Essen. . Der Londoner Kensington Palace, in dem Prinzessin Diana bis zu ihrem Tod wohnte, ist für Touristen zum intimsten und nahbarsten Palast Englands geworden. Nach einer Renovierung für 14 Millionen Euro können die Gäste mit allen Sinnen dem privaten Leben der Royals nachspüren.
Lange lag Kensington Palace im Dornröschenschlaf, jetzt ist Prinzessin Dianas altes Domizil nach zweijähriger Sanierung und einer 14 Millionen Euro teuren Schönheitskur neu erwacht. Leichtfüßig kommt er daher, ohne den ernsten, gediegenen Prunk anderer Paläste. Seinen Geheimnissen und Dramen darf jetzt erstmals ganz ausdrücklich nachgespürt werden. Doch bei aller Intimität ist ausgerechnet das Kapitel um seine prominenteste Bewohnerin ziemlich kurz gekommen.
Kensington ist Londons Anti-Palast: Im Gegensatz zur Machtzentrale der Royals, dem Buckingham Palace, geht es in der Filiale Kensington fast gemütlich zu. Authentisch und lebensnah haben die Kuratoren in den restaurierten Räumen den Alltag von vier verschiedenen Generationen der Krone portraitiert, allen voran Queen Victoria, die über 60 Jahre lang herrschte.
Ein Hauch von Geschichte
Dafür ist kräftig umgebaut worden. Der rote Salon etwa, ein eleganter Saal, in dem die 18-jährige Victoria 1837 erstmals Regierungsrat hielt – vor dutzenden höchstwichtigen Prominenzen – war viele Jahre als Ticket- und Kassenbereich verhunzt worden. Jetzt dürfen Gäste hier mitfiebern. „In den Salon ging ich freilich recht allein“, steht auf dem Teppich vor den geschlossenen Saaltüren notiert – in ihrer Schrift und ihren Worten. Das Kleid, das Victoria trug, ist zum Greifen nah. Die Uniformen jener kritischen Würdenträger, die sie konfrontierte, dürfen anprobiert werden. „Wir wollten das Gefühl der Einschüchterung kreieren, das sie gespürt haben muss“, so eine Projektleiterin. Schatten huschen an der Wand entlang, anderswo flüstern die Vorhänge – eine düstere Erinnerung an den allgegenwärtigen Klatsch und Tratsch bei Hofe.
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Es sind diese theatralischen Effekte, die Kensington zum intimsten und nahbarsten Palast machen, den England derzeit zu bieten hat. Mit allen Sinnen sollen Gäste das private Leben der Royals nachspüren können. So lassen Kinder, die eingeladen sind, historisch anmutendes Spielzeug aus großen Kisten zu nehmen, die heitere Atmosphäre in Victorias Jugendzimmer neu aufleben. Nebenan beginnt derweil ihr altes Piano wie von Geisterhand zu spielen. Ihr Hochzeitskleid sowie ihr Trauergewand sind ausgestellt in Räumen mit schwarz verhängten Fenstern.
Einen Großteil des Budgets hat der Garten verschlungen, lange Jahre eine botanische Patchwork-Halde. Günstlinge des Palastes hatten ihn in Parzellen aufgeteilt, Büsche und Barrikaden behinderten den Blick neugieriger Paparazzi auf Diana, aber ruinierten auch die Blickachse hin zur tosenden Metropole. „Kensington Palast sah von außen aus wie eine Besserungsanstalt“, sagt Gartengestalter Todd Longstaff-Gowan mit Blick auf den 407 Jahre alten, roten Backstein-Bau. 60 Bäume ließ er fällen, Hecken und Bodendecker rausrupfen. Der versteckte Nordeingang ist seitdem passé, stattdessen werden Besucher nun formidabel auf der Südseite empfangen. Longstaff-Gowan preist die neu kultivierte Landschaft als „Versailles-Moment“: „Nur Gras und großartige Perspektiven. Kein Brimborium, sondern ungekünstelter, englischer Stil, wie es lange Tradition war.“ Gartenliebhaber wird dies freuen. Es sind die vielen Diana-Fans, die vom frisch renovierten „Landhaus“ der Royals enttäuscht sein dürften.
Grablichter flackern, rote Rosen liegen am Tor
Bis zu ihrem Tod hatte die Prinzessin der Herzen im Kensington Palace gewohnt. Einzige Erinnerung an sie ist ein winziges Zimmer am Ende eines verwinkelten Korridors. „Hätten wir mehr gezeigt, hätten wir uns dem Vorwurf ausgesetzt, Gewinn aus ihrem Schicksal schlagen zu wollen“, sagt eine Palastsprecherin. Und so runzelt mancher Besucher an dieser Stelle die Stirn, eine Amerikanerin kann es kaum fassen: „Ist das alles?“ Fünf von Dianas Kleidern hat der Palast ausgestellt, immerhin fünf in Stoff gegossene Ikonen.
Ein Meer aus Blumen säumte das goldene Tor am Kensington Palast, als sie starb – und ein Schrein ist diese Stelle auch heute noch. Grablichter flackern am Eingang, jemand hat rote Rosen niedergelegt. Der Ehrgeiz, Besuchern eine „Re-Education“, eine Neujustierung ihres Blicks auf die Royals, angedeihen zu lassen, mag bei Queen Victoria funktionieren. Bei Diana aber, die mit einem einzigen Ausstellungsraum als flüchtiges Intermezzo in der Jahrhunderte langen Geschichte des Königshauses herabgewürdigt wird, lässt sich die Erinnerung der Besucher nicht redigieren.
2013 wird die jüngste Generation die Geschichte des Kensington Palastes fortschreiben: Kate und William ziehen ins Apartment 1a nebenan. Wer aber meint, den beiden kurz Hallo sagen zu können, wird enttäuscht: Ihre Gemächer bleiben, genau wie Dianas Apartments 8 und 9, von allen Besucherblicken abgeschottet.