Enniskillen. . Der Besuch der Regierungschefs und Präsidenten ist für den kleinen nordirischen Ort Enniskillen die wohl letzte große Chance. Denn das Lough Erne Resort, die Fünf-Sterne-Plus-Unterkunft am See, braucht dringend mehr zahlungskräftige Gäste.

Brian ist Hoteldiener. Mit Leib und Seele. Zuvorkommend, höflich, hilfsbereit. Und er ist Brite. Mit dem entsprechenden Humor. „Los, Leute, macht einen Spaziergang, das sind die letzten zwei Sonnenstunden dieses Jahres“, sagt Brian und zeigt auf den ausnahmsweise mal wolkenlosen Himmel über Enniskillen. Es geht beschaulich zu. Einige wohlhabende Familien mit Kindern und ein paar Golfer bewohnen das Lough Erne Resort, die Fünf-Sterne-Plus-Unterkunft am See. Doch jetzt kommt Leben in die Nobelbude: Am Montag und Dienstag wird die Halbinsel zum Hochsicherheitstrakt. Dann treffen sich die Granden der acht wichtigsten Industrienationen zum G8-Gipfel.

Hotelmanager Ferghal Purcell weiß: Für das Lough Erne Resort ist die Zusammenkunft die vielleicht letzte Gelegenheit, nicht als Millionengrab in die Geschichte des Vereinigten Königreichs einzugehen. 35 Millionen Pfund (41 Millionen Euro) haben sie vor sechs Jahren in die Anlage investiert. Inzwischen wird das fürstliche Quartier mit seinen 120 Zimmern und Suiten wie saures Guinness feilgeboten, zum Ramschpreis von zehn Millionen Pfund. Das restliche Geld gehört längst der Bank of Scotland. Folgen der Immobilienblase, die auch auf der irischen Insel mit einem Knall geplatzt ist.

Einsamer kann Irland kaum sein

Es hat aus Sicht des Regierungschefs aus Downing Street 10 durchaus etwas für sich, seine Kollegen Barack Obama, Angela Merkel, Wladimir Putin, Enrico Letta, Francoise Hollande, Shinzo Abe und Stephen Harper ausgerechnet dort mit allem erdenklichen Luxus zu empfangen, wo die irische Insel grüner und einsamer nicht sein kann.

Das verschlafene Enniskillen mit seinen gerade mal 13 500 Bewohnern bietet enorme Vorteile hinsichtlich der Sicherheit, ist das hinter Hügeln gelegene und von Ginsterhecken umzäunte Hotel doch ausschließlich über den Wasserweg und eine zweispurige, längst gesperrte Landstraße zu erreichen. Das erleichtert es den rund 10 000 Polizisten während der zweitägigen, 50 Millionen Pfund teuren Veranstaltung, die Unversehrtheit der Mächtigen zu gewährleisten und die Globalisierungsgegner in Schach zu halten. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, herrscht am Lough Erne bereits seit Tagen absolutes Flugverbot, einzig Überwachungsdrohnen und die Helikopter der politischen Elite kreisen über dem See.

Massaker an der Grenze

Doch Premierminister James Cameron wählte Enniskillen noch aus einem anderen Grund. Hier, nahe der Grenze, verübte die Irisch-Republikanische Armee (IRA) am 8. November 1987 eines ihrer blutigsten Attentate. Elf Menschen, darunter auch Kinder, starben bei dem als „Poppy Day Massacre“ in die Geschichte eingegangenen Anschlag, für den sich die Aggressoren wenig später entschuldigten – ein Novum im Laufe der Auseinandersetzungen. Und der aus der Grafschaft Fermanagh stammende spätere Friedensaktivist Gordon Wilson, dessen von Bombensplittern getroffene Tochter Marie in seinen Armen gestorben war, sagte sinngemäß: „Ich trage niemandem etwas nach, ich hege keinen Groll.“ Und so stellt der Enniskillen-Horror einen, wenn nicht gar den entscheidenden Wendepunkt eines mörderischen Konfliktes dar, der jetzt weitgehend gelöst scheint. Für Cameron somit eine vorzügliche Lokalität, um der vom Syrien-Konflikt und dem Terrorismus erschütterten Welt zu zeigen: „Wir können Frieden!“

Warten auf Michelle Obama

Die Stadt hat sich in den vergangenen Wochen mit Fördermitteln aus London in Millionenhöhe aufgehübscht. Und die Geschäftsleute wie Metzger O´Doherty, Friseur Johnston oder Pub-Besitzer Buchanan hoffen, dass Angela Merkel, Barack Obama oder vielleicht sogar Michelle mal bei ihnen auftauchen und das ein oder andere britische Pfund springen lassen. Auch die adeligen Besitzer umliegender Schlösser und Burgen, längst auf Touristen angewiesen, setzen darauf, dass ihre Herbergen durch den G8-Gipfel aus dem Dornröschenschlaf erwachen.

Hoteldiener Brian hingegen, einer von 180 eigens für das Spektakel geschulten Mitarbeitern des Resorts, wird den Spuk über sich ergehen lassen. Zuvorkommend, höflich, hilfsbereit. Und seinen Humor, den wird er ganz sicher nicht verlieren. Ob die Sonne nun ausnahmsweise mal scheint über dem Lough Erne oder auch nicht.