Wellington. Neuseeland ist bekannt für seine Rugby-Nationalmannschaft, die Schafe und als Drehort für die “Herr der Ringe“-Trilogie. Mehr und mehr möchte sich das Nachbarland Australiens aber auch als Feinschmecker-Paradies profilieren. Außerdem gibt es die faszinierende Kultur der Maori zu bewundern.
Und jetzt bitte den Nasenkuss. Und dass sich keiner drückt! Das Begrüßungsritual, bei dem sich die Nasen berühren, nehmen die Maori genau. Ein gutes Dutzend hat sich zur traditionellen Beschnupperung postiert wie für einen Staatsbesuch. Völlig fremde Leute empfängt man gern im verschwiegenen Waldstück beim 240-Seelen-Ort Waimarama. Dort sind diesmal durstige Deutsche in sengendem Mittagslicht in den Geländewagen geklettert, Ureinwohner kennen lernen steht in ihrem Programm.
Auf einmal wird ihnen bange. Diese Bräuche aus uralter Zeit! Doch ohne Hongi – so heißt die Schnüffelei – kein Einblick ins Hakikino Reservat. Beherzt pressen die Besucher die Nase in die Gesichter der Gastgeber. Ob man sich gut riechen kann?
Die Maori lächeln, die Gäste holen Luft. Die erste Prüfung ist bestanden. Nun wird es schwieriger. Ben Keefe, achtfacher Großvater und mehr als 20 Jahre als Musiker unterwegs, bevor er merkte, dass kein Land schöner ist als Neuseeland, greift zur Gitarre und singt. Dann sind die Deutschen dran mit einer Gesangseinlage (waiata). „Die Gedanken sind frei“ fällt ihnen ein. Auch wenn nicht alle den Text kennen und einige nur dünn summen, bedanken sich die Maori freundlich. Das Eis ist gebrochen auf Neuseelands Nordinsel.
Nachdem die Maori-Männer ihre Musikinstrumente vorgeführt haben, präsentieren die Frauen geflochtene Körbe und Gürtel: Kunst zum Ausführen. Aber es geht nicht nur um die schöne Form bei diesem Besuch. „Wir möchten mit euch unser Wissen und unser Essen teilen“, sagt Arapera. Die heilkundige und lebenskluge Frau weiß, dass die Maori ihre Werte der globalen Gemeinschaft vermitteln müssen, um ihr Überleben zu garantieren: „Umso sicherer wird unsere Kultur.“
Der Rat einer Maori: Schalt ab!
Aus diesem Grund werden nunmehr regelmäßig Reservat-Touren angeboten. Vom Publikum wird kein Beifall für folkloristische Gaudi erwartet, man soll etwas mitnehmen. Routiniert zupft Arapera auf einem mit Gras bewachsenen Pfad jedes Kraut, das für eine Anwendung gewachsen ist. Sie erklärt die Pflanzen und durchleuchtet zugleich die Seelen. Die dauergestressten Deutschen staunen. Die gutaussehende unaufgeregte Frau in mittlerem Alter erkennt einen Menschen, noch bevor er spricht und gibt Rat: „Schalten Sie drei Gänge runter.“
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Mehr als Nasenküsse verbindet ein Mittagsmahl. Auf einer einsamen Anhöhe haben die Maori eine Mahlzeit (kapu tī) mit regionalen Spezialitäten unter einer Zeltplane zubereitet. Und als die Tafel aufgehoben wird, erfährt man, wozu das alles gut war: Niemals mehr senkt sich der Vorhang so ganz. „Von nun an“, sagt Ben zum Abschied, „gehört ihr zu unserer Familie“.
Ein Juwel für Genießer
Auch Wiebke wurde über Nacht Mitglied einer wildfremden Familie. Die 18-jährige Hannoveranerin kam als Au pair-Mädchen in die Gegend um Martinborough. Kolonialarchitektur, Spätburgunder und Gestüte machen das Städtchen im Rebland zum Juwel für Genießer und die Pferdenärrin aus Niedersachsen. Die riesige Farm von Alan Wilkinson, wo Anfänger unter ihrer Aufsicht ausreiten dürfen, steht ihr offen bis zur letzten Monterey-Kiefer, die hier eine noch weit beeindruckendere Wuchshöhe erreicht als in ihrer kalifornischen Heimaterde.
Die schwarzgrünen Kronen breiten sich über kristallklare Bäche oder geben den Blick frei auf großzügig hingetupfte Weiden und Wiesenbuckel. Unvermittelt steile Hügel und reichlich Matsch nach frischem Regen machen den Ausritt ebenso abwechslungsreich wie das bemerkenswerte Verhalten der Tiere. „Ich verstehe es selbst nicht, dass die Pferde so gern durch Wasser gehen“, sagt Wiebke. Zu den Schafen hat sie ebenfalls Beziehungen aufgebaut, um den Schafspelz kümmern sich auf den Schaffarmen meist Maori. Allerdings ging die Anzahl der Schafe zurück auf 40 Millionen. Fast doppelt so viele waren es vor 20 Jahren. Dafür gibt es jetzt Überkapazitäten beim Wein. Der Weinbau wuchs schneller als der Markt.
Ein "Aussie" als Neuseeland-Experte
Und dann sind da noch die Muscheln: Der Mann, der sich Aussie nennt, zeigt, wo die grüne Lippenmuschel am besten schmeckt: direkt vor den Muschelbänken in den Marlborough Sounds. Ausgerechnet ein Australier ist Spezialist für die neuseeländische Delikatesse. Und dann sieht man sie – wie Perlen auf der Schnur bieten sich die Muschelkolonien den Blicken dar. Aussie stoppt, bittet die Passagiere ans Heck, zaubert Zitronenschnitze herbei, entkorkt den Sauvignon Blanc und lehrt die Trilogie des Genussschlürfens: „Nehmt einen Schluck, lutscht das Fleisch aus der Schale und nehmt noch einen Schluck. Aber zuerst kommt der Bart ab.“ An der Muschel haften oft haarige Büschel. Aussie macht vor, wie man sie entfernt, saugt das saftige Fleisch an und wirft die Schale ins Wasser. Ein kurzes Glucksen, so klingt Glück. „Was aus dem Meer kommt, darf auf diese Weise entsorgt werden“, erklärt der Skipper. So gut wie diese Kostproben schmecken Meeresfrüchte nicht mal in Martin Bosley’s Yachtclub in Wellington.
Dort werden sie einzeln auf Designertellern arrangiert. Eine landesweite Kampagne präsentiert das Schafland nun als Schlemmerziel. Winzer entdecken, wie man die Nahrungsaufnahme zelebriert, richten Feinschmeckerlokale und schicke Bars ein. Doch nicht nur mit goldenem Rebensaft wird das Land der großen weißen Wolke, wie die Maori den isoliertesten Fleck der Erde nennen, zu Neu-Seh-Land. Besser ist es noch, Ben und Arapeka öffnen einem die Augen.