Tunis. Hunderttausende leben in Tunesien vom Tourismus. Doch zwei Terrorattacken haben der Branche massiv geschadet. Das Land sucht jetzt nach Alternativen.

Auf einem vierrädrigen Geländemotorrad fährt ein Polizist den langen Sandstrand des Badeortes Hammamet entlang. Vor den großen Hotelanlagen sind Sicherheitskräfte postiert, Gewehre in der Hand und die Umgebung im Blick. Tunesien will verhindern, dass wieder ein Attentäter - wie Ende Juni nahe der Stadt Sousse - eine Ferienanlage ungehindert betreten und auf Touristen schießen kann. Inzwischen ist es leicht, in den Ferienorten den Überblick zu bewahren. Denn die Anlagen, die sich auf europäische Besucher spezialisiert haben, sind weitgehend leer.

Terrorangriffe auf Urlauber im berühmten Bardo-Museum von Tunis im März und keine vier Monate später in Sousse haben etwa 60 Menschen das Leben gekostet und eine verheerende Wirkung auf das Land gehabt. Großbritannien, Dänemark und Belgien sprachen Reisewarnungen aus. Die Zahl europäischer Touristen sank dem Tourismusministerium zufolge seitdem um 50 Prozent.

Keine Kreuzfahrtschiffe mehr in Tunis

Zwar zählte das Land trotzdem noch vier Millionen Urlauber von Januar bis September, darunter waren aber viele arabische Touristen. Die meisten sind Algerier, die hier günstig übernachten wollen, aber keine Souvenirs kaufen. Stoffkamele, bemalte Keramik und Teppiche sprechen eher westliches Publikum an. "Ich habe heute noch nichts verkauft", sagt der Schmuck- und Postkartenverkäufer Mohammed im Ausflugsort Sidi Bou Saïd - ein Satz, den man im Moment häufig hört.

In regelmäßigen Abständen melden lokale Medien die Schließung weiterer Touristenhotels in Hammamet, Sousse oder auf der Insel Djerba. In dieser Woche erklärte der spanische Hotelbetreiber Riu, dass in drei Hotelanlagen über die Wintersaison der Betrieb eingestellt werde. Was mit den anderen sieben Vertragshotels geschieht, ist noch unklar. Es war eine Riu-Anlage, in der vor drei Monaten ein Islamist das Blutbad verrichtete. Spätestens seitdem legen auch Kreuzfahrtschiffe nicht mehr an. Aus Sicherheitsgründen hat etwa MSC Cruises derzeit Tunis-Anfahrten durch Malta und Palma de Mallorca ersetzt.

Handelsbeziehungen mit EU sollen vertieft werden

Tunesien hat seit dem Sturz des autoritären Herrschers Zine el Abidine Ben Ali 2011 große Schritte in Richtung Demokratie unternommen. Es ist ein Partner Europas in Nordafrika - ob es darum geht, Flüchtlingsboote aufzuhalten oder auch im Kampf gegen Dschihadisten. Damit die Wirtschaftskrise Tunesien nicht destabilisiert, sucht auch Brüssel fieberhaft nach Alternativen, um die Verluste in der Tourismusbranche auszugleichen. Immerhin verdienen 400.000 Menschen ihr Geld mit Urlaubern.

Die EU will daher deutlich mehr zollfreie Olivenöl-Importe aus dem Land zulassen. Olivenöl ist Tunesiens wichtigster Agrarexport nach Europa. Mehr als eine Million Menschen arbeiten in der Branche. In den kommenden beiden Jahren soll Tunesien zusätzlich je 35.000 Tonnen Olivenöl in die Europäische Union ausführen dürfen, wie die EU-Kommission vorschlug. Derzeit liegt die Obergrenze bei jährlich 56.700 Tonnen. Tunesien und die EU wollen außerdem die Handelsbeziehungen insgesamt längerfristig vertiefen, im Oktober sollen Gespräche über ein Freihandelsabkommen beginnen.

Großer Investor zog Marokko vor

Rund 250 deutsche Unternehmen halten Tunesien weiterhin die Treue. Nach Angaben des Geschäftsführers der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer, Martin Henkelmann, haben die Firmen nach wie vor einen "positiven" Eindruck von den Bedingungen im Land. "Ich kenne kein deutsches Unternehmen, das geht oder schon gegangen ist", sagt er der deutschen Presse-Agentur.

Doch die terroristische Bedrohung, politische Streitigkeiten und die vielen Streiks schrecken so manchen Investor ab. Statt wichtige Neuansiedlungen zu verkünden, musste Präsident Béji Caïd Essebsi vor kurzem mitteilen, dass ein "ausländischer großer Investor" in Tunesien nicht das richtige Investitionsklima vorgefunden habe. "Nach einiger Zeit ging er in einen Bruderstaat." 575 Millionen Euro fließen in ein anderes Land. Laut lokalen Medien meinte Essebsi Europas zweitgrößten Autohersteller PSA Peugeot Citroën, der nun in Marokko ein neues Werk errichten will. (dpa)