Siders/Heverlee. . Ein Winterurlaub in der Schweiz hat für 22 Schüler und sechs Erwachsene aus Belgien ein tödliches Ende genommen. Ihr Reisebus prallte am Dienstagabend in einem Autobahntunnel mit voller Wucht gegen eine Mauer. Das Unglück löste international Entsetzen aus.
Das Schlimmste ist wohl, dass die meisten Opfer Kinder sind. Im Entsetzen über den Unfall eines belgischen Reisebusses in der Schweiz mit 28 Toten waren die Gemüter am Mittwoch vereint, vom Schuldirektor bis zum Chef der EU-Kommission. Beim furchtbarsten Verkehrsunfall in der Geschichte der Schweiz war ein Bus in einem Autobahntunnel im Kanton Wallis gegen eine Betonwand gerast - auf dem Rückweg von einer Skifreizeit.
Es ist am Dienstagabend gegen viertel nach neun Uhr abends. Die etwa zwölf Jahre alten Kinder aus zwei flämischen Schulen haben einige Tage im Schnee hinter sich. Nun sitzen sie mit ihren vier Betreuern und zwei Fahrern in einem modernen Reisebus, der sie in der Nacht in die Heimat bringen soll. In einem Autobahntunnel bei Siders passiert das Unfassbare: Nach ersten Erkenntnissen kommt das Gefährt plötzlich von der Spur ab, stößt gegen die Fahrbahnbegrenzung, rast dann gegen eine Betonwand, die zu einer Nothaltestelle gehört.
Schlimmster Verkehrsunfall in der Geschichte der Schweiz
„Ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagt der belgische Botschafter in der Schweiz, Jan Luykx, nachdem er das Wrack mit eigenen Augen gesehen hat. Die Überreste des Busses werden zur Untersuchung abgeschleppt, sie lassen die Wucht des Aufpralls erahnen. Hinten fast ganz intakt, ist das Vorderteil wie zermalmt: Das Dach aufgerissen, darunter ein Chaos aus Karosserieteilen, Metall und Kabeln, die ins Nichts ragen.
Das Ausmaß des Unglücks macht auch die Schar der Retter deutlich: Acht Hubschrauber, zwölf Rettungswagen, etwa 15 Ärzte, 60 Feuerwehrleute, drei Psychologen und rund 100 weitere Helfer sind im Einsatz. Und alle müssen die bittere Bilanz hinnehmen, die am frühen Mittwochmorgen gezogen wird: 28 Tote, darunter alle sechs Erwachsenen und 22 Kinder, alle anderen 24 Passagiere werden verletzt. Es ist der schlimmste Verkehrsunfall in der Geschichte der Schweiz, das Parlament in der Eidgenossenschaft hält am Mittwoch eine Schweigeminute ab.
Übermüdung als Unglücksursache unwahrscheinlich
Über die Unglücksursache herrscht Unklarheit. Es scheine kaum möglich, dass der Fahrer eingeschlafen sei, sagte am Mittwoch der belgische Staatssekretär für Verkehr, Melchior Wathelet. Die Busgesellschaft Toptours mit Sitz in Aarschot habe einen „exzellenten“ Ruf, sagte Wathelet laut der Nachrichtenagentur Belga. Den Dienstag hätten die Fahrer am Abfahrtsort Val d’Anniviers verbracht, „es scheint, dass also die Vorschriften über die Ruhe- und Fahrzeit eingehalten wurden“.
Der Reisebus war in einem Konvoi mit zwei anderen Bussen unterwegs. Der belgische Außenminister Didier Reynders erklärte, die beiden anderen Busse seien nicht in den Unfall verwickelt gewesen und hätte ihre Fahrt fortgesetzt. Er bezeichnete den Unfall als unerklärlich. Der Bus habe keinen Kontakt mit einem anderen Fahrzeug gehabt. Die Identifizierung der Opfer dauere noch an, sagte Reynders, der sich momentan auf einer Auslandsreise in Vietnam befindet, laut der belgischen Nachrichtenagentur Belga.
Eltern fliegen in die Schweiz, Belgien trauert
Wer ist tot, wer verletzt? In der Heimat erleiden Familien und Freunde Stunden der Ungewissheit. Die ersten Eltern, per Telefon alarmiert, treffen gegen sieben Uhr morgens in der katholischen Sankt-Lambertus-Schule im flämischen Heverlee ein, im Laufe des Morgens werden es mehr. Mit versteinerten Gesichtern, mit kleinem Koffer in der Hand oder einem Rucksack auf dem Rücken warten sie auf einem Militärflughafen bei Brüssel darauf, mit einer Armee-Maschine in die Schweiz zu fliegen.
Im Inneren des Gebäudes, von der Presse abgeschirmt, sitzen Eltern, „ohne viel zu wissen“ von ihren Kindern, sagt der Priester der katholischen Schule, Dirk De Gendt. „Wir werden in der Stille beten.“ Die andere Schulklasse in dem Bus kam aus Lommel, das in Flandern nahe der Grenze zu den Niederlanden liegt. Sieben der Kinder im Bus stammen nach belgischen Medieninformationen aus dem Nachbarland.
„Das ist ein tragischer Tag für ganz Belgien“, sagt Regierungschef Elio Di Rupo. „Es ist das Schlimmste, was passieren konnte“, sagt der Direktor von Sankt-Lambertus, Marc Carels, und der Chef der Europäischen Kommission José Manuel Barroso trifft den Nerv vieler, wenn er urteilt: „Das tragische Ereignis bekommt eine noch dramatischere Dimension dadurch, dass die meisten Opfer Kinder waren.“ (afp/dapd)