäßiger Auslauf an der Leine, Spiele mit Nahrungsmitteln, Wischmops und Stofftieren, Gehege-Wechsel und Begegnungen mit anderen Tieren. Manchmal werden ihnen interessant duftende Gegenstände zum Beschnuppern gegeben, bestäubt mit Chili, Zimt oder sogar Perfüm. „Weibliche Geparden lieben besonders den Duft Obsession von Calvin Klein“, heißt es in einer internen Schrift für die Geparden-Bespaßung.
Um die bis zu 110 Stundenkilometer schnellen Tiere fit zu halten, gibt es zwei Mal die Woche Training im großen Laufgehege. Auch dabei sind Besucher zugelassen. Mit einer Maschine wird ein Stofftier rasend schnell vor dem Geparden hergezogen. „Der Instinkt zwingt sie, hinterherzusausen“, sagt ein Volunteer aus Neuseeland. „Aber eigentlich sind Geparden faul.“ So wie Joseph. Der hat allerdings eine gute Ausrede. „Mit seinen achteinhalb Jahren ist er schon ein würdiger alter Herr“, grinst Josephine.