Toledo. Don Quijote ist wohl die bekannteste Figur der spanischen Literatur. In Toledo, der einstigen Hauptstadt Spaniens, werden noch heute seine Abenteuer vor historischer Kulisse nachgestellt. Außerdem gibt es in Toledo ein leckeres Souvenir mit einer langen Geschichte: Marzipan, von Hand hergestellt.
Mit weit aufgerissenen Augen läuft der Ritter Don Quijote einen Hügel am Stadtrand von Consuegra hinab. Seine Lanze hebt er drohend gegen eine Windmühle. Aus einem Lautsprecher tönt triumphierend eine Stimme: „Das Glück führt unsere Sache besser als wir es nur wünschen konnten, denn siehe, Freund Sancho, dort zeigen sich 30 oder noch mehr ungeheure Riesen, mit denen ich eine Schlacht zu halten gesonnen bin, um ihnen allen das Leben zu nehmen. Mit der Beute von ihnen wollen wir den Anfang unseres Reichtums machen.“ Es sind zwei Schauspieler, die fast täglich vor historischer Kulisse die Abenteuer der berühmten Romanfigur Don Quijote nachstellen.
Mit einem Esel im Schlepptau umkreisen sie die elf Windmühlen aus dem 16. Jahrhundert. Wenige hundert Meter weiter thront eine alte Ritterburg hoch über der Stadt. Während Don Quijote unter den Zuschauern spielerisch nach willigen Rekruten sucht und Gänseblümchen an die Damen in der Runde verteilt, warnt der treue „Stallmeister“ Sancho Panza seinen Herrn vor den Gefahren der fantastischen Schlacht. Der will davon nichts hören und rüstet sich für den Kampf: „Es ist wohl, dass du in Abenteuern nicht sonderlich bewandert bist, es sind Riesen, und wenn du dich fürchtest, so gehe von hier und ergib dich in einiger Entfernung dem Gebete, indes ich die schreckliche und ungleiche Schlacht mit ihnen beginne.“
Gebratene Rebhühner sind die Spezialität
Der dürre, alternde Ritter ist wahrscheinlich die bekannteste Figur der spanischen Literatur. Sein Schöpfer, Miguel de Cervantes, gilt noch heute als Nationalheld ersten Ranges. Gleich auf der ersten Seite seines Abenteuerromans beschrieb er die Leibspeise des Ritters, die auch zu den Spezialitäten der Region Kastilien-La Mancha zählt: „gebratene Rebhühner“. Das Gericht gehört zum Pflichtprogramm eines kulinarischen Streifzugs durch die Gegend um die stolze, einstige Hauptstadt Spaniens: Toledo.
„Toledo ist die Stadt mit den meisten Sehenswürdigkeiten in Spanien“, sagt Meinhold Hafermann, Geschäftsführer des gleichnamigen Reiseunternehmens aus Witten. Schon seit 1972 hat Hafermann Reisen Toledo im Programm. Das moderne Madrid ist nur eine halbe Autostunde entfernt, aber auch durch einen neuen Schnellzug gut zu erreichen.
„Toledo ist wie ein großes Freilichtmuseum. Dazu kommt noch die spannende Verbindung von Christen, Juden und Muslimen“, sagt Hafermann. Über Jahrhunderte lebten die drei Religionen hier friedlich miteinander. Noch heute spürt man in den verwinkelten Gassen den Einfluss der verschiedenen Kulturkreise. Am Straßenrand verkaufen Händler nicht nur Obst, sondern allerlei Schmuck, Ritterrüstungen und Schwerter.
Marzipan aus eigener Herstellung
Vor einer Konditorei steht eine weitere Reisegruppe und betrachtet kleine bunte Schachteln im Schaufenster. Es duftet nach Marzipan. Vor einer gefühlten Ewigkeit, so heißt es, haben sich Toledos Einwohner die klebrig-süße Nascherei ausgedacht. Als das maurische Heer die Stadt im Mittelalter belagerte, um sie auszuhungern, sollen Nonnen die Idee gehabt haben, Mandeln auszuquetschen, um daraus Brot – „Pan“ – herzustellen. Toledo überstand die Belagerung.
Damals überlebenswichtig, sind die in kleinteiliger Handarbeit hergestellten Marzipanstücke heute ein begehrtes Souvenir. Nur wenige können die großen Teig-Aale kneten, bei denen mit einem Messer jede Teig-Schuppe einzeln ausgestochen wird. Toledo konkurriert mit Lübeck und Königsberg um die Erfindung des Marzipans. Es könnte aber auch auch aus dem Orient kommen.
Eine Rolltreppe führt in Zentrum Toledos
Nur eine Neuerung hat die Stadt sich und damit auch den Touristen gegönnt: Vom Fuße der Altstadt führt eine lange Rolltreppe kaum sichtbar hinauf ins Zentrum. Der Blick schweift über die schweren Stadtmauern, Kirchendächer und die Siedlungen im Tal.
Auf dem von herrschaftlichen Häusern umrahmten Marktplatz trinken Touristen einen Nachmittags-Kaffee und schreiben Postkarten. Im Hintergrund steht ein Denkmal für Miguel Cervantes. „Die Stadt ist sehr reich an Kultur und Tradition“, erzählt Elena Rodríguez vom spanischen Fremdenverkehrsamt. „Es gibt nur sehr wenige Städte, die so gut erhalten sind und über ein derart vielfältiges Angebot verfügen. Der berühmte Maler El Greco hat hier gewirkt. Viele seiner bekanntesten Zeichnungen sind in den Museen zu besichtigen. „Der Blick auf Toledo“ ist bis heute das Lieblingsgemälde von Helmut Schmidt.
Nur wenige Kilometer entfernt liegt der nächste historisch bedeutende Ort: Aranjuez, bekannt aus Schillers „Don Carlos“. Die ehemalige Sommerresidenz der spanischen Könige ist umgeben von zahlreichen Weinbergen und sanften Hügeln. Im Schlosspark sucht ein Pfau an einem der Wasserpavillons Schutz vor der warmen Juli-Sonne. Der barocke Palast von Aranjuez mit seinen aufwendigen Zimmern und dem Porzellansalon zählt wie auch die gesamte Altstadt von Toledo zum Weltkulturerbe der Unesco.