Essen. . Die Kabinenluft in Flugzeugen soll belastet sein. Politiker und Piloten fordern Untersuchungen. Die Fluglinien wehren sich. Das Thema schwelt schon seit zwei Jahren im Bundetag.

Die Fluglinien kommen unter Druck: Immer drängender verlangen Politiker und Pilotenverbände umfassende Untersuchungen, ob die Kabinenluft der Passagiermaschinen mit Schadstoffen belastet ist. Ihr Verdacht: Weil bei fast allen Jets – Ausnahme: die neue Boeing 787 – die Luft für die Klimaanlagen an den Triebwerken abgesaugt wird, könnten Partikel von verbranntem Schmieröl in die Kabine gelangen. Die giftigen Dämpfe könnten die Atemwege der Fluggäste und der Besatzung belasten und Gesundheitsschäden auslösen.

Drei Zwischenfälle mit Lufthansa-Maschinen innerhalb von vierzehn Tagen geben der Debatte neuen Aufwind. Am 21. Oktober musste eine A 320 auf dem Weg nach Madrid in Zürich außerplanmäßig landen. Drei Tage später traf es einen Jet, der von Jekaterinburg in Russland nach Frankfurt flog und im Ural notlandete. Früher landen musste auch ein gleicher LH-Typ am 27. Oktober auf dem Weg von Nizza nach Frankfurt. Die Lufthansa sagt, zumindest in zwei Fällen hätten in den Bordküchen „lose Plastikteile“ im Ofen gekokelt.

Doch war das wirklich so? Jörg Handwerg, Jumbo-Pilot und Vorstandsmitglied der Piloten-„Vereinigung Cockpit“ (VC), hat Zweifel. Für ihn könnte auch der Austritt chemischer Substanzen eine Ursache für die Duftwolken gewesen sein. Auf ähnliche Vorgänge hat er in einer Anhörung des Bundestages aufmerksam gemacht. Handwerg glaubt, bislang seien die Fluggesellschaften einer umfassenden Untersuchung der Schadstoffbelastung in der Kabinenluft aus dem Weg gegangen. Seine Forderungen: Die Gesellschaften sollten zum Einbau von Sensoren verpflichtet werden, die in der Lage sind, Giftstoffe zu messen. Zudem müssten Giftstoff-Filter obligatorisch eingebaut werden.

„Die Luft an Bord ist von einwandfreier Qualität“

Die Airlines wehren sich. So sagte der Airbus-Manager Andreas Bezold in der gleichen Parlamentsanhörung: „Die Luft an Bord ist von einwandfreier Qualität.“ Thomas von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Luftverkehrswirtschaft, verwies auf ein Gutachten der Europäischen Agentur für Flugsicherheit: Natürlich gehörten Öldampf-Vorfälle zu den meldepflichtigen Ereignissen, sagte er. Aber es gebe keinen Vorfall, „der eine sofortige und generelle Vorschriftenänderung rechtfertigt“.

Tatsächlich sind Öldämpfe in Jets bekannt. In den USA erstritt eine Stewardess vor Gericht einen Vergleich, weil sie eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch Triebwerks-Öl belegen konnte. Eine deutsche Flugbegleiterin, die wegen „chronischer Erkrankungen“ 2007 fluguntauglich geschrieben worden war, erlebte 2010 auf einem Flug von Dublin nach Frankfurt als Passagierin einen Alptraum: Sie sei von „Nebelschwaden“ und einem Geruchsgemisch „von nassen Socken und Abgasen“ eingehüllt worden – mit allen Folgen: geschwollene Nebenhöhlen, Husten, Herzklopfen, Schlafstörungen und geschwollene Lymphknoten.

Auch die Flugsicherheit ist in Gefahr – wenn Piloten plötzlich „benebelt“ werden

Der Streit um die Kabinenluft schwelt seit zwei Jahren im Bundestag, und vor allem die Bundesanstalt für Flugsicherung steht wegen ihrer angeblich zögerlichen Informations- und Sanktionspolitik in der Kritik. In dieser Woche haben die Grünen einen ausführlichen Antrag zur Verbesserung der Situation gestellt, der auch Zustimmung aus anderen Fraktionen bekommen könnte.

Wird er umgesetzt, wird das für die Fluggesellschaften teuer: Triebwerksöle, die mit Giftstoffen belastet sind, sollen verboten werden. Flugzeuge sollten so konstruiert sein, dass die Luft für den Innenraum nicht an den Triebwerken, sondern an der Außenhaut eingesaugt wird – wie bei der Boeing 787. Auch Sensoren sollen Pflicht werden. Regelmäßig müsse es zudem Gefährdungsanalysen geben, die die Güte der Kabinenluft mit einbeziehen. Denn auch die Flugsicherheit sei gefährdet – wenn Piloten plötzlich „benebelt“ werden.