Heidelberg . Das Waldpiraten-Camp in Heidelberg ist das erste Freizeitcamp für krebskranke Kinder in Deutschland. Hier können sich die Kinder von ihrer Krankheit und den Krankenhausaufenthalten erholen und neue Kraft tanken. Aber auch Kinder, die nicht mehr lange zu leben haben, kommen ins Camp.
Isabel steht mitten im Waldpiraten-Camp und ist ganz ins Basteln versunken. "Eine Schlange soll es werden", murmelt das zehn Jahre alte Kind aus dem sächsischen Oybin, hebt schließlich ein paar grüne Stoffbahnen in die Luft und lächelt. Das blonde Mädchen erzählt nur kurz von dem Tumor in seinem Kopf, der schon fast verschwunden sei. "Hier ist es so schön, dass man gar nicht dazu kommt, über Krankheiten nachzudenken", sagt Isabel und lässt einen nachdenklichen Blick über die Baumwipfel des Heidelberger Waldpiraten-Camps schweifen.
Das einzige Freizeitcamp für krebskranke Kinder und Jugendliche in Deutschland ist eine Einrichtung der Deutschen Kinderkrebsstiftung und wird von verschiedenen Elterninitiativen mitgetragen. "Wir wollen den Mädchen und Jungen einen Urlaub von der Krankheit ermöglichen", sagt Gabriele Geib, die pädagogische Leiterin der 2003 eröffneten Einrichtung. Die Krankheit sei auch im Camp ein Thema. Doch inmitten grüner Wiesen und zahlreicher Beschäftigungsmöglichkeiten würden die Sorgen der Kinder normalerweise in Hintergrund treten, sagt die 60-Jährige, die das Camp mitbegründet hat.
Krankheit soll für ein paar Tage in den Hintergrund treten
Tatsächlich erinnert das muntere Treiben im Frühstückssaal eher an eine Jugendherberge. Während die Kaffeetassen, Löffel und Teller noch klappernd aufgeräumt werden, gerufen und gelacht wird, treffen sich schon verschiedene Gruppen um Bastelarbeiten, ein Theaterspiel auf der gut ausgestatteten Bühne oder den Ausflug zum Heidelberger Schloss zu organisieren. Im vergangenen Jahr gab es etwa zehn Gruppen in Heidelberg, an denen mehr als 400 Kinder und Jugendliche teilnahmen.
Weil eine Krebserkrankung zwischen Therapie, Krankenhausaufenthalten und Arztbesuchen wenig Zeit für die Kindheit lasse, so der Grundgedanke, sei es wichtig, dass die jungen Patienten ihr Schicksal für ein paar Tage vergessen könnten, sagt Geib. Jährlich erkranken ihren Angaben zufolge in Deutschland etwa 2.000 Kinder und Jugendliche an einem Tumor. "Und auch wenn die Heilungschancen heute recht gut sind, eine solche Krankheit hinterlässt Spuren", führt die ausgebildete Sozialpädagogin an.
Energieschub für die Kinder
Sie selbst hat 1984 ihren Sohn aufgrund einer Krebserkrankung verloren. Seither engagiert sie sich. Manche an Krebs erkrankte Kinder müssten mit dem Verlust eines Körperteils zurecht kommen, das Selbstbewusstsein bleibe da leicht auf der Strecke, sagt Geib. Daher seien die acht bis neun Tage dauernden Camps inmitten der hügeligen Landschaft des Odenwalds für die etwa 50 Kinder und Jugendlichen einer Gruppe von viel Erlebnispädagogik geprägt.
Oftmals kämen auch die gesunden Geschwister mit, um den Bruder oder die Schwester zu unterstützen. "Wir haben ein großes Angebot, vom Klettern im Hochseilgarten über Reiten, Bogenschießen und Schwimmen bis hin zum Kanufahren", sagt Geib. Die zahlreichen Angebote seien geeignet, den Kindern wieder Stärken und Fähigkeiten ins Bewusstsein zu rufen.
Inspiriert von einer jungen Patientin, die ihr von einem vergleichbaren Camp in den USA erzählt hatte, entwickelte sie gemeinsam mit anderen Eltern das Konzept des Waldpiraten-Camps. "Eine Erfolgsgeschichte", wie sie sagt. Es sei deutlich spürbar, dass die Kombination aus angemessener Herausforderung und harmonischem Ambiente sich auf die Stimmung der Kinder auswirke, fügt Martin Stachniss vom Waldpiraten-Camp hinzu.
Das sei auch bei Kindern zu beobachten, die nur noch wenige Wochen zu leben hätten und kurzfristig in das Camp aufgenommen würden. "Sie bekommen noch einmal einen richtigen Energieschub", berichtet Stachniss, der ebenfalls ein Kind aufgrund der Krebserkrankung verloren hat. (Internetauftritt des Camps: http://www.waldpiraten.de/ ) (dapd)