Kreuzfahrten stehen für Aussichten auf die scheinbar unendlichen Weiten des Ozeans, das Entdecken fremder Länder und Städte - und üppige Buffets. Das Essen auf den Schiffen ist oftmals exquisit, aber kaum zum Halten des Gewichts gedacht. Deshalb ist die Kombüse 24 Stunden im Schichtdienst besetzt.
Wer eine Kreuzfahrt macht, der will entspannen, will neue Städte und Länder kennenlernen, mehr und Meer sehen – und essen. Gut essen. So gut, dass man das ein oder andere zusätzliche Kilo am Urlaubsende gern in Kauf nimmt. Urlaub und Diät, das passt schließlich nicht zusammen. Zwei Kilo, so sagen es die Besatzungsmitglieder von Deutschlands größter Kreuzfahrt-Reederei, nehme jeder Gast im Schnitt auf einer Reise zu. Und Aida, so wiederum sagen es die Gäste, sei deshalb eine Abkürzung: Abnehmen Ist danach Angesagt.
In der Tat ist der kulinarische Genuss ein wichtiger Bestandteil der Kreuzfahrt. Auf der Aidamar, die in dieser Wintersaison im westlichen Mittelmeer unterwegs ist, sorgen rund 130 Crew-Mitglieder des Bereichs Küche dafür, dass es damit passt. Sie schuften 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Schnippeln, brutzeln, kochen, backen rund um die Uhr im Schichtdienst. „Wenn vom Abendessen die letzten Spuren beseitigt sind, beginnen schon die Vorbereitungen fürs Frühstück“, erklärt Aida-Chefkoch Günther Kroack beim Rundgang durch die Küche.
Schaumbadgroße Suppentöpfe
So eine Schiffsküche ist – verglichen mit den Passagierbereichen – ein ziemlich trostloser Ort. Die Schränke und Wände, die Geräte, die Töpfe, Pfannen und Schüsseln: alles silbern, alles aus Stahl. Und dennoch ist es ein bisschen wie zu Hause: hier der Herd, dort der Kühlschrank, da die Vorratskammer. Und dann ist es doch so anders, eben so viel größer. Wo daheim die Küchenmaschine den Brotteig knetet, rührt hier eine Art Deckenventilator in einer Schüssel von der Größe einer Regentonne. Und im Suppentopf könnte man auch ein wohliges Schaumbad genießen. Es sind eben bis zu 2500 Gäste an Bord, die verwöhnt werden wollen. Und das schon morgens. „Wir backen hier an Bord sieben verschiedene Sorten Brot“, so Kroack. Hinzu kommen mehrere Sorten Brötchen und diverse Kuchen für den Nachmittag. „Insgesamt kommen wir auf etwa 65 verschiedene Backartikel.“
Auch der „Weinkeller“ ist eine Nummer größer. Günther Kroack zählt noch mal nach: „... 12, 13, 14, 15 Fässer sind das hier. Jedes fasst 900 Liter.“ Macht also 13 500 Liter Rot- und Weißwein, die hier gebunkert und als Tischwein in den Buffet-Restaurants erst serviert und dann verzehrt werden. Gut 1200 Liter gehen jeden Tag weg. Bier kaum weniger. Auch hierfür gibt es eine eigene Kühlkammer, in der zig Tausend Liter in riesigen Fässern gelagert werden.
Neues Proviant aus Neapel
Nachschub gibt es jede Woche. „Mittwochs in Neapel bekommen wir neuen Proviant“, sagt Günther Kroack. Beliefert wird das Schiff mit Waren aus Deutschland. Wie viel von welchen Lebensmitteln weggegangen ist, wird auf Listen festgehalten. Daraus ergibt sich jede Woche die Menge an Bestellungen. Und die wird per Lkw von Hamburg nach Neapel befördert. Fisch und Fleisch, Obst und Gemüse von den Märkten vor Ort darf an Bord nur einer einkaufen: Michael Simon. Der 29-Jährige ist Chef de Cuisine vom Rossini, dem Gourmet-Restaurant an Bord. Essen auf Sterne-Niveau. Auf der aktuellen Winterroute der Aidamar macht er dies Woche für Woche in Palermo und Barcelona. Manchmal, sagt er, habe er schon eine Menü-Vorstellung im Kopf. „Dann kaufe ich gezielt ein. Oft lasse ich mich aber auch vom Angebot inspirieren.“ Dann werde so ein Menü auch mal abgeändert oder gar komplett auf den Kopf gestellt. „Es ist nur leider oft so, wenn du zielstrebig auf einen Stand zuläufst und was Bestimmtes brauchst, ist es ausverkauft.“ Dann müsse er eh umdenken.
Frische Zutaten vom Landgang
Heute ist der Rossini-Chefkoch vor allem auf der Jagd nach Obst und Gemüse. Auf Palermos Markt schaut er sich um – und er ist nicht der Einzige. Menschen über Menschen schieben sich durch die engen Gassen. Und heute sind sie auch noch alle beschirmt, denn die sizilianische Sonne hat sich hinter den Wolken versteckt. Regen verwandelt den Boden in eine spiegelglatte Oberfläche. Man muss schon aufpassen, wie und wo man hintritt. Denn als wären es nicht schon genug Fußgänger, drängeln sich hier und da immer wieder Rollerfahrer durch die engen Gassen. Sie hupen sich den Weg frei – das hilft immer im italienischen Verkehr.
Michael Simon ist fündig geworden: roter Spinat, 1,49 Euro das Kilo. „Der Preis passt“, sagt er und beißt in ein Spinatblatt. „Und die Qualität auch.“ Er kauft ein Kilo und zieht weiter, bis er interessiert am Käsestand stehen bleibt. Ricotta lacht ihn an und der Parmesan. Auch hier muss beides erst seinen Geschmackstest bestehen, dann landet der Einkauf in der Tüte. Sein hartes Urteil ist nicht immer positiv. „Die ist einfach nur klein und schmeckt nach gar nichts“, sagt der Koch über die grüne Olive aus Spanien. Die Qualität der „großen Schwester“ aus Sizilien überzeugt ihn dagegen. 20 der dicken grünen Oliven lässt er sich einpacken. Ein paar Stände weiter findet er Obst. „Diese Klementinen sind so süß, die gibt’s in Deutschland so gar nicht.“ Bepackt mit einem Dutzend Tüten winkt er sich ein Taxi herbei. Auf dem Schiff beginnt die eigentliche Arbeit.
In Gedanken schon zwei Tage weiter
Dass sich diese lohnt, präsentiert der Koch am nächsten Abend. Während die Aidamar den Hafen von Neapel verlässt, serviert Michael Simon auf dem Außendeck seine gezauberten Antipasti. Ein besonderer Gaumenschmaus: flüssiger Parmesankäse gepaart mit knackig gebackenen Parmesanstückchen. Lob für den Chef de Cuisine, der in Gedanken wohl schon wieder zwei Tage weiter ist. Dann wird die Aidamar Barcelona erreichen. Michael Simon wird sein geschultes Auge über den berühmten „Mercat de la Boqueria“ schweifen lassen und Ausschau halten nach Zutaten für sein großes Farewell-Dinner im Rossini.
Für die Gäste endet am darauffolgenden Morgen die Kreuzfahrt. Für die Besatzung nicht. Für die heißt es: Alles auf Anfang! Damit auch die nächsten Gäste verwöhnt werden. Auch kulinarisch.