Berlin. Luxus? Fehlanzeige. Das Bett, die Kochstelle - alles ist ziemlich spartanisch. Doch genau das schätzen Liebhaber an historischen Reisemobilen: Sie vermitteln ein besonderes Lebensgefühl im Urlaub und wecken bei manchem schöne Erinnerungen an die Kindheit.

Die Hippie-Generation tourte im ersten Bulli durch die Welt und nutzte den VW-Klassiker als rollendes Heim. Für die breite Masse wurde der VW-Bus in der Ausführung California interessant: Die Reisemobilversion gibt es seit knapp 25 Jahren und mittlerweile in dritter Generation. Doch VW-Busse sind nicht die einzigen Camping-Veteranen, die man heute noch zu sehen bekommt: Enthusiasten schätzen historische Wohnmobile wegen deren Retro-Charme - oder eigener Kindheitserinnerungen.

Das Wasser kam aus einem 20-Liter-Kanister. Von diesem führte ein Schlauch nach draußen, wo sich mit wenigen Handgriffen eine Waschgelegenheit aufbauen ließ. Man konnte in dem Auto Kleinigkeiten wie Dosenravioli kochen, essen und schlafen. So sah laut Michael Steinke von der Aktion "Bullis bringen Freude" das Leben im T1 aus - dem ersten VW-Bus, leicht zu erkennen an seiner geteilten Frontscheibe.

Kühlschrank, Gaskocher, Spüle und Stauraum

In anderen Wohnmobilen sah es damals ähnlich spartanisch aus wie im Bulli - ob im Ford Transit, einem Hanomag F35 oder einer Renault Estafette. Praktisch und sparsam sollten die Fahrzeuge sein. Die Ausstattungsmerkmale der ersten Reisemobil-Generationen entsprachen daher den Grundbedürfnissen freiheitsliebender Hobby-Camper. Ab Mitte der 60er Jahre war immerhin ein "Porta Potti" - eine tragbare Chemietoilette - für die fahrenden Ferienwohnungen erhältlich.

Bereits in den 50er Jahren bot der Wohnmobilausrüster Westfalia Möblierungspakete für den VW-Transporter T1 an. Sie beinhalteten zum Beispiel eine Klappsitzbank für den Fond, die sich zur Liegefläche für zwei Personen umklappen ließ, sowie eine schlanke Küchenzeile mit Kühlschrank, Gaskocher, Spüle und Stauraum auf der linken Seite. In der zweiten Generation des Bullis, dem VW T2, kam beim Westfalia-Modell das Aufstelldach hinzu.

Komfortables Interieur von Westfalia 

"Urlaub im T2 war schön, ich hätte es mir gar nicht besser vorstellen können", berichtet Steinke. "Zwar war das Sitzen bei langen Fahrten anstrengend, aber der Wohnkomfort war gut." Während der Fahrt saßen die Kinder hinten, es gab ausreichend Platz. Auch hatten vier bis fünf Personen durch kleine Umbauten genügend Liegefläche zum Schlafen. Dann kam die nächste Generation, der T3, und mit ihm die Ausführung Joker. Das Westfalia-Konzept bewährte sich auch hier, doch die vielen kleinen Extras kosteten Geld: Die bisher erschwingliche Freiheit auf vier Rädern wurde teuer.

In den 1980er Jahren erlebte der Wohnmobilbau einen Boom, der Komfort ließ kaum noch Wünsche offen. In den Angeboten zahlreicher Ausstatter fanden sich opulente Sitzgruppen, abgehängte Decken, Lichtsäulen und verschiebbare Leselampen.

Beginn der Massenfertigung mit dem ersten Hymer Reisemobil

"Nachteil bei neueren VW-Transportern ist der Platz: Die Fahrzeuge sind in den äußeren Abmessungen größer, aber im Innenraum eher kleiner geworden", erläutert Bulli-Fan Steinke. Nichtsdestotrotz - der VW California, erfolgreicher Nachfolger des Joker, rollte in rund 25 Jahren Produktionszeit bereits mehr als 100.000 Mal vom Band. Der Startpreis des ersten California betrug damals 39.900 D-Mark, heute bekommt man ab 38.187 Euro ein neues Exemplar.

Westfalia entwickelte schon früh auch für andere Autobauer komfortables Interieur. Der Mercedes-Benz James Cook, damals eines der ersten Wohnmobile mit Nasszelle, brachte 1977 den Durchbruch für den Ausstatter. Bereits in den 50er Jahren machte sich Mitbewerber Erich Hymer die Entwicklung von Wohnmobilen zur Lebensaufgabe. Der Durchbruch in die Massenfertigung gelang 1971 auf dem Caravan Salon mit dem ersten Hymer Reisemobil auf einem Mercedes-Fahrgestell.

Die alten Modelle gibt es schon ab 9000 Euro in passablem Zustand 

Winfried Voss aus Berlin ist Camper mit Leib und Seele. Seit mehr als 40 Jahren verreist der Maschinenbau-Ingenieur im Wohnmobil. "Ich kann mir nichts Besseres vorstellen", schwärmt er. "Doch jedes Wohnmobil ist und war schon früher ein komplexes technisches Gerät - und darin liegt der Risikofaktor: Es braucht nur ein Teilkomplex auszufallen, schon sind die schönsten Tage verdorben." Historische Wohnmobile haben dem Profi-Camper zufolge den Vorteil, ohne elektronische Steuergeräte auszukommen, weshalb sich kaputte Teile oft vergleichsweise günstig und leicht reparieren lassen.

Schon seit August 2012 tourt die dreiköpfige Familie Flückiger aus der Schweiz in einer Renault Estafette aus dem Baujahr 1972 durch die Welt. Dieses französische Modell, das von 1959 bis 1980 gebaut wurde, hatte sich unter deutschen Campern nie durchgesetzt. Dennoch findet man noch einige Exemplare in einschlägigen Kreisen der Oldtimerszene.

Ein schönes vertrautes Haus auf Rädern

Die Flückigers sind glücklich damit: Diverse Pannen konnten sie immer schnell genug beheben, bevor die Stimmung auf ihrer Weltreise kippte. Und es sei "immer eine Überraschung, wo man übernachten kann und was für ein Ort es ist. Die Leute staunen eben schon, dass wir so unabhängig sind, kochen und schlafen können in unserer Estafette", bloggten die Flückigers aus einem Dorf in Indien.

"Das Schönste am Urlaub mit dem Fahrzeug ist, dass man von allen Seiten bewundert wird, dass unsere Kiste die weite Reise bis jetzt gut überstanden hat", schrieb Werner Flückiger später aus Nepal. "Wir sind glücklich, dass wir uns mit unserem kleinen vertrauten Haus überall an den schönsten Orten der Welt aufstellen können." Im August 2013 will die Familie wieder zurück in der Schweiz sein.

Wer ausprobieren möchte, wie sich Urlaub zu Omas Zeiten anfühlt: Die Modelle VW T3, Renault Estafette oder Hymermobil werden im passablen Zustand ab 9000 Euro gehandelt. Historische VW-Bullis können Camper auch leihen. (dpa)

Wenn die Messe schläft...

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