Friedrichsroda. In den Urlaub fahren als Dialysepatient war früher fast undenkbar. “Ferien-Dialysezentren“, wie beispielsweise in Friedrichsroda, bieten Menschen mit Nierenversagen mittlerweile deutlich mehr Flexibilität. Selbst im Ausland bieten bestimmte Dialyse-Kliniken Ferienangebote an.
Mit festem Schritt geht Peter Lorenz durch die Straßen von Friedrichroda. Selbst wer genau hinsieht, entdeckt nichts Ungewöhnliches an dem rüstigen Rentner aus Dresden. Für Lorenz selbst sind die alljährlichen Ferien im Luftkurort im Kreis Gotha mittlerweile zu etwas ganz Besonderem geworden. Der 80-Jährige ist Dialyse-Patient, dreimal in der Woche muss er sich einer Blutreinigung unterziehen. Dass er trotz der Krankheit nicht auf einen Urlaub verzichten muss, verdankt er auch Einrichtungen wie dem "Ferien-Dialysezentrum" in Friedrichroda.
"Fairerweise muss man sagen, dass im Prinzip fast jedes Dialyse-Zentrum auch Urlauber aufnimmt", sagt die Ärztin Dagmar Jäkel. Vor gut einem halben Jahr übernahm sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Sebastian Oehmer die Praxis von dessen Vater Dieter. Dieser hatte das Zentrum 2006 in Friedrichroda gegründet und sich damit einen Traum erfüllt.
Spezialisierte Praxen bieten Dialyse im Grünen
Das Besondere am Konzept der Feriendialyse sei das Zusammenwirken mehrerer Faktoren, sagt der 66-jährige Arzt. "Zum einen ist das die Lage direkt im Grünen, ich hatte mich einfach in dieses Stückchen Land verliebt". Aus einer Ruine auf dem Platz neben der ehemaligen Frauenklinik war nach und nach der Neubau des Dialysezentrums entstanden. Heute gibt es in unmittelbarer Nähe der Praxis sowohl ein Krankenhaus als auch zwei größere Hotels.
Bei Notfällen seien die Wege also kurz. Grundsätzlich würden immer einige Plätze für Dialyse-Urlauber frei gehalten, im Gebäude der früheren Frauenklinik seien Wohnungen für Patienten und Angehörige buchbar. Das ermögliche eine hohe Flexibilität: Außerhalb der Hochsaison reiche es, wenn Patienten sich eine Woche vor dem Urlaub meldeten, sagt Oehmer. Im Sommer und Winter betrage die Vorlaufzeit etwa vier Wochen.
Als Dialysepatient ist das Leben noch lange nicht vorbei
"Der Vormittag ist bei Patienten grundsätzlich sehr beliebt für die Behandlung", sagt Jäkel. "Normale" Praxen seien häufig weniger flexibel in der Vergabe von Dialyseterminen. Vor allem jüngere Patienten bräuchten nach der fünfstündigen Behandlung nur eine Erholungspause von etwa einer Stunde, dann sei - je nach persönlicher Verfassung - Zeit für Unternehmungen aller Art. Wer vormittags zur Behandlung komme, könne nachmittags noch etwas mit der Familie unternehmen.
"Bei vielen Patienten herrscht die Idee vor, dass das Leben für Dialysepatienten praktisch vorbei ist und erst mit einer Spenderniere wieder beginnt", erklärt die Ärztin. "Dabei muss man gar nicht auf so vieles verzichten." Wer einige grundlegende Ernährungsregeln beachte und Dinge wie Urlaub zeitig plane, könne sein Leben beinahe wie gewohnt führen.
Dialysezentren im Ausland
Dialysepraxen für Urlauber gebe es nicht nur in Deutschland, auch klassische Urlaubsländer könnten bei entsprechender Planung bereist werden. Die Krankenkassen übernähmen die Dialysekosten, für Hotels müssten die Versicherten in der Regel selbst aufkommen. "Sogar in die Türkei, nach Polen, Teneriffa und Mallorca kann man als Dialysepatient problemlos reisen."
Auch der 46-jährige André Kleeberg aus Ronneburg bei Gera nutzt das Angebot in Friedrichroda. Weil er sowohl auf eine Herz- als auch auf eine Nierentransplantation wartet, soll er sich nicht weiter als 150 Kilometer vom Universitätsklinikum Jena entfernen: Jeden Tag könnte der ersehnte Anruf für den Transplantationstermin kommen.
Hoffnung nie verlieren
Deshalb fiel seine Urlaubswahl auf Friedrichroda. Ähnlich wie Lorenz kennt auch er die Stadt aus früheren Besuchen. Nach den Dialyseterminen nutzt er die Zeit für Ausflüge mit seiner Frau und seinem Kind in den Hainich, nach Eisenach und nach Gotha.
"Man ist mitten im Grünen, hat frische Luft, vor allem tut aber der Tapetenwechsel gut", sagt Kleeberg. Auf die aktuellen Berichte von Organ-Skandalen angesprochen, winkt er ab: "Da ist viel hochgekocht, auch durch die Medien", ist er sich sicher. Er vertraut auf die Ärzte und das System. "Man ist eben in einer komischen Situation, aber man muss sich damit abfinden", sagt er. "Man darf den Mut nicht verlieren und die Hoffnung." (dapd)