Denia. . Die Costa Blanca ist die iberische Variante der Côte d’Azur – allerdings viel preiswerter. Zwischen Oliva und Denia, zwischen Javea, Calpe und Altea wartet sie mit Miet-Ferienvillen und Yachthäfen auf. Und die Sonne scheint an 300 Tagen im Jahr.

Octavio Moreno wird jeden Nachmittag um kurz nach fünf zum Spielertyp. Er muss pokern, zocken, zehn Minuten lang diese Rolle leben. Der Mann ist dann darauf angewiesen, in Sekundenbruchteilen die richtige Entscheidung zu treffen. Danach ist er wieder er selbst, lacht, plaudert.

Señor Moreno pokert um die größten, schönsten und schwersten Hummer der allnachmittäglichen Fischauktion am Hafen von Denia – und er gewinnt fast immer.

In der Auktionshalle ist der Küchenchef mit den silbergrauen Haaren und der Lücke neben dem rechten Schneidezahn Legende. Octavio Moreno bekommt jeden, den er will. 55 Euro zahlt er diesen Nachmittag für einen fangfrischen Zwei-Kilo-Hummer, knapp 95 Euro für eine Kiste erstklassige Gambas Rojas, die ein paar Stunden später als Meeresfrüchte-Carpaccio mit angewärmter Balsamico-Soße auf der Zunge zergehen werden.

Rückwärts laufende Anzeigetafel

Gesteigert wird abwärts, begonnen mit dem Höchstpreis auf einer rückwärts laufenden Anzeigetafel: 120, 119, 118 Euro die Kiste. Ein Klick, und sie ist weg. Eine Zuckung zu spät, und der Hummer ist in andere Hände gewandert – eine zu früh, und die Sache rechnet sich nicht. „Du greifst nur zu, wenn der Preis für Dich okay ist, aber dann sofort“, sagt Octavio.

Gerade die nördliche Costa Blanca zwischen Oliva und Denia, zwischen Javea, Calpe und Altea schickt sich mit ihren Miet-Ferienvillen, ihren Yachthäfen, Stränden und ambitionierten Küchenchefs an, so etwas wie eine zweite, eine spanische Côte d’Azur zu werden. Über 300 Sonnentage weist die Statistik für diese Küste aus. Sie erstreckt sich im weiten Bogen über mehr als 200 Kilometer, beginnt irgendwo auf der Höhe von Oliva südlich von Valencia und endet bei San Pedro südlich von Alicante. Nur zwei Jahreszeiten kennt man hier: den Sommer von Juni bis September und den achtmonatigen Frühling zwischen Oktober und Mai. Selbst im Januar, dem kältesten Monat, beträgt die durchschnittliche Tagestemperatur milde 16 Grad. Saison ist deshalb inzwischen fast rund ums Jahr.

Schönster Strand ist fünf Kilometer lang

Sandkästen zum Spielen, Toben, Träumen, zum Baden, Sonnen oder Flanieren hat diese Küste natürlich auch. Der schönste ist etwa fünf Kilometer lang, zwischen 50 und 100 Meter breit und gen Westen von einem schmalen Dünengürtel gesäumt. Der Strand erstreckt sich zwischen Oliva und dem Nordrand der Ortschaft Els Poblets. Gebaut hat ihn der liebe Gott damals, als er Spanien geformt hat. Die Namen der Strandabschnitte dort haben sich Menschen überlegt: Aigua Morta und Les Deveses. Weiter südlich unterbrechen Klippen die Küste, sind die Strände schmaler, kürzer – und manche Buchten nur von der See aus zu erreichen.

Dabei fußt der Tourismus an der Costa Blanca kaum auf Hotels. Die meisten Urlauber mieten sich Ferienhäuser. Die kleineren sind 100 Quadratmeter groß, die stattlichsten bringen es auf das Dreifache an Wohnfläche. Besten Meerblick gibt es für gewöhnlich als Zugabe.

Sandkästen zum Spielen, Toben, Träumen und Baden

Weil die meisten Urlauber Selbstversorger und entsprechend nicht auf die mitgebuchte Verpflegung eines Hotels festgelegt sind, ist die Restaurant-Szene vielfältig wie kaum irgendwo anders an Spaniens Küsten. Und mit der neuen Generation jüngerer Küchenchefs kommt immer mehr Pfiff ins Spiel. Mit Quique Dacosta zum Beispiel, mit José Miguel Ruiz – und mit Octavio Morenos Schwiegersohn Ignacio Arrojo. Der hat die Herrschaft am Herd im „Octavio’s“ weitgehend übernommen, zaubert dort Rote-Rüben-Gazpacho mit zerlassenem Käse vom Merinoschaf, bereitet gegrillte Doraden mit Tatar von schwarzen Oliven, während der Senior sich nach dem Ersteigern der besten Hummer um die Gäste kümmert.

Die Speisekarte: eine Ideensammlung dessen, was sich auf den Märkten finden lässt. Fasan und Hase aus dem Hinterland zum Beispiel, dazu Pilze aus Léon. „Ich frage die Gäste am Tisch, worauf sie Lust haben, dann schlagen wir ihnen etwas vor“, erzählt Octavio.

Irgendwo im Gebälk hoch über kalter Knoblauchsuppe mit Rotwein-Sorbet, Paella mit Safran-Reis, Petersfisch und gebratenen Gambas Rojas hängt eine Lautsprecherbox, in der diesen Abend Frank Sinatra hockt und singt: „Oh, darling, unforgettable“. Recht hat er.