Gersfeld. Das Biosphärenreservat Röhn ist ein Ort, der Natur und Tourismus vereint. Doch im 20. Jahr ziehen Wolken auf: Sorgt die zuständige Verwaltungsstelle nicht für die noch fehlende Fläche an Kernzone, ist der Titel 'Biosphärenreservat' bald futsch.

Gemütlich spazieren in der Rhön ein paar Wanderer zwischen hohen Bäumen. Weit über ihren Köpfen kreist ein Sportflugzeug. Ein Landwirt bestellt seine Felder, während daneben bunte Blumenwiesen blühen: Im Biosphärenreservat Rhön treffen Natur und Tourismus aufeinander. Jetzt feiert das einzige Reservat dieser Art in Hessen sein 20-jähriges Bestehen.

Auch im Jubiläumsjahr hat das Reservat noch nicht die perfekte Balance zwischen Umweltschutz und Wirtschaftsinteressen gefunden. Land und Naturschützer streiten über Kernzonen, Windräder und eine Bundesstraße. Vom 25. bis 28. August feiern die Menschen an der Wasserkuppe den Geburtstag des Reservats. Geplant sind unter anderem ein Konzert und ein Markt mit kulinarischen Spezialitäten aus der Rhön in Gersfeld.

Titel Biosphärenreservat muss erhalten werden

Wichtiger für die Zukunft des Biosphärenreservats ist aber eine Regionalkonferenz am Freitag (26. August), zu der auch Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) erwartet wird. Wichtig sei, die Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten, daneben aber auch den Naturschutz nicht zu vernachlässigen, sagt der Leiter der hessischen Verwaltungsstelle des Reservats, Torsten Raab, über die Anforderungen der nächsten Jahre.

140 Hektar Kernzone fehlen noch. Auch die UNESCO sitzt Raab im Nacken: Um den Titel Biosphärenreservat zu erhalten, müssen die Verwalter bis 2013 drei Prozent des Gebiets als sogenannte Kernzone ausweisen, in der sich die Natur ungestört entwickeln soll. Wie der Sprecher des Umweltministeriums in Wiesbaden, Thorsten Neels, sagt, fehlen noch 140 Hektar, um die für Hessen erforderliche Kernzone von 450 Hektar zu füllen.

Nadelwald nicht wichtig für den Naturschutz

Um die notwendige Fläche zu erreichen, habe das Land vor Jahren schon eigenes Gebiet und zwei Millionen Euro für den Ankauf von Flächen bereitgestellt. In den letzten Wochen und Monaten hat sich Neels zufolge im Bereich Kernzone schon viel getan. Verwaltungsstellen-Leiter Raab betont, im Moment gebe es Verhandlungen mit Kommunen und Privatleuten, um ausreichend Land für die Kernzone zu kaufen. Er gehe davon aus, dass rechtzeitig bis 2013 genug Fläche als Kernzone ausgewiesen werden kann. "Zum Teil wurden die Verträge schon unterschrieben", betont er.

Streit um Größe der Kernzonen Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) Hessen rechnet damit, dass das Land die Vorgaben der UNESCO schaffen wird. Allerdings seien die als Kernzone ausgewiesenen Flächen hauptsächlich Nadelwald, kritisiert Naturschutzreferent Mark Harthun. "Und der hat aus Sicht des Naturschutzes keine Bedeutung". Die heimischen Tierarten lebten in den Buchenwäldern.

Touristen sollen Reservat als etwas besonderes wahrnehmen

Die wolle das Land aber nicht zur Kernzone ausweisen, um mit Holzverkauf Geld zu verdienen. Der NABU kritisiert zudem die als Kernzone ausgewiesenen Flächen als viel zu klein. 30 Hektar Wald am Stück seien mindestens nötig, damit der Wald mit verschieden alten Bäumen erhalten werden könne. Kleinere Wälder seien ökologisch irrelevant. Ministeriumssprecher Neels hält dagegen, die Flächen seien groß genug.

NABU befürchtet weniger Touristen Verwaltungsstellen-Leiter Raab betont, wenn erst die Prüfung durch die UNESCO erfolgreich überstanden sei, könne sich die Verwaltung wieder mehr auf andere Aufgaben konzentrieren. "Wir müssen einen Weg finden, dass die Touristen das Reservat als etwas besonderes wahrnehmen", sagt er. Die Region stehe im Wettbewerb mit anderen Landschaften.

Windräder trüben Aussicht

Gleichzeitig soll sich das Reservat auch im Bereich erneuerbare Energien zur Modellregion entwickeln. Besonders das Thema Windräder steht zur Diskussion. Kritik gibt es daran, dass mit den großen Windrädern die Aussicht im selbst ernannten "Land der offenen Fernen" getrübt werden könnte. Kaut Raab läuft derzeit die Abstimmung der Landkreise über einen Bau der Räder. "Gleichzeitig muss die Schönheit und Besonderheit der Rhön erhalten bleiben", betont er.

Weiterer Streitpunkt ist der Bau der Bundesstraße B78n, die von Fulda nach Meiningen in Thüringen durch das Reservat führen soll. Das hessische Verkehrsministerium hält sie für notwendig. NABU-Referent Harthun beklagt dagegen: "Das ist eine reine Transitstrecke, die der Region nichts bringt".

Er befürchtet, dass die Landesregierung durch ihren Umgang mit dem Biospährenreservat die Haupteinnahmequelle der Region, den Tourismus, gefährden könnte. Harthun betont, wenn die Wanderer in den Kernzonen langweilige Nadelwälder vorfänden, eine viel befahrene Straße die Region quere und die Sicht von Windrädern beschränkt würde, kämen die Touristen nicht wieder. (dapd)