Essen. Seit dem 1. Juli gehört Kroatien zur EU. Touristisch könnte das dem Land einen Schub geben – zumal Angebot und Preis-Leistungsverhältnis stimmen. Ein Ferienhausurlaub in Istrien zeigt: Nicht nur die Adriaküste, sondern auch das Inland hat einiges zu bieten - vor allem für gestresste Großstädter.

Nevio Pleitikos kommt meistens unangemeldet. Er macht sich dann durch ein leises „Haaaallo“ bemerkbar. Gerade laut genug, um nicht urplötzlich erschrocken von der Sonnenliege hochzuschnellen, wenn er mit einem Korb Kartoffeln und frischen Eiern vor einem steht. Oder mit Erdbeeren aus seinem Garten. Oder mit selbst gebackenem Brot. Oder mit Ricotta-Käse aus eigener Produktion. Diese Besuche sind aber keineswegs unangenehm.

Im Gegenteil: Die fünf Minuten Nevio sind Teil des „Programms“ – wenn man das überhaupt so nennen kann. Denn das Ferienhaus „Istria Moderna“ liegt umgeben von Bauern, die in Istrien noch traditionell wirtschaften. Und Nevio ist einer von ihnen. Zumindest seine Familie. Er selbst und seine beiden Söhne setzen mittlerweile auch auf den Tourismus – und haben im Jahr 2006 das eigene Ferienhaus gebaut.

Inmitten eines Öko-Idylls

Nicht wenige im Ort haben den heute 49-Jährigen damals für verrückt gehalten. „Viele konnten sich einfach nicht vorstellen, dass jemand hier, 13 Kilometer weg von der Küste, mitten im Nichts, Urlaub machen wollte“, erinnert er sich. Heute ist sein Haus bis auf wenige Wochen in der Saison ausgebucht.

Warum, ist nicht verwunderlich: Hinter dem Haus liegt eine riesige Wiese, auf der Hühner frei herumrennen und Ziegen in die Sonne blinzeln. Rechts davon dösen Schweine im Schatten alter Bäume. Auf dem Gelände selbst wachsen jede Menge Olivenbäume. Nevios Haus steht mitten in einem Öko-Idyll, das gestresste Städter sonst nur von den Verpackungen ihrer Biolebensmittel oder aus Erzählungen ihrer Großeltern kennen.

Traum vom perfekten Urlaub 

Altbacken ist das Haus im Örtchen Muntic vor den Toren Pulas allerdings keineswegs. Innen zeugen liebevolle Details von Stilsicherheit: Offen liegende Natursteinmauern oder zu Rutenbündeln gebundene Zweige fangen den Blick ein, eine alte Öllampe, ein historischer Ofen und eine Nähmaschine von Singer sorgen für Atmosphäre. Außen ist das Gelände von einer traditionellen Trockenmauer mit hellen Steinen umgeben. Das Schmuckstück bilden die überdachte Lounge und der Pool, nicht zu vergessen der Beachvolleyball-Platz dahinter.

Keine Frage: Nevio weiß, was er tut. Er hat von der Pike auf gelernt, was ein hochwertiges Touristikprodukt ausmacht. Seit Jahren arbeitet er in den besten Restaurants und Hotels der Gegend, ist ausgebildeter Sommelier. Vieles hat er sich für sein Haus abgeschaut. Aber er hat sich, das spürt man an allen Ecken und Enden, mit diesem Haus auch seinen Lebenstraum erfüllt. Es ist Nevios Traum vom perfekten Urlaub.

5835 Kilometer Küste und 1000 Inseln als Startkapital

Nevios jüngster Sohn studiert Tourismus. Er soll die Geschichte einmal weiterschreiben – und die Chancen stehen gut. Seit Montag gehört Kroatien zur Europäischen Union. Das macht es auch für Investoren leichter. 5835 Küstenkilometer, 1000 Inseln, Nationalparks wie die Plitvicer Seen, eine junge Gesellschaft und ein reiches kulturelles Erbe sind die Startvoraussetzungen für einen neuen Anfang.

Und es ist nicht das erste Mal, dass Kroatien, und speziell Istrien, neu anfangen. Man gehörte zu Österreich, Italien, Frankreich und zuletzt zu Jugoslawien. Wer mit offenen Augen durch das Land reist, findet heute Spuren jeder Epoche, von den Venezianern über die k.u.k-Monarchie bis zu den Römern. Das Amphitheater von Pula, das sechstgrößte Kolosseum der einstigen Weltmacht, unterstreicht die Bedeutung Istriens in seiner wechselhaften Geschichte.

Preis-Leistungsverhältnis stimmt

Was noch für Urlaub in Kroatien spricht? Das Preis-Leistungsverhältnis. Wer mittags zum Beispiel am Sandstrand von Medulin, 15 Autominuten vom Ferienhaus entfernt, im Lokal zu Mittag isst, zahlt zu zweit rund 20 Euro für zwei Hauptspeisen wie gegrillten Tintenfisch, Pasta und Getränke. Die Kugel Eis gibt’s für umgerechnet 80 Cent, den Cappuccino für 1,50 Euro. Preise, die man in italienischen Strandlokalen vergeblich sucht. Dazu stimmt die Qualität – und die meisten Kellner sprechen deutsch.

Doch zugegeben: Nevios hausgemachter Pršut, der traditionell luftgegetrocknete kroatische Schinken, bleibt unerreicht. Er hat ihn während unserer Reise einmal vorbeigebracht. Unangemeldet.