Berlin. . Wieder hat ein Vulkan-Ausbruch in Island für zahlreiche Flugausfälle in Deutschland gesorgt. Doch war das Flugverbot am Mittwoch laut einem Medienbericht womöglich unnötig. Es gebe erhebliche Zweifel an der Datenbasis.
Das Flugverbot am Mittwoch für Teile Norddeutschlands war nach einem Pressebericht womöglich unnötig. Die Entscheidung der bundeseigenen Deutschen Flugsicherung (DFS), den Luftraum über Hamburg, Bremen und Berlin zeitweise zu sperren, habe auf einer viel dünneren Datenbasis beruht als von Verkehrsminister Peter Ramsauer suggeriert, schreibt die „Financial Times Deutschland“. Der CSU-Politiker hatte seine Entscheidung über zulässige Grenzwerte der Aschekonzentration mit Angaben der Flugzeughersteller begründet. Laut Pilotenvereinigung Cockpit verweigert die Flugzeugindustrie bislang aber Tests für verlässliche Daten. Bundesweit waren am Mittwoch hunderte Flüge ausfallen. Mehrere Zehntausend Passagiere waren davon betroffen.
Der Minister hatte gesagt, ein verlässliches Messnetzwerk liefere die notwendigen Daten über die Aschekonzentrationen in den Lufträumen. Die Zeitung schrieb jedoch, die 52 Stationen des Deutschen Wetterdiensts (DWD) könnten nur messen, ob sich Partikel in der Luft befinden. Die wesentliche Information, wie hoch konzentriert diese sind, könnten die Anlagen nicht erfassen.
Nach dem Bericht der Zeitung hat sich die Flugsicherung in erster Linie auf Simulationen des Volcanic Ash Advisory Center (VAAC) in London gestützt. Deren Belastbarkeit sei jedoch umstritten. Eine Messung des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums habe im April ergeben, dass die VAAC-Prognosen in weiten Teilen unzutreffend waren.
Ramsauer verteidigt Flugverbot
Ein Sprecher des Ministers bestätigte der Zeitung den Sachverhalt im Wesentlichen, verwies jedoch darauf, dass die VAAC-Daten präziser seien als im vergangenen Jahr beim Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökullals. Ein DWD-Sprecher sagte der Zeitung, es gebe keine Alternative zu diesen Prognosen. „Sonst müssten wir Flughäfen ad hoc sperren, wenn wir Aschepartikel messen.“
Grimsvötn spuckt Asche
Laut „Financial Times Deutschland“ zeigten die VAAC-Daten noch eine hohe Aschekonzentration über Hamburg, als der DWD schon Entwarnung gegeben hatte. Dadurch habe die Lufthansa noch mehrere Stunden nach Freigabe des Luftraums ihre Maschinen am Boden gehalten.
Im thüringischen Saalfeld verteidigte Ramsauer am Mittwochabend das Flugverbot. „Wenn wieder ein Vulkan ausbrechen würde, würde ich wieder genau so verfahren, wie es in den letzten Tagen geschah“, sagte er. Die Angaben der Triebwerkhersteller hätten einen wichtigen Beitrag an seiner Entscheidung gehabt. Die Unternehmen könnten ab einer Aschekonzentration von zwei Milligramm pro Kubikmeter Luft Risiken für die Sicherheit nicht ausschließen. Deshalb müssten Flugzeuge am Boden bleiben, sobald dieser Wert überschritten werde.
Cockpit sieht nun Flugzeugbauer in der Pflicht
Nach Angaben der Pilotenvereinigung Cockpit fehlen jedoch Angaben der Flugzeughersteller über verlässliche Grenzwerte für Flugaschebelastungen noch. Dass Asche eine Gefahr für die Sicherheit des Flugbetriebs sei, könne man nicht ernsthaft in Zweifel ziehen, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“. Die Hersteller seien aber nun in der Pflicht, Tests durchzuführen: „Dann hätten wir solide Daten, auf deren Grundlage ein womöglich höherer Grenzwert festgelegt werden könnte. Die Widerstände gegen solche Tests sind für uns nicht nachvollziehbar“, sagte Handwerg.
Ramsauer erneuerte unterdessen seine Forderung nach gemeinsamen Absprachen in Europa zum Umgang mit Vulkanaschewolken im Luftverkehr. Dazu forderte er die ungarische EU-Ratspräsidentschaft in einem Brief zum Handeln auf, wie die „Passauer Neue Presse“ (Donnerstagausgabe) schreibt. „Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen der Verantwortlichen in Europa nach wie vor eine dringliche Aufgabe bleibt“, zitiert das Blatt aus dem Schreiben.
In dem Schreiben bittet Ramsauer seinen ungarischen Amtskollegen Pál Völner, das Thema beim Verkehrsministerrat am 16. Juni ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. „Nur europäisch koordinierte Ansätze sind geeignet, hierzu für alle tragbare Lösungen zu finden“, schrieb Ramsauer weiter. „Weitere Beeinträchtigungen für den europäischen Luftverkehr sind je nach Wetterentwicklung nicht auszuschließen.“ (dapd)