Danzig/Polen. . Bevor die Fußballfans zur EM Danzig in Beschlag nehmen, lohnt es sich, in Ruhe die Stadt an der Ostsee zu erkunden. Lohnenswert sind etwa der Besuch des Bernstein-Museums, der Langgasse oder der gotischen Marienkirche: Tipps für eine Städtreise.
Der Kartenvorverkauf für die Fußball-Europameisterschaft 2012 hat begonnen. Die Gastgeber in Polen polieren und renovieren alte und bauen neue Stadien. In Danzig ist man im Zeitplan, schließlich soll am 9. Juni das neue Bernstein-Stadion mit dem Freundschaftsspiel gegen Frankreich eingeweiht werden. Es fasst 44.000 Zuschauer, kostet 200 Millionen Euro. Und wie es sich für die Hauptstadt des Bernsteins geziemt, haben ihm die Architekten aus Düsseldorf ein bernsteinfarbenes Gewand verpasst.
Bernstein ist allgegenwärtig
Keine andere Stadt ist so sehr mit dem braunen Gold der Ostsee verschmolzen wie Danzig. Ob man durch die quirligen Gassen schlendert, im Straßencafé seinen Milchkaffee trinkt oder an der Bar sein Hevelius-Bier genießt – der Bernstein ist allgegenwärtig. Zum Schauen und Staunen sollte man unbedingt das Bernstein-Museum im Peintor besuchen. Kaufwillige werden hingegen in der gesamten Danziger Altstadt in den rund 30 Fachgeschäften für Bernsteinschmuck fündig, nicht eingerechnet all die Straßenhändler, die am Langen Markt oder am Ufer der Mottlau ihre Ketten, Ringe und Anhänger verkaufen.
„Ich liebe es, mit dem braunen Gold der Ostsee zu arbeiten!“ Begeistert steht Kamila an ihrem Verkaufstisch. „Schon beim ersten Schliff muss man wissen, wie der Stein einmal aussehen soll.“ Liebevoll erzählt sie von ihrer Arbeit als „Bernsteinschmiedin“ – erst nach einiger Zeit an der Poliermaschine erhält der Bernstein seine typische Farbe und seinen hellbraunen Glanz.
Stadt erlebte wirtschaftliche Blüte im 16. Jahrhundert
Natürlich verlockt das Angebot zum Staunen und Kaufen, aber bei all den Verführungen sollte man sich unbedingt auch Zeit nehmen für die Schönheiten der stolzen Hansestadt. Sie erlebte ihre wirtschaftliche Blüte im 16. Jahrhundert, in jener Zeit entstanden die meisten der prachtvollen Patrizierhäuser. Die schönsten Gebäude entdecken Stadtbummler in der Rechtsstadt mit ihren neun Hauptstraßen, die allesamt durch prächtige Tore zum Ufer der Mottlau führen.
Geschäftiges Treiben herrscht in der Langgasse, der historischen Meile zwischen Hohem und Grünem Tor. Sonnenschirme beschatten die Tische der Cafés und Restaurants, Straßenhändler haben ihre Stände aufgebaut, Künstler stellen Bilder aus, porträtieren die Passanten. Auf Klapptischen wird Schmuck aus Messing und natürlich Bernstein angeboten, Antiquitäten und Ramsch liegen nah beieinander. Farbenfrohe Spätrenaissance- und Barockfassaden der Patrizierhäuser, nach den Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges detailgetreu wieder aufgebaut, säumen die alte Prachtstraße.
Ein Streik, der die Weltpolitik veränderte
Zu einem Superlativ christlicher Art führt die ul. Mariacka, die Marienstraße, eine der schönsten Gassen der Altstadt: zur gotischen Marienkirche, dem größten Gotteshaus in Polen mit Platz für mehr als 20.000 Menschen. In mühevoller Kleinarbeit wurde nicht nur die Kirche, sondern auch die meisterhafte astronomische Uhr aus dem 15. Jahrhundert restauriert.
Jetzt sind es nur noch ein paar Schritte, dann baut sich das Wahrzeichen der Stadt, das Krantor mit seinem auffälligen hölzernen Vorbau, auf. Hinter den bis zu vier Meter dicken Mauern befindet sich eine Ausstellung des Centralne Muzeum Morskie, des Zentralen Meeresmuseums.
Auf den Spuren von Solidarnocs und Lech Walesa gelangt man zum Tor der ehemaligen Lenin-Werft nördlich der Altstadt. Hier begann 1980 der Streik, der die Weltpolitik tatsächlich verändern sollte und das Ende der kommunistischen Vorherrschaft einleitete. Absolut sehenswert: die multimediale Ausstellung „Wege zur Freiheit“ in einem ehemaligen Bunker nahe der Werft. Auf ganz eindringliche Weise stellt sie die Lebensbedingungen der polnischen Bevölkerung und den mutigen Kampf der Arbeiter in den 1980er Jahren dar.
Geburtsstadt von Günter Grass
Bevor die Fußballfans die Stadt bevölkern und der Kampf um den EM-Titel beginnt, ist noch etwas Zeit die Schönheiten und das Flair der Stadt zu genießen. Und vielleicht auf den Spuren des in Danzig geborenen Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass oder von Johannes Hevelius, passionierter Bierbrauer, Ratsherr und bedeutender Astronom des Mittelalters, zu wandeln. Er feiert dieses Jahr seinen 400. Geburtstag. Die Spurensuche führt garantiert in das Altstädtische Rathaus. Der prachtvolle Bau war lange Jahre Hevelius Wirkungsstätte – als Ratsherr und Bürgermeister und Kellermeister für sein gebrautes Bier. Auch das glänzt noch heute bernsteinfarben im Glas.
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