Essen. Warum es diesmal um mehr geht, als nur um einen günstigen Preis. Ein Gespräch mit dem L’tur Vorstandsvorsitzenden Markus Orth über das Touristikjahr.

Frühbucher war gestern. In diesem Jahr klagt die gesamte Reisebranche über eine starke Zurückhaltung der Urlauber. Eigentlich ein leichtes Spiel für den auf Last-Minute spezialisierten Reiseveranstalter L’tur. Trotzdem wird das Touristikjahr 2016 auch für den Kurzfrist-Anbieter kein Selbstläufer. Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden Markus Orth über die aktuellen Herausforderungen durch Krisen und Terror in Europa.

Seit bald 15 Jahren leiten Sie die Geschäfte von L’tur. So gesehen haben Sie schon viele Sommer kommen und gehen sehen. Aber eine Situation wie in 2016 dürfte auch für Sie neu sein, oder?

Markus Orth
Markus Orth © ltur

Markus Orth: Das kann man so sagen. Diese Saison ist für uns alle, also die gesamte Reisebranche, sehr speziell. Es gab immer schon Jahre, in denen vor der Hauptsaison noch sehr viele Kapazitäten verfügbar waren. Oder Jahre, in denen einzelne Reiseziele schwächer gebucht waren. Und auch Jahre, in denen die Verbraucher schon sehr früh gebucht hatten, es somit relativ wenige Restplätze gab. Das Jahr 2016 ist hingegen komplett anders.

Inwiefern?

Orth: Wir haben zum einen Regionen wie die Balearen, die Kanaren, Portugal oder das spanische Festland, die bereits sehr gut gebucht sind. Auf der anderen Seite gibt es z.B. in der Türkei oder Ägypten deutlich mehr freie Plätze als in früheren Jahren. Wer partout nicht in diese Länder reisen möchte, hat rund um das östliche Mittelmeer – außer Griechenland – folglich weniger Zielgebiete zur Auswahl.

Ist doch perfekt für einen Last-Minute-Veranstalter.

Orth: Natürlich freuen wir uns, wenn 2016 ein starkes Last-Minute-Jahr wird. Der noch zu verteilende Kuchen ist größer als sonst und natürlich ist es jetzt unser Job, uns davon ein ordentliches Stück abzuschneiden. Gerade vor dem Hintergrund, dass wir 2015 unser bestes Türkei-Jahr der Firmengeschichte hatten, wird die Saison aber sicher auch kein Selbstläufer.

An den Preisen kann es kaum liegen. Die Woche All Inclusive gibt es an der türkischen Riviera für weniger als 250 Euro pro Person.

Orth: Ein günstiger Preis ist natürlich ein treibender Faktor. Und so günstig wie in dieser Saison waren die Reisen lange nicht mehr. Doch wir stellen zunehmend fest, dass der Preis alleine nicht das entscheidende Kriterium ist.

Sondern?

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Orth: Das Thema Beratung steht mehr denn je im Vordergrund. Und hier kommt uns unser Vertriebsmodell, dass wir als Multichannel-Anbieter sowohl über das Internet, über ein eigenes Call-Center als auch mit vielen eigenen Reisebüros und Airport-Countern jederzeit für unsere Kunden erreichbar sind, sehr entgegen. Nicht nur die Frequenz in unseren L’tur Shops nimmt derzeit zu, unser Call-Center verzeichnet rund 20 Prozent mehr Anrufe als sonst.

Also ist die schwierige Situation auch eine Chance?

Orth: Unbedingt. Aber wir müssen auch härter dafür arbeiten. Denn wenn die Kunden verunsichert sind, muss man erst richtig zuhören, ehe man ganz individuell auf die Bedürfnisse der Urlauber eingeht und das erfüllt, was sie persönlich wünschen. Und dann klappt es im besten Fall auch mit der Buchung.

Diese Qualitäten reklamieren auch die klassischen Reiseveranstalter für sich, die in dieser Saison ebenfalls voll auf Last-Minute setzen. Wo liegt denn da der Unterschied?

Orth: Bezogen auf die traditionellen Reiseveranstalter stimmt das grundsätzlich. Den reinen Online-Veranstaltern fehlt dieser persönliche Zugang zum Kunden jedoch. Das zeigen auch Studien und Befragungen. Und im Vergleich mit den vollwertigen Reiseveranstaltern sehen wir uns prinzipiell gut aufgestellt, weil Last-Minute einfach unsere Kernkompetenz ist und die spontane und kurzfristige Urlaubsbuchung in diesem Jahr einen hohen Stellenwert hat.

Sie erwähnten, dass gerade Mallorca schon sehr gut gebucht sei. Oftmals hört man auch, dass die Insel in diesem Jahr bald komplett ausgebucht sei. Schaut man sich aber die tatsächliche Auslastung der Flieger nach Palma an, erscheint diese Aussage wie ein cleveres Marketinginstrument der Reiseindustrie, die die Kunden schnell zur Buchung drängen will.

Orth: Nein, der Eindruck täuscht. Es stimmt zwar, dass es noch ausreichend Flugsitze nach Mallorca gibt. Aber wenn es darum geht, mit Ihren Wunschflugzeiten auch die passende Kombination in Form eines guten Ferienhotels zu erhalten, dann wird das Angebot zunehmend dünner. In Bezug auf Mallorca bin ich daher überzeugt, dass sich die Sommersaison jetzt sehr schnell füllt und wir tatsächlich bald an die Kapazitätsgrenzen stoßen.