Mecklenburg-Vorpommern. . Ostsee oder nicht Ostsee - das ist die Frage am Stettiner Haff, das durch die vorgelagerten Inseln vom offenen Meer abgeschirmt ist. Besucher der Gegend können den ruhigen Kontrast zu den belebten Seebädern genießen und fühlen sich um Jahrzehnte in der Zeit zurück versetzt.

Gelegentlich verirren sich ein paar Urlauber nach Ahlbeck und wundern sich, wo die Ostsee geblieben ist. Die Irrläufer haben das verschlafene Dorf am Stettiner Haff mit dem gleichnamigen Seebad auf Usedom verwechselt. Die beiden Ahlbecks liegen keine 50 Kilometer auseinander – dennoch trennen sie Welten. Mönkebude, Altwarp oder Rieth, die stillen Orte am Haff, liegen im (Wind-) Schatten von Usedom. „Wir sind hier im Land der drei Meere“, sagt Harald Rinkens und zitiert einen Spruch, den unzählige Rekruten zu DDR-Zeiten abgelassen haben. „Waldmeer, Sandmeer, nichts mehr“. In Eggesin waren mal 16.000 Soldaten der Nationalen Volksarmee stationiert. Nachdem die Bundeswehr 1990 den Standort übernommen hatte, blieben noch rund 2000 Militärangehörige übrig. Rinkens war einer von ihnen. Heutzutage betreibt er eine Wanderagentur. „Durchs Gelände marschieren, das bin ich gewohnt“.

Denn Wandern kann man in der unberührten Natur, in der mehr Dachse, Fischotter und Seeadler als Menschen leben, hervorragend. Die unverbaute Landschaft und die Stille machen den Reiz der Gegend aus. „Zu uns kommen Leute, denen es auf Usedom zu voll geworden ist“, sagt Jürgen Appelhagen vom Fremdenverkehrsverein Ückermünde, dem touristischen Zentrum des Haffs. Die Übernachtungspreise liegen hier deutlich unter dem Niveau Bansins oder Heringsdorfs – der Standard mancher Ferienwohnung allerdings auch.

Kleine Buchten, wo sich die Angler anschweigen

Das Haff ist durch die vorgelagerten Inseln Usedom und Wollin beinahe vollständig vom Meer abgeschirmt. Die Wellen schlagen hier sanfter ans Ufer als an der Ostsee. Wenig Wind, kleine Sandbuchten, das Wasser fällt flach ab – ideal zum Baden, auch für Kinder. In einer der kleinen Buchten zwischen dem dichten Schilfgürtel bei Altwarp schweigen ein paar Angler gemeinsam. Auf einer Halbinsel ein paar hundert Meter entfernt sieht man Neuwarp oder Nowe Wappno.

Das Stettiner Haff ist zweigeteilt, der westliche Teil gehört zu Mecklenburg-Vorpommern, der östliche Teil zu Polen. Stettin, die namensgebende Stadt, liegt rund 60 Kilometer landeinwärts, von Ueckermünde fährt zweimal die Woche ein Ausflugsbus rüber. Nach der Wende florierten die Butterfahrten zwischen Alt- und Neuwarp. Einer der Angler erinnert sich: „Zwei Minuten – und man war auf zollfreiem Gebiet. Manche fuhren sechs oder acht Mal am Tag hin und her“. Um billig Zigaretten und Schnaps zu kaufen. Mit dem EU-Beitritt Polens 2004 sind die Zeiten für diese Schnäppchenjäger vorbei.

Stettiner Haff

Anreise: Mit dem Auto ab dem Ruhrgebiet über die A1 Richtung Münster, Bremen und Hamburg nach Lübeck, weiter über die A20 Richtung Rostock bis Jarmen, weiter über die B110 und B109 nach Anklam und Ueckermünde und Ahlbeck. Mit der Bahn ( 01806/99 66 33, www.bahn.de) ab dem Ruhrgebiet nach Ahlbeck.

Veranstalter: Unterkünfte sind über Stettiner Haff Tourismus buchbar.

Kontakt: Fremdenverkehrsamt Stettiner Haff, www.stettinerhaff-tourismus.de
Aufgelistet sind hier auch alle Fremdenverkehrsämter der einzelnen Ortschaften.

Wandern in der Wildnis

Das Haff ist ein Paradies für Angler, hier gibt’s Fische, deren Namen man noch nie gehört hat: Hornfische mit grünen Gräten, Quappen und Bleie. Bernd Zach packt sie alle in seinen Räucherofen, genauso wie Barsch oder Zander. Auf der Wanderung mit dem Oberst a. D. zur Altwarper Binnendüne machen wir Station an Zachs Fischbude. Jemand ordert eine Portion Aal. Zach: „Ach, sie meinen den Dreifarbenfisch. Grün gefangen, braun geräuchert, schwarz verkauft.“ Zu DDR-Zeiten sollte er Devisen bringen, jetzt heißt er schlicht wieder Aal.

„Wir wohnen in einer der schönsten Gegenden Deutschlands. Das weiß nur keener“, sagt der Wanderführer. Er mag wohl Recht haben. Auf unserer Wanderung ist uns in den letzten zwei, drei Stunden kein menschliches Wesen begegnet. Dafür Rudelweise Hirsche im Wacholdertal, ein Ameisenlöwe auf der Düne, Fischreiher, Seeadler und Uferschnepfen im Riether Winkel.

Mit besonderer Empfehlung Bismarcks

Rieth ist ein Dorf unmittelbar an der polnischen Grenze, kein Plattenbau und kein Handynetz. Dietmar Janz, Schreiner aus Düsseldorf, hat die alte Riether Dorfschule renoviert und Gästezimmer darin eingerichtet, auf der Wiese hinterm Haus zelten gelegentlich Jugendgruppen. Janz hat sich auf den ersten Blick ins Stettiner Haff verliebt, als er vor ein paar Jahren zum ersten Mal dort gesegelt ist. „Diese unberührte Natur, diese Ruhe, das findet man sonst kaum noch.“

Rieth hat sich zu einer Art grüner Enklave gemausert. Eine Frau aus Essen bietet Filzkurse an, eine andere vegetarische Kochkurse. Vorpommersche Backsteinhäuser, Kopfsteinpflaster und im benachbarten Ahlbeck – nicht in dem auf Usedom – gibt es noch einen Tante Emma-Laden. Bismarck soll gesagt haben: Falls die Welt untergeht, möge man in Mecklenburg weilen. Dort passiere alles 100 Jahre später. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte am besten gleich ans Stettiner Haff fahren.