Karlsruhe. . Das Bundesverfassungsgericht hat das Demonstrations-Recht gestärkt. Auch auf Flughäfen, in Bahnhöfen oder in kommunalen Einkaufszentren darf demonstriert werden - wenn sie mehrheitlich in öffentlichem Besitz sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat Demonstrationen in Flughäfen und Bahnhöfen erleichtert. Die Karlsruher Richter entschieden am Dienstag, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit auch im Frankfurter Flughafen gilt - und damit in einem privatisierten Unternehmen in Staatsbesitz. Ein umfassendes Verbot, in einer Abfertigungshalle (Terminal) des Flughafens zu demonstrieren und dort Flugblätter zu verteilen, sei „unverhältnismäßig“ und verfassungswidrig. Einschränkungen des Demonstrationsrechts müssten im Einzelfall konkret begründet werden.

Damit erhielt eine Klägerin Recht, die 2003 gegen Abschiebungen vom Frankfurter Flughafen demonstriert und dabei in der Abflughalle Handzettel verteilt hatte. Die Flughafenbetreiberin Fraport AG untersagte ihr das und verhängte ein unbefristetes „Flughafenverbot“.

Die Verfassungshüter begründeten nun die Stärkung der Versammlungsfreiheit damit, dass nicht nur der Staat an die Grundrechte und ihre Umsetzung „gebunden“ sei. Dies gelte auch für alle Unternehmen, die von der öffentlichen Hand mehrheitlich beherrscht werden. Da die Fraport zu 52 Prozent dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt gehöre, müsse sich auch das Unternehmen an die Grundrechtsbindung etwa zur Versammlungsfreiheit halten und Demonstrationen auf ihrem Betriebsgelände zulassen.

„Wohlfühl-Atmosphäre“ statt Proteststimmung

Dieses Bürgerrecht wiegt laut Urteil zudem schwerer als er Wunsch der Fraport AG, in den Einkaufszentren des Airports „eine „Wohlfühlatmosphäre“ in einer reinen Welt des Konsums“ schaffen zu wollen, die von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen frei bleiben soll. Im Urteil heißt es weiter dazu: „Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt“ der Flughafennutzer sei kein Grund, das Recht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken. Dritte müssten deshalb die Konfrontation mit ihnen unliebsamen Themen hinnehmen.

Demonstrationen dürfen laut Urteil aber nur im öffentlich zugänglichen Bereich des Flughafens abgehalten werden. Wegen den besonderen Anforderungen an die Sicherheit auf Großflughäfen könnten die Behörden zudem Auflagen zur Anzahl der Demonstranten machen oder etwa laute Trillerpfeifen und Megaphone verbieten und weitergehende Auflagen als bei Versammlungen auf Straßen machen.

Das Gericht entwickelte zudem weitere Kriterien für die Zulässigkeit von Demonstrationen in Unternehmen der öffentlichen Hand. Demnach müssen diese Räume der Öffentlichkeit allgemein zugänglich sein und nach dem „Leitbild eines öffentlichen Forums“ organisiert seien. Die seien alle Stätten des Informationsaustauschs und zur Pflege menschlicher Kontakte wie etwa Einkaufszentren oder Ladenpassagen in Bahnhöfen oder Häfen. Rein funktionale Einrichtungen wie Theater, kommunale Krankenhäuser oder Landesbanken zählen demnach nicht dazu.

Polizei-Gewerkschaft begrüßt Rechtsklarheit

Das Urteil traf weithin auf Zustimmung. Die Pilotengewerkschaft Cockpit sieht nun auch ihre Rechte gestärkt und verwies darauf, dass sie 2009 bei einer Demonstration gegen Flugdienstzeiten ebenfalls von der Fraport AG aus dem Terminal verwiesen worden war. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Fraport AG begrüßten, dass nun eindeutig klar sei, wo Demonstrationen stattfinden dürfen und wo nicht.

Auch die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl begrüßte das Urteil. Passagieren bei ihrer Reise zu Traumzielen zu zeigen, dass am benachbarten Flughafen-Gate „das Ziel eines zwangsweise Abgeschobenen ein Folterstaat sein kann, ist ein legitimes Ziel von Protestkundgebungen auf Flughäfen“, erklärte Bernd Mesovic von Pro Asyl. (afp)