Caibarién . Während “Irma“ Florida heimsucht, stehen mehrere Karibik-Inseln nach dem Hurrikan vor einem Scherbenhaufen. Der nächste Hurrikan ist im Anmarsch.

Die Inselwelt Cayerías del Norte ist eines der traumhaftesten Urlaubsziele in Kuba: türkisfarbenes Wasser, kilometerlange weiße Sandstrände. Doch nach "Irma" ist die Idylle zerstört. Umgeknickte Palmen, abgedeckte Häuserdächer und massive Überschwemmungen prägen in der Region die Szenerie, nachdem der zerstörerische Hurrikan mit rund 250 Stundenkilometern gewütet hat.

Alle Hotels wurden evakuiert. Besonders schlimm hat es in der Nähe des Archipels den Fischerort Caibarién getroffen, der 330 Kilometer östlich von Havanna liegt. "Der Sturm hat das Metalldach mitgenommen, mit einer Geschwindigkeit, so schnell, als ob man eine Konservendose öffnet", sagt die Bewohnerin Rosa Martínez, während sie in ihrem Haus nach oben schaut und direkt in den grauen Himmel blickt. Die Ortseingänge werden von entwurzelten Bäumen versperrt, es gibt keinen Strom. 20 000 Menschen mussten in Notunterkünfte gebracht werden.

Haiti blieb dieses Mal verschont

Der Katastrophenschutz ist zwar Hurrikan-erprobt. Doch auch auf der kommunistischen Insel sind die Folgen enorm. "Große Sorge bereitet uns, dass die schweren Überschwemmungen vermutlich große Teile der Ernte zerstören und damit die ohnehin vorhandene Mangelversorgung auf Kuba drastisch verschärfen werden", sagt der Kuba-Referent von Caritas International, Kilian Linder. Es wird lange dauern, bis die verheerenden Schäden durch "Irma" in der Karibik überwunden sind.

Über 25 Menschen starben bisher durch den Hurrikan über dem Atlantik, mehrere Inseln stehen vor der "Stunde null". Eine der wenigen positiven Nachrichten ist, dass das bettelarme, gegen diese Katastrophen nicht gewappnete Haiti dieses Mal nicht heimgesucht worden ist. Sonst wäre die Opferzahl weit höher.

Gesamtschäden in der Karibik könnten bei zehn Milliarden Dollar liegen

Luftbilder zeigen riesige Überschwemmungen, gerade auf der besonders stark getroffenen Insel Barbuda, die zum Mini-Staat Antigua und Barbuda gehört. Aber auch die zwischen den Niederlanden und Frankreich geteilte Insel Sint Marten und Saint-Martin hat es besonders schwer erwischt, zwischen 70 und 95 Prozent der Gebäude und Infrastruktur seien zerstört worden, erklären die Behörden.

Barbuda habe anteilig die größten Schäden erlitten, sagt James Daniell vom Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Gesamtschäden in der Karibik könnten sich auf zehn Milliarden US-Dollar belaufen - und der wichtige Devisenbringer, der Tourismus, droht monatelang auszufallen. "In den vergangenen hundert Jahren haben die wirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen pro Jahr - absolut gesehen - zugenommen", so Daniell, der ein Modell zur Berechnung von Schäden durch Naturkatastrophen entwickelt hat.

240 zusätzliche Polizisten sollen für Sicherheit sorgen

Sorgen bereiten zudem Berichte über anarchische Zustände in Sint Maarten/Saint Martin. In beiden Inselteilen sollen Plünderer unterwegs sein, zum Teil bewaffnet. Es gebe Prügeleien um Fernseher oder Ventilatoren, berichtete eine Bewohnerin von Saint Martin. "Ich sehe auf der Straße junge Menschen mit Macheten." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte eine Verdoppelung der Militär- und Polizeikräfte an, "um die Sicherheit schnell zu stärken".

So sollen unter anderem 240 zusätzliche Polizisten geschickt werden. Zu allem Übel ist schon der nächste Hurrikan "José" im Anmarsch. Daher gilt es, rasche Hilfe zu organisieren. Kurz vor der Schließung des Flughafens Miami im US-Bundesstaat Florida startete noch ein Flugzeug mit 55 Tonnen an Hilfslieferungen für die Menschen auf Barbuda, darunter Sperrholz, Nägel, Taschenlampen, Babybetten, Planen und Dosennahrung, wie der "Antigua Observer" berichtete.

Weckruf für die Klimapolitik

Auch in britischen Überseegebieten wie Anguilla und den Britischen Jungferninseln sind viele Häuser zerstört worden. Die britische Regierung hat rund 35 Millionen Euro Hilfe zugesagt. 500 Soldaten sollen Hilfsgüter verteilen und für die Sicherheit sorgen.

Längst hat die Debatte eingesetzt, warum es zu so zerstörerischen Hurrikans kommt. Die Umweltorganisation Germanwatch spricht von einem "Weckruf für entschiedene Klimapolitik". Eine besondere These vertritt Boliviens Präsident Evo Morales. Der Sozialist gibt dem Kapitalismus, insbesondere den Treibhausgasausstößen der USA die Schuld. "Die Zerstörungen durch die Hurrikans werden verursacht durch die Luftverschmutzungen des Kapitalismus", meint Morales. (dpa)