Panama. Seit vier Jahren suchen der Unterwasser-Archäologe Fritz Hanselmann und sein Team der Texas State University nach den Resten der Flotte des Piraten Sir Henry Morgan. Unzählige Schwerter, Münzen und Hufeisen haben sie bereits aus der Tiefe geborgen. Ihr Ziel: Die Geschichte sichtbar machen.

Rostig, verkrustet, über und über mit Muscheln überzogen sind die Schwertspitze und das Hufeisen, die Unterwasser-Archäologe Fritz Hanselmann aus dem Wasser gezogen hat. Er hat sie eingetütet – in mit Meerwasser gefüllte Gefrierbeutel. Mehr als 300 Jahre haben sie auf dem Grund des Ozeans gelegen. Sie gehörten einst zur Ausrüstung eines Mannes, der damals die Karibik unsicher machte: Pirat Sir Henry Morgan.

Den walisischen Freibeuter trieb Ende des 17. Jahrhunderts die Jagd nach Gold, Silber und anderen Schätzen an die andere Seite des Atlantiks. 1671 gelang ihm der wohl größte Coup seiner Karriere: Die Eroberung von Panama-Stadt, bis dahin reichste spanische Kolonie in Amerika. Morgan hatte seinen Wohnsitz auf Jamaika, kam also über das karibische Meer nach Panama. Eigentlich hatte er den Río Chagres hinauf segeln wollen, um auf die pazifische Seite zu gelangen. Doch dass unter der Wasseroberfläche Riffe lauern, wusste er nicht. Fünf Schiffe sanken in den Fluten – Morgan schickte seine Männer zu Fuß durch den Dschungel.

Hätte es den berühmten Panama-Kanal, heute die meistbefahrene Wasserstraße der Welt, damals schon gegeben, wäre ihnen dieser Trampel erspart geblieben. Mehr als 14.000 Schiffe passieren den Kanal jedes Jahr. Bis zur Eröffnung 1914 mussten Frachter zwischen Patagonien und Feuerland die Magellanstraße befahren, wollten sie vom Atlantik zum Pazifik gelangen und umgekehrt. Dank der Verbindung sparen sich Schiffe, die von der amerikanischen Ost- zur Westküste schippern, rund 15.000 Kilometer oder drei Wochen Fahrtzeit.

Ein Mosaik ergibt das Bild der damaligen Zeit

Fritz Hanselmann und sein Team der Texas State University nutzen heute bequem das Flugzeug, um nach Panama zu gelangen. Seit vier Jahren suchen sie nach den Resten von Morgans Flotte. Unzählige Schwerter, Münzen und Maultier-Hufeisen haben Hanselmann und seine Studenten in den vergangenen Jahren von den Wrackresten am Meeresgrund ans Licht geschafft. „Wir sammeln hier Mosaiksteine, die zusammengesetzt ein gutes Bild der damaligen Zeit ergeben.“

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Hanselmann vergleicht die Bedeutung Morgans für Panama mit der der Mayas für Mexiko. „Jedes Schulkind hier kennt Henry Morgan.“ Der amerikanische Autor Stephen Talty hat die Abenteuer der Piraten in einem Buch verarbeitet. Sein Roman „Empire of Blue Water“ (Königreich des blauen Wassers) avancierte in den USA zum Bestseller. „Für mich am interessantesten ist der Fakt, dass die Piraten demokratisch organisiert waren“, sagt er. „Sie wählten ihren Kapitän und teilten die Beute auf.“

Auch heute können Besucher auf den Spuren von Henry Morgan wandeln. Zum Beispiel in Portobelo, rund 40 Kilometer westlich der Stelle, an der Morgan seine Schiffe verlor. Drei Jahre vor der Eroberung Panama-Stadts hatte Morgan mit seinem Überfall auf den Ort für Aufsehen gesorgt. Portobelo galt als der Umschlagplatz schlechthin für bolivianisches Silber und andere Kostbarkeiten. Am Hafen des verschlafenen Städtchens, das heute etwa 5000 Einwohner zählt, erhebt sich die alte Zollhalle, ein einfacher, zweigeschossiger Bau. Jede Perle, die Südamerika verließ, soll die alte Zollhalle gesehen haben.

Weltkulturerbe

Im Eingang döst ein kleiner Hund, vom Dach tropft Regen. Er wässert die Pflanzen, die das Dach in einen grünen Teppich verwandelt haben. Vom Balkon der Halle wandert der Blick nach rechts zu den Ruinen der alten Befestigungsanlage, in der verrostete Kanonen daran erinnern, dass Portobelo eine der am besten geschützten spanischen Städte der damaligen Zeit war. Auf den Pfosten rings um die Anlage sitzen große schwarze Geier im Regen. Dass die Steine, seit 1980 Weltkulturerbe, langsam zerfallen und deshalb inzwischen auf der Roten Liste stehen, kümmert sie nicht.

Die Überbleibsel, die Hanselmann aus dem Meer fischt, werden dagegen konserviert. Im Museo Patronato Panama Viejo wird Geschichte lebendig. An den wichtigsten Mann in der Geschichte Panamas erinnern dort etliche Kanonen, Schwerter und Hufeisen – frisch gereinigt von Muscheln und Rost.