Senftenberg. . Nachdem es in der Lausitz jahrzehntelangen Braunkohleabbau gab, soll das Seebland nun zahlreiche Touristen in eine besondere Landschaft locken.
"Waldmeer, Sandmeer, nichts mehr". Mit dem "Land der drei Meere" wurde bei Soldaten in der DDR die Gegend um Eggesin in Mecklenburg bezeichnet. Dort befand sich eine der größten Kasernen des Landes. Später münzte man den Spruch auch auf die Lausitz, wo der Braunkohle-Abbau eine ganze Landschaft entstellte.
Das Baggern geht hier noch auf absehbare Zeit weiter, parallel dazu wird aber schon an der Zukunft der Region im Süden Brandenburgs und Ostsachsen gearbeitet. Vom anstehenden Strukturwandel verspricht sich der Tourismus einen gehörigen Schub. Denn eines hat die Lausitz seit Beginn der Rekultivierung auf jeden Fall: mehr Wasser.
14.000 Hektar
Die Restlöcher der früheren Tagebaue sind inzwischen gut gefüllt, auch wenn der heiße Sommer die Wasserstände um etwa zehn Zentimeter dezimierte. 23 Gewässer bilden den Kern des Lausitzer Seenlandes, zehn Seen mit einer Wasserfläche von etwa 7000 Hektar sollen am Ende über Kanäle verbunden sein.
Insgesamt nimmt Europas größte künstliche Wasserfläche 14.000 Hektar ein. Mit einer Ausdehnung von 80 Kilometern in Ost-West-Richtung und 40 Kilometern auf der Nord-Süd- Achse ist das Seenland größer als das Saarland. Die einst karge Mondlandschaft ist auf dem Weg zurück zur Natur. Brandenburg und Sachsen sind inzwischen auch durch Seegrenzen verbunden.
Stärken, was vorhanden ist
"Wir machen uns viele Gedanken über das, was nach der Kohle kommt. Wir sollten nicht das vergessen, was alles schon vorhanden ist und das stärken", sagt Daniel Just, Geschäftsführer des Zweckverbandes Lausitzer Seenland. Der Tourismus könne zwar nicht das Allheilmittel für die Gesundung einer ganzen Region sein, dennoch werde er eine wichtige Rolle beim neuen Image der Lausitz spielen.
"Der Strukturwandel in der Lausitz ist eine Chance. Die Entwicklung der Infrastruktur kommt nicht nur den Touristen zugute, sondern auch den Einheimischen - sie kann neue Jobs bringen", betont Kathrin Winkler, Chefin des Tourismusverbandes Lausitzer Seenland in Senftenberg.
Tourismus ist wichtiger Standortfaktor
Winkler nennt den Tourismus einen wichtigen Standortfaktor. Das könne Menschen dazu bringen, wieder in die Lausitz zu ziehen. Aber auch die Einheimischen spielten als Tagesurlauber eine wichtige Rolle. Nach Angaben der Touristiker konnte das Seenland in diesem Jahr die Zahl der Übernachtungen um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr auf gut 760.000 steigern. Das Ziel beträgt mit 1,5 Millionen Übernachtungen pro Jahr allerdings das Doppelte.
Die Gäste kommen vor allem aus Brandenburg, Sachsen, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Etwa zehn Prozent der Urlauber stammen aus Tschechien, einem Land, das keinen Zugang zum Meer besitzt und etwas unter "Wassermangel" leidet.
Die Campingplätze
Aus dem nahen Polen dagegen kommen bisher vor allem Tagesausflügler. "Die Mentalität der tschechischen und polnischen Gäste ist ganz unterschiedlich. Tschechen lieben den Sport, somit können wir mit unseren Wassersportangeboten und Radwegen deren Interessen sehr gut bedienen", erklärt Winkler. Polnische Gäste dagegen hätten mit den Masuren und der Ostsee selbst viel Wasser.
Über den Jahrgang 2018 kann die Verbandschefin nicht klagen - der Jahrhundertsommer hat dem Seenland reichlich Gäste beschwert. "Die großen Gewinner waren die Campingplätze. Da sind wir mit dem Lausitzer Seenland gut aufgestellt. Wasser zieht bei solchen Temperaturen immer."
Sanierung und Investition
Allerdings ist der Tourismus im Seenland kein Selbstläufer. Momentan fehlen Flächen, weil der bundeseigene Bergbausanierer Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft(LMBV) viele erst noch sanieren muss. "Investoren wollen Hotels direkt am Wasser errichten. Momentan gibt es aber keine Flächen, weil sie zuerst verdichtet werden müssen", sagt Winkler. Sicherheit gehe vor, deshalb müsse man sich in Geduld üben.
Alles hänge davon ab, wie schnell die LMBV mit der Sanierung vorankomme. Auch Zweckverbandschef Just sieht potenzielle Investoren über der Lausitz kreisen: "Die haben noch Bauchschmerzen, sich darauf einzulassen, weil sie die Fristen nicht selbst in der Hand haben."
Gesperrte Bergbauflächen
Nach Angaben der LMBV wurden seit 2014 in der Lausitz etwa 3300 Hektar gesperrte Flächen freigegeben; allein in diesem Jahr waren es 650 Hektar. Eine große Zahl von Bergbaufolgeseen in der Lausitz und Mitteldeutschland sei mit diversen Verfahren bereits aufwendig gesichert.
Aktuell sind in Brandenburg und Sachsen noch 31.700 Hektar früherer Bergbauflächen gesperrt, davon 21.800 Hektar auf dem Land und 9900 Hektar auf dem Wasser. Dabei handelt es sich vor allem um sogenannte ältere Innenkippen, die zu DDR-Zeiten nach dem damaligen Stand der Technik aufgefüllt wurden. Insgesamt wendete die LMBV für die Sanierung bisher nach eigenen Angaben rund 10,8 Milliarden Euro auf.
Ein Teil des Geldes kam auch der touristischen Infrastruktur zugute. Darüber hinaus investierten Brandenburg und Sachsen sowie Anrainer- Kommunen in den vergangenen 20 Jahren gut 500 Millionen Euro in Kanäle, Radwege, Stege, Rastplätze für Wasserwanderer, Marinas oder Aussichtstürme.
Es muss Erleichterungen geben
"Wir brauchen eine Erleichterung von Planungsverfahren, denn bei uns gilt es, Baurecht, Wasserrecht, Bergbaurecht und Naturschutz zu beachten. Da muss es Erleichterungen geben, damit wir schneller vorankommen", unterstreicht Just. Auch Detlev Wurzler, Chef des für Brandenburg zuständigen Zweckverbandes, moniert lange Entscheidungswege bei Genehmigungen und Fördermitteln.
Deshalb richten sich jetzt die Blicke auf die Ergebnisse der Kohlekommission. "Es wäre schön, wenn es beim Strukturwandel nicht nur bei Worten bleibt", sagt Just. Nötig sei eine Art Fonds, mit dem die Kommunen ihre Eigenanteile bei Förderprojekten der Länder leisten können. Zumindest in der Anfangsphase wäre eine Beteiligung des Bundes und/oder der Länder dabei hilfreich.
Kathrin Winkler wünscht sich derweil auch Beistand vom Wettergott - noch viele Jahrhundertsommer, aber mit ausreichend Wasser. "Denn das brauchen wir für die Flutung der Seen. Ideal wäre, wenn tagsüber die Sonne scheint und nachts ein schöner Landregen in der Lausitz fällt." (dpa)