Wer glaubt, am Ende wird es nicht so schlimm werden, ist naiv: Warum und wie man der AfD jetzt endlich die Grenzen aufzeigen muss.

Tausende demonstrieren in Essen gegen die AfD, in Köln gehen sie einen Abend später auf die Straße. Ist das eine Momentaufnahme, oder gerät hier etwas in Bewegung?

Das Ende der „gespenstischen Ruhe“?

Justus Bender monierte unlängst in einem Leitartikel für die FAZ völlig zurecht die „gespenstische Ruhe“ im bürgerlichen Milieu angesichts der Wahlprognosen für eine rechtsextreme Partei in Deutschland. In der Tat fragt man sich, wie viele Menschen, denen an ihrer Demokratie etwas liegt, sich gerade hinter der Vorstellung verstecken, dass es am Ende so schlimm nicht kommen werde. Das allerdings ist naiv, und Naivität ist unverzeihlich, wenn so heftig an den Grundfesten unseres Zusammenlebens gerüttelt wir, wenn so viel auf dem Spiel steht.

Womöglich funktioniert die „Correctiv“-Recherche über das Treffen von Neonazis und AfD-Politikern in Potsdam endlich als kollektiver Wachmacher. All das Warnen, Enthüllen und Vorführen scheint bisher nicht ausreichend gefruchtet zu haben. Bis hierhin wollten zu viele an Versehen, Missverständnisse, Einzelfälle glauben, wenn AfD-Funktionäre Nazi-Verbrechen relativierten oder völkischen Unfug verbreiteten.

Rechtsextremes Denken ist in der Parteigenetik verankert

Jeder, der damit liebäugelt, eine solche Partei zu wählen, weil er, wem auch immer, einen Denkzettel verpassen will, sollte wissen, dass dieses Denken tief in der Parteigenetik verankert ist. Zur traurigen Gewissheit gehört, dass auch das längst nicht jeden abschreckt. Aber wäre es nicht jede Mühe wert, wenigstens jene zu erreichen, die nicht wild entschlossen sind? Und wer behauptet, schuld am Erfolg der AfD sei die schlechte Arbeit der Ampel, macht es sich zu leicht: Schuld sind die, die der AfD ihre Stimme geben.

Verfassungsschützer sollen veröffentlichen, was sie über die AfD wissen, Politiker anderer Parteien sie stellen, wo immer sie können. Aber wer für die als selbstverständlich erachtete Demokratie kämpfen will, weil es plötzlich nötig ist, der muss auch mal selbst das Sofa verlassen.

Tausende haben in Essen demonstriert. Es war hoffentlich nur der Anfang.