Moritzburg lohnt einen Ausflug vor die Tore Dresdens. Denn es ist ein Märchenschloss: Im Winter 1972/73 wurden Szenen des tschechisch-deutschen Märchenfilms „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ auf dem sächsischen Schloss gedreht.

Mächtig erhebt sich das barocke Jagdschloss Moritzburg mit seinen vier massiven Rundtürmen auf einer Anhöhe, umgeben von künstlich angelegten Fischteichen. Das historische Gemäuer liegt keine halbe Stunde Fahrt mit Bus oder Auto von der Dresdner Innenstadt entfernt - und doch finden viele Touristen nicht den Weg in die beschauliche Kulturlandschaft vor den Toren der Großstadt.

„Nicht wenige Gäste, die dann doch am Dammweg ankommen, haben ein Aha-Erlebnis“, berichtet Schlossdirektorin Ingrid Möbius. Sie spielt darauf an, dass kein Jahr vergeht, in dem das Moritzburger Barockschloss nicht in einem Hochglanzkalender auftaucht. Fast jeder hat das Jagdschloss schon einmal auf Fotos gesehen. Der Name und die Lage des beeindruckenden Barockbaus seien hingegen nur wirklich interessierte Gäste bekannt, bedauert Möbius. Vom Glanz und Ruhm eines Schlosses Neuschwanstein sind die Sachsen auch 20 Jahre nach der politischen Wende noch ein weites Stück entfernt.

Trotzdem sehen sie sich durchaus in einer Liga mit Deutschlands wohl berühmtesten „Märchenschloss“ bei Füssen. Denn ein Märchenschloss ist Moritzburg wahrlich auch, wurden doch im Winter 1972/73 Szenen des tschechisch-deutschen Märchenfilms „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ auf dem sächsischen Schloss gedreht. Die Fangemeinde des weltweit bekannten Streifens pilgert noch immer zu dem einstigen Drehort, eine Sonderaustellung im vergangenen Winter besuchten fast 156 000 Märchenfreunde.

Das Schloss erreichte im Jahr 2009 mit 313 000 Gästen einen Besucherrekord. Und tatsächlich hat Moritzburg - heute im Besitz des Freistaates Sachsen - noch mehr Einzigartiges zu bieten: Weltweit einmalig ist das sagenumwobene „Federzimmer“. August der Starke (1670 – 1733), durchaus prunksüchtiger und zugleich lebenslustiger Kurfürst von Sachsen und König von Polen, ließ 1723 in London ein Paradebett mit Baldachin und Vorhängen für die exotische

Ausstattung des Japanischen Palais am Elbufer der Dresdner Neustadt auf dem Londoner Kunstmarkt erwerben. Aus den später abgetrennten Vorhängen entstanden schließlich Wandteppiche, die dem „Federzimmer“ seinen Namen gaben. Einzigartig an den textilen Behängen sind Material und Herstellungsweise: Millionen farbiger Vogelfedern wurden zur prächtig gemusterten Bettdecke und zu Bettvorhängen verwebt sowie zu einem zauberhaften Baldachin verarbeitet.

1830 gelangte das Federzimmer nach Moritzburg. „Im Jahre 1972 wurde es wegen Restaurierungsbedürftigkeit aus der Ausstellung genommen. Zunächst fand man keine Restaurierungsmethode“, erklärt Möbius. Als dies endlich gelang, wurde die in der Welt einzigartige kulturhistorische Kostbarkeit ab 1982 immerhin 20 Jahre lang restauriert und ist nun wieder im Rahmen von Rundgängen zu bewundern. Nicht weniger beeindruckend sind die bemalten, gepunzten und geprägten Ledertapeten in verschiedenen Sälen des Schlosses. Diese sind rund 300 Jahre alt, werden zurzeit aufwendig nach historischem Vorbild restauriert und somit für kommende Generationen konserviert.

Als früheres Jagdschloss der sächsischen Herrscher beherbergt Moritzburg auch zahlreiche Jagdtrophäen, für die ein Alter zwischen 270 und 400 Jahren angenommen werden kann. Dazu gehöre auch das eindeutig stärkste Rothirsch-Geweih der Welt. „Es ist ein ungerader 24-Ender, der durch sein Gewicht, seine Form und Färbung eine Bewertung von 298,25 internationalen Bewertungspunkten erreicht hat und daher mit seinem Gewicht von 19,865 Kilo als stärkste Rothirschtrophäe der Welt gelten darf“, sagt die Schlossdirektorin. Es sollen schon Jäger aus Übersee beim Anblick der gewaltigen Sammlung auf Moritzburg überwältigt in Tränen ausgebrochen sein.

Obwohl in den vergangenen Jahren diverse Gemälde und andere Einrichtungsgegenstände an das Haus Wettin zurückgegeben werden mussten, hat die Ausstattung des Schlosses kaum darunter gelitten. Im Gegenteil: Ganz gezielte Neuerwerbungen von Barockmöbeln oder Gläsern haben zu einer Bereinigung der Ausstellung unter wissenschaftlichen Aspekten geführt. Die Räumlichkeiten repräsentieren wieder den Zeitgeist des 18. Jahrhunderts. Im vergangenen Jahr hat das Schloss im sogenannten Jägerturm ein Historisches Porzellanquartier wiedereröffnet. Zerbrechliche Kostbarkeiten aus der weltberühmten Manufaktur im nahen Meißen zeigen jagdliche und auch exotische Tierplastiken. Ergänzt wird die dauerhafte Sonderausstellung mit Möbeln und Gemälden aus derselben Entstehungszeit.

Während das Schloss inzwischen ausschließlich als Museum oder Kulisse für Kulturveranstaltungen dient, ist die kleine katholische Schlosskirche noch immer in Betrieb. Sie ist die erste katholische Schlosskapelle in Sachsen. Sonntags und zu kirchlichen Feiertagen finden Gottesdienste statt, auf Wunsch ermöglicht die Schlossverwaltung allerdings auch außerhalb dieser Zeiten eine Besichtigung.

Wie das höfische Leben mit rauschenden Festen seinerzeit im Lustschloss ablief, können die kleinen Besucher auf Moritzburg besonders eindrucksvoll nachvollziehen. Für Kinder gibt es spezielle Führungen in historischen Kostümen. „Unsere kleinen Gäste werden aber nicht einfach kostümiert durchs Schloss geführt, sie spielen echte Rollen und können so hautnah Geschichte erleben“, sagt Möbius.

Moritzburg

Lage: Moritzburg liegt eine halbe Stunde Autofahrt von Dresden entfernt, Regionalbusse fahren im 30-Minuten-Takt von Dresden nach Moritzburg.

Empfehlensweit ist die Anreise mit der historischen dampfbetriebenen Schmalspurbahn

www.loessnitzgrundbahn.de

von Radebeul-Ost aus, die täglich in Betrieb ist. Dorthin fährt eine S-Bahn

www.vvo-online.de

ab Dresden.

- Schloss Moritzburg ist von April bis Oktober täglich von 10.00 bis 17.30 Uhr geöffnet. In der Wintersaison gelten verkürzte Öffnungszeiten und Schließtage.

- Das Schloss bietet verschiedene Rundgänge an, die kombiniert werden können. Infos zu den Eintrittspreisen unter

www.schloss-moritzburg.de

oder Tel. 03 52 07/ 87 30

- Jährlich findet eine Sonderausstellung statt, vom 19. Juni bis 15. Oktober 2010 sind „Momente der Wildnis“ – Meisterwerke der Tierpräparation von Peter Morass - als Deutschlandpremiere zu sehen.

- Wer mehrere der 50 staatlichen Schlösser in Sachsen besuchen möchte, kann ein Kombiticket von Schlösserland Sachsen erwerben. Infos: www.schloesserland-sachsen.de

- Allgemeine Fremdenverkehrsinformationen der Touristinformation Moritzburg

www.kulturlandschaft-moritzburg.de/touristinfo.shtml

unter Tel. 035207 / 854 0 sowie des Tourismusverbandes Sächsisches Elbland

www.elbland.de

unter Tel. 03521/76 35 0

- Moritzburg bietet alljährlich Großveranstaltungen, so etwa die Hengstparaden des Landgestüts im September und den Fischzug zur Karpfenernte im Oktober.

- In der Gemeinde

www.moritzburg.de

laden ein Wildgehege

www.smul.sachsen.de/sbs/6904.htm

mit Waldtieren aus der Region, zwei Kletterparks sowie das Museum

www.kollwitz-moritzburg.de

im Sterbehaus der Künstlerin Käthe Kollwitz (1867-1944) zu Besuchen ein.

- Hotels, Pensionen und ein Campingplatz bieten Übernachtungsmöglichkeiten aller Kategorien in dem Ort an. Infos: Touristinformation

www.kulturlandschaft-moritzburg.de/touristinfo.shtml

Tel. 035207 / 854 0

- Die klassische Tagesroute führt von Dresden in das sächsische Weinanbaugebiet bei Radebeul und über Meißen mit Burgberg, historischer Altstadt und Porzellanmanufaktur nach Moritzburg.

Für Verliebte arrangiert die Schlossverwaltung außergewöhnliche Heiratsanträge im historischen Gemäuer und - im Erfolgsfall - später auch rauschende Hochzeitsfeste. Gut 50 Eheschließungen mit Brautpaaren aus ganz Deutschland finden jedes Jahr auf Moritzburg statt, mehr Hochzeiten scheitern meistens am Terminkalender der einzigen Standesbeamtin in der kleinen Gemeinde.

Die kunstvoll gestaltete Kulturlandschaft mit künstlichen Teichen, kleinen Teichhäuschen und Lauben sowie eindrucksvollen Sichtachsen durch die Wälder sind untrennbar mit der Geschichte von Schloss Moritzburg verbunden. Wie vor Jahrhunderten die Gäste der höfischen Gesellschaft, können Besucher noch immer zum nahen Fasanenschlösschen spazieren oder für diesen Weg auch eine Kutsche nehmen. Dieses kleine Schlösschen im chinesischen Stil wurde 1773/79 durch den Umbau eines früheren Pavillons errichtet. Die Rokokoausstattung in seinem Inneren kann seit drei Jahren wieder besichtigt werden. Ein Privatzüchter hat auf dem Areal des früheren Fasanengartens inzwischen wieder eine Fasanerie errichtet, in der jährlich mehrere hundert Jagdfasane für festlichen Tafelschmaus großgezogen werden.

Sogar maritimes Ambiente können Besucher in Moritzburg erleben – immerhin gut 400 Kilometer von der nächsten Küste, der Ostsee, entfernt: Am Großteich inmitten einer weiten und offenen Hügellandschaft am Ufer des Bärnsdorfer Großteiches hat Kurfürst Friedrich August III. einen Leuchtturm, eine Mole, einen Hafen und sogar „Dardanellen“ als Kulisse zum Nachspielen von Seeschlachten im Kleinformat errichten lassen.

Der Kulturverein Muse im Fasanengarten bemüht sich, das historische Ambiente des höfischen Gartens nach und nach wieder aufleben zu lassen. Alljährlich wird die sogenannte „Zitterpartie“ veranstaltet, eine winterliche Freiluftveranstaltung mit glühenden Ballons und angestrahlten Dampfloks auf der nahen Schmalspurbahn. Dem barocken Jagdschloss selbst hat sich ein zweiter Verein verschrieben, die Freunde des Museums Schloss Moritzburg. Sie bieten Führungen an, die einen Blick hinter die Kulissen des öffentlichen Schlossbereichs erlauben. Mit den Einnahmen werden Ankäufe für die Sammlungen finanziert. Und immer im Januar, wenn nur wenige Besucher den Weg nach Moritzburg finden, schwingen die Schlossfreunde unter fachkundiger Anleitung des Personals die Staubwedel beim großen Schlossputz.

Der Vorgängerbau des heutigen Schlosses Moritzburg wurde 1542 bis 1546 von Herzog Moritz (1521 – 1553) als Jagdhaus errichtet und im Stil der Renaissance ausgestattet. Nach ihm ist der Bau auch benannt. Sein heutiges Aussehen erhielt Schloss Moritzburg unter August dem Starken in den Jahren 1723 bis 1733. In diesem Zusammenhang wurden auch der Schlossteich und die Tiergehege angelegt. Baumeister war der berühmte Matthäus Daniel Pöppelmann (1662 – 1736). Der Ort

Moritzburg trägt seinen Namen übrigens erst seit 1934, davor war das Dorf als Eisenberg mit einem Ortsteil Moritzburg bekannt. Öffentlich zugänglich ist das Schloss seit 1927, der damalige Bewohner Prinz Ernst Heinrich von Sachsen (1896 – 1971) öffnete nach einer Vereinbarung mit dem Freistaat Sachsen seinerzeit Teile des vormals königlichen Anwesens für Besucher.

Die Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen nutzt das markante Schloss Moritzburg gerne für Werbezwecke, der Freistaat wird vor allem als Kulturziel vermarktet. Viele Urlaube wüssten, dass Moritzburg in Sachsen liege, sagt Sprecherin Ines Nebelung. Wie nah an Dresden sei allerdings vielen nicht klar. Zu den klassischen Ausflugszielen in der Region um die Landeshauptstadt gehörten neben der Festung Königstein in der Sächsischen Schweiz und der Wiege des europäischen Porzellans auf der Albrechtsburg Meißen auch das barocke Jagdschloss Moritzburg, heißt es. „Diese drei Schlösser spielen für uns in einer Liga“, erklärt Nebelung.