Kenia. . Watamu hat einige der schönsten Strände Kenias und fast alles, was es an Naturschönheit an Ostafrikas Küsten gibt: eine Mangroven-Lagune, prächtige Korallenriffe und den letzten Rest des ursprünglichen Küstenwaldes.

Watamu - Wenn es kalt wird in Europa, machen es die Vögel wie die Urlauber: Sie fliegen nach Süden. Einer der schönen Orte, an denen beide landen, ist Watamu an der Küste Kenias. "Sogar aus Südschweden kommen sie", sagt Ferdinand, der Touristenführer. Er meint die Vögel. Ferdinand beobachtet konzentriert die Wand aus Mangrovenwurzeln, während das Boot immer tiefer in die Lagune des Mida Creek hineintuckert.

"Die Vögel picken Krabben und Würmer aus dem Schlamm, wenn der Creek trocken fällt", erklärt Ferdinand. Er zeigt auf Eisvögel auf einem Baum, dann reicht er das Fernrohr. "Ein Grünreiher. Er ist vom Jagen durchnässt und sonnt sich jetzt." Ein Seeadler startet mit schwerem Flügelschlag als das Boot näher kommt. Und in der Ferne flattert eine Gruppe Flamingos auf.

Der Mangrovenwald ist heute gefährdet

Der Mida Creek ist das Herz des reichen Ökosystems von Watamu, einem Küstendorf 120 Kilometer nördlich von Mombasa. Die Lagune zieht sich 14 Kilometer in den Mangrovenwald hinein. Bei Flut strömt das Meer hinein, bei Ebbe fließt es ab. Von den 13 Mangrovenarten, die in Ostafrika vorkommen, haben 6 im Mida Creek ihre Wurzeln geschlagen. Hierher kommen Tiere aus dem angrenzenden Arabuko Sokoke Nationalpark. Und hier wachsen, geschützt zwischen den Luftwurzeln der Mangroven, die jungen Fische auf, die später die Korallenriffe des Watamu-Meeresnationalparks umschwirren.

Aber auch der 16 000 Hektar große Mangrovenwald ist gefährdet. "Arme Leute holzen die Mangroven ab, um sie zu verfeuern und Häuser zu bauen", sagt Ferdinand. Er deutet auf eine Lücke im grünen Gürtel. Gut 100 Meter breit liegt der Sand nackt da. "Hier hat ein Fischer einen schmalen Weg geschlagen, doch dann sind alle Mangroven ringsum abgestorben."

Das Boot legt an einer Sandbank an, durch eine Schneise führt Ferdinand durch die dichten Mangroven. "Das sind ihre Samen", sagt er und hebt eine der unterarmlangen Schoten auf. "Bei dieser Mangrovenart fliegen die Bienen in die Löcher, daraus sammeln die Einheimischen den Honig. Und diese Art nehmen sie, um ihre Zähne zu putzen." Ferdinand schrubbt mit dem fasrigen Holzstück über seine breiten Zahnreihen. Aber so richtig überzeugt sind die Touristen nicht von der Buschbürste.

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Es geht weiter durch hohes Gras und Palmen zu einer Lichtung. Um den blank gefegten Sandplatz stehen ein paar Hütten, in der Mitte blüht ein prächtiger Bougainvillea-Strauch. Die Wände der Hütten sind ein Gerüst aus Mangrovenstämmen, zwischen das Lehm geschmiert wird. Hier lebt eine Familie vom Volk der Giryama. Die Erwachsenen haben es sich in der Mittagshitze unter einem mächtigen Mangobaum bequem gemacht, die Kinder betrachten die Besucher neugierig aus ihren Kulleraugen.

Safari und weiße Strände

Für Europäer ist das alles sehr idyllisch anzuschauen. Aber ein Blick in eines der Wohnhäuser zeigt, was für ein hartes Leben die Familie führt. Im Innern der Hütte ist es düster, Elektrizität gibt es nicht. Auf dem festgestampften Lehm liegt eine Matratze, in einer Ecke steht ein Kinderbett mit Moskitonetz und eines ohne.

Kenia ist weiter ein armes Land, trotz der 1,26 Millionen Touristen, die im vergangenen Jahr für Safari und Badeurlaub an den weißen Stränden kamen. Deshalb funktioniert Umweltschutz nur, wenn er für die Einheimischen wirtschaftlich einleuchtet. Wie bei Watamu Turtle Watch.

Die Organisation betreibt, finanziert von ausländischen Spendern, das einzige Rehabilitationszentrum für Schildkröten in Ostafrika. "Hier rufen die Fischer an, wenn ihnen eine Schildkröte ins Netz gegangen ist", erklärt Ruth Karisa, die Sprecherin. Dafür bekommen sie, je nach Größe des Tieres, zwischen 300 und 1000 Schilling - zwischen 3 und 10 Euro. Ein netter Nebenverdienst für die Fischer. Und doch nichts im Vergleich zu dem, was sie auf dem Fischmarkt bekommen würden.

Suppenschildkröten sind immer noch eine Delikatesse

Suppenschildkröten werden in Kenia noch immer als Delikatesse geschätzt, für große Exemplare bezahlen Käufer bis zu 12 000 Schilling. Deshalb gehen die Mitarbeiter von Turtle Watch in die Dörfer und erklären den Menschen, welche anderen Einkommensquellen sie anzapfen könnten. Krabben in Farmen züchten zum Beispiel.

Die meisten Tiere, die bei Turtle Watch ankommen, sind gesund, sie werden markiert und sofort wieder ins Meer entlassen. Seit 1998 waren es mehr als 8700 Tiere. Aber die Fischer bringen auch Schildkröten, die Plastiktüten mit Quallen verwechselt und gefressen haben, die ein Angelhaken verletzt hat, oder deren Panzer eine Schiffsschraube zerschreddert hat. Hier werden sie behandelt und aufgepäppelt, bis zu zwölf Tiere gleichzeitig.

Die Schildkröten sind das Aushängeschild Watamus 


Ruth Karisa führt zu Olivia. Die Oliv-Bastardschildkröte wurde mit einer Pilzinfektion eingeliefert. "Sie war dehydriert und sehr schwach", erzählt Karisa. Nun wird sie von einem Helfer abgeschrubbt.

Tauchlehrer Steve Curtis arbeitet seit 1982 in Kenia, seit 1990 lebt er in Watamu. Die Korallenriffe hier seien mit ihren Kanälen, dramatisch abbrechenden Riffkanten und Steilhängen interessanter als jene in Mombasa und an der Südküste, behauptet Curtis. Und dank der strengen Regeln des Watamu Meeresnationalparks würden hier noch mehr Fische im Meer schwimmen. Doch das Aushängeschild Watamus sind die Schildkröten. Ihretwegen fahren die Urlauber mit Curtis hinaus an die Riffe.

Dort schweben die Taucher über Teppiche von Hartkorallen und lilafarbenen Weichkorallen. 1998 seien 80 Prozent der Hartkorallen gestorben, erklärt Curtis. Damals hatte das Klimaphänomen El Niño das Meer auf mehr als 30 Grad erhitzt. Seitdem hätten sich die meisten wieder erholt - "wie nach einem Feuer im Busch".

Schaukelfisch und Doktorfische

An der Riffkante sitzt ein Schaukelfisch, darüber steht ein Schwarm Doktorfische in der schwachen Strömung. Eine gepunktete Muräne lugt aus ihrem Loch heraus. Curtis deutet mit seinem muskulösen Arm ins Blaugrün. Einen Wimpernschlag später löst sich ein massiger Schatten aus der Brühe, ein Zackenbarsch, gut zwei Meter lang.
Der Indische Ozean ist trüb an diesem Tag, es hat im Landesinnern Kenias viel geregnet in den Wochen zuvor. Und so sehen die Taucher die mächtige Schildkröte erst, als sie sich vor ihnen aus einer Mulde erhebt und mit kräftigen Flossenschlägen davonschwimmt.

Die Unterwasserwelt Watamus ist prächtig, aber wasserscheue Reisende müssen sich nicht damit begnügen, an den weißen Stränden zu liegen und bei Ebbe zu den pilzförmigen Inselchen hinaus zu spazieren. Wenige Kilometer nordöstlich von Watamu erheben sich zwischen den Baumriesen dunkle Mauern aus Korallenblöcken. Es sind die Überreste von Gede, einer reichen Swahili-Handelsstadt. 2500 Perser, Araber und Afrikaner sollen hier vom 13. bis zum 17. Jahrhundert in Häusern mit Badezimmern und Toilettenspülung gewohnt haben.

Sie beteten in einer großen Moschee, deren Torbogen noch steht. Im Palast sieht man noch die Steinbänke, auf denen der Sultan mit seinen Beratern debattiert haben soll. In ihren Dhaus segelten die Händler von Gede weit über das Meer. Die Archäologen fanden Glasperlen aus Venedig, Münzen und Porzellan aus China, die nun in den Vitrinen eines kleinen Museums liegen.

Einst gab es einen Küstenwald

Zur Blütezeit Gedes dürfte der ursprüngliche Küstenwald noch große Flächen bedeckt haben. Einst erstreckte er sich von Somalia bis Mosambik. Sein letzter Rest in Kenia ist der Arabuko Sokoke Nationalpark. Das Jagen ist hier verboten, und selbst zum Sammeln von Feuerholz brauchen die Bewohner der Dörfer um den Park herum eine Lizenz. Mehr als 100 Elefanten und Büffel sollen hier noch leben, zusammen mit fünf Fledermausarten und der Elefantenrüsselmaus. Das mausähnliche Säugetier mit der langen Nase kommt nur hier vor.

Wegen des drolligen Rüsslers besteht Ferdinand, der Naturführer, darauf, um 6.00 Uhr morgens aufzubrechen. Nur dann sehe man die seltenen Tiere über die Wege huschen. Doch Ferdinand verspätet sich, und als der Geländewagen durch das Parktor rollt, ist die Sonne längst aufgegangen. Macht nichts, behauptet Ferdinand nun.

Eine Elefantenrüsselmaus bekommt an diesem Tag keiner der Gäste mehr zu sehen. Dafür erklärt Ferdinand beim Spaziergang durch den Wald die verschiedenen Vegetationszonen. Er öffnet harte Samen, groß wie Brillenetuis, und führt hinauf zum Aussichtspunkt. Von hier schweift der Blick weit über den Wald bis zur Lagune am Horizont.