Guimaraes.

Den Morgennebel in den Bergen des Minho, dem Garten Portugals im Nordosten, verdampft die Sonne in Minuten. Tausende Rebstöcke, deren reife Trauben sich zu klassischem weißen oder roten Portwein, aber auch zu leichten Sommerweinen beiderlei Farbe verwandeln werden, recken sich dem Licht entgegen. Hier, wo alle Global-Player unter den namhaften Weingütern ihren Port und Cherry erzeugen, spielt der Tourismus bisher nur eine Nebenrolle. Über das viel besuchte Porto hinaus, wollen nur wenige das liebliche Tal des Douro hinauf bis zu seinem Oberlauf.

Dabei weckt die Landschaft vielfältige Erinnerungen: Das romantische mittlere Rheintal bietet dem Auge ganz ähnliche Perspektiven, nur dass der Douro sich nicht ganz so tief in die Täler eingeschnitten hat, die Weinberge deshalb nicht ganz so steil sind.

Prunk ist ihnen fremd

Die Weingüter nennen sich selbst Gutshöfe. Prunk ist ihnen fremd, allein vollendete Gartenarchitektur und wertvolle Sammlungen von unterschiedlichem Inventar aus Jahrhunderten prägen ihr Gesicht. So wie beispielsweise auf der „Casa de Sezim“ bei Guimaraes, der ersten Hauptstadt Portugals. Seit dem 14. Jahrhundert produziert die Eigentümerfamilie hier schon Wein und tritt weder mit ihrem Adelstitel, noch mit ihrem Namen in Erscheinung. Vielleicht sind die beiden jungen Grafen gerade deshalb so erfolgreich und haben sich mit ihren Vino Verde branco sogar ein Exportfenster bis nach Australien eröffnet. Die erlesene Wandteppich-Sammlung aus dem 19. Jahrhundert rundet den Eindruck von Bescheidenheit ab, ist aber auch ein Hinweis auf das Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen Erzeugnisse.

Jenseits der Stille, aber immer noch abseits der ganz großen Touristenströme, liegt die muntere Universitätsstadt Coimbra, wo 20 000 Studenten nicht nur die vielen engen Gassen beleben, sondern sich auch in einer der vielen Gaststätten, oder im Fado-Zentrum ihr Studiengeld aufbessern.

Verschwörungstheorien blühen in den Mauern

Der Coimbra-Fado wird im Gegensatz zu Lissabon nur von männlichen Sängern vorgetragen, begleitet von zwei Gitarren. Ruhige Sehnsuchtsballaden und Volkslieder der Region bestimmen seinen Kern, sogar eine eigene Coimbra-Hymne gibt es. Die Sänger tragen dazu den typischen schwarzen Studentenumhang mit schwarzem breitkrempigem Hut wie er sich auch auf allen Produkten eines namhaften Portwein und Sherry-Herstellers findet. Dem Nordrhein-Westfalen raubt das ein wenig ein Kindheitsbild: Zorro, der gefürchtete Rächer, studiert, singt und trinkt also!

Immer noch in Portugals nördlicher Hälfte, aber schon deutlich näher am Massentourismus, dominiert als Unesco-Kulturerbe die Tempelritterfestung „Convento de Christo“ das 40 000-Seelen Städtchen Tomar. Bestsellerautoren wie Dan Brown bezogen auch von hier ihre Inspiration. Die gewaltige Gebäudeansammlung demonstriert nicht nur die ausgeklügelte Wehr-Architektur, sondern spiegelt auch die Spuren des Alltagslebens der Mönche und Ritter wieder. Als der Templerorden 1312 gewaltsam aufgelöst wurde, fanden die überlebenden Templer hier unter dem neuen Namen „Christusorden“ ein Zentrum und Zuhause. Verschwörungstheorien um den Verbleib des Tempelritter-Schatzes blühen nicht nur in diesen Mauern bis heute.

Überbordendes Leben

Portugals Hauptstadt Lissabon markiert nur 100 Kilometer entfernt die Schnittstelle auf dem Weg nach Süden zu den allseits bekannten Touristenhochburgen. Die viel beschriebene Kapitale ist das genaue Gegenteil des stillen Nordens: Überbordendes Leben darf man als Begriff in diesem Zusammenhang durchaus wörtlich nehmen, denn die riesigen Kreuzfahrtschiffe kübeln ihre menschliche Fracht gleich zu Tausenden an Land.

Ertragen lässt sich das allenfalls noch auf der Festungsanlage „Castelo des Sao Jorge“ hoch über der Stadt mit fantastischem Panoramablick. Unten sehnt man sich zwischen aggressiver Bettelei und billigem Touristentand trotz interessanter Bauwerke wie dem historischen Aufzug von der Unter- zur Oberstadt wieder zurück ins stille Tal des Douro. Da ist der nächste Hafen weit weg und Portugal ist noch so herrlich ländlich, wie man es sich wünscht.