Essen. Die saisonale Grippe könnte ihren Höhepunkt in NRW überschritten haben. Das wäre eine gute Nachricht - auch um Corona-Fälle besser zu entdecken.
Das Coronavirus hat immer härtere Auswirkungen auf das öffentliche Leben. Die Zahl der bestätigen Infektionen in NRW steigt seit drei Wochen jeden Tag, seitdem Ende Februar die ersten beiden Fälle im Kreis Heinsberg bekannt geworden sind. Jetzt geht es „um Leben und Tod“, hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet jüngst deutlich gemacht und alle Bürger gemahnt: „Bleiben Sie zuhause“. Wer noch nicht krank ist, senke so das Risiko sich anzustecken. Das gilt auch für die Influenza-Grippe, denn wir sind nach wie vor in der Erkältungs-Saison. Jüngste Zahlen zeigen, dass die aktuelle Grippe-Welle jetzt ihren Höhepunkt überschritten haben könnte.
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Fast 4400 Grippekranke sind in der 10. Kalenderwoche in NRW gezählt worden, also am Übergang von Februar zu März. Eine Woche danach - in der "KW" 11 - wurden deutlich weniger Neuerkrankungen im Land registriert: 2816. Das ist die bisher jüngste Zahl.
Bisher 29 Grippe-Tote in NRW
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Die aktuelle Grippesaison, die stets den Zeitraum zwischen Oktober (40. Kalenderwoche) und April/Mai (15.-20. Kalenderwoche) abdeckt, wurden in NRW bis dato 29 Sterbefälle gezählt, die auf Grippe zurückgeführt werden. „Wie beim Coronavirus auch, trifft es besonders Menschen, die alt sind und/oder vorerkrankt“, sagt Melanie Pothmann, Sprecherin des Landeszentrum Gesundheit (LZG) in Bochum.
„Seit Januar gingen die Grippe-Fälle im Land eigentlich nur nach oben“, sagt Pothmann mit Blick auf die Statistik; im LZG werden unter anderem die Zahlen zur Verbreitung von Infektionskrankheiten in NRW gesammelt und veröffentlicht. „Für einen Trend reicht uns der jüngste Wert bei der Influenza-Grippe noch nicht, aber der Rückgang zwischen 10. und 11. Kalenderwoche ist schon auffallend“, meint Pothmann.
Abflauen der Grippe-Welle hilft, Corona-Fälle zu „demaskieren“
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Es wäre eine gute Nachricht, zumal sie auch bei der Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus helfen könnte: Wenn jetzt die Zahl der Atemwegserkrankungen zurückgehe, „werden sich die Corona-Infektionen demaskieren“, glaubt Klaus Göbels, Leiter des Düsseldorfer Gesundheitsamts. Bei schweren Krankheitssymptomen sollten Erkrankte deshalb mit dem Abklingen der Grippe-Welle „vorsorglich von sich aus in Quarantäne gehen, um nicht weitere Personen anzustecken“, sagt Göbels.
Die Zahl der Infektionen bei der saisonalen Grippe in NRW zeigt, dass die aktuelle Grippe-Welle stärker durchs Land geschwappt ist, als in der Saison 2018/19. 21.750 Grippe-Fälle sind seit Oktober 2019 bei uns erfasst worden; im gleichen Zeitraum ein Jahr früher waren es 16.969 Fälle, geht aus der Statistik des LZG hervor.
Nicht jeder Grippe-Kranke sucht eine Arzt auf
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Allerdings können natürlich nur solche Zahlen erfasst werden, die von Ärzten gemeldet werden. „Nicht immer veranlasst ein Arzt einen entsprechenden Labor-Test“, sagt LZG-Sprecherin Pothmann. Und nicht alle Grippekranken suchen einen Arzt auf: „Die Dunkelziffer ist für uns absolut nicht abschätzbar“, sagt Pothmann.
Inwieweit die verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber dem Coronavirus dazu geführt hat, dass die Kurve in der Grippe-Statistik Ende Februar so einen deutlichen Sprung nach oben gemacht hat, vermag man beim LZG nicht zu beurteilen. Wenn es hier einen Zusammenhang geben würde, müssten die Grippe-Zahlen mit dem Anstieg der Corona-Fälle eigentlich weiter steigen, glaubt Pothmann. Tatsächlich aber sank die Zahl der Influenza-Fälle zuletzt deutlich.
Ein Drittel der Grippe-Fälle musste ins Krankenhaus
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Die Krankheitsverläufe sind bei der Grippe indes in großem Maße schwerwiegend. Stand Anfang März mussten über 6300 Grippe-Patienten im Krankenhaus behandelt werden; das waren 33,6 Prozent. Den größten Anteil bei den Grippekranken hatten übrigens Kinder, vor allem im Alter von zwei und drei Jahren.
Im Ruhrgebiet wurden in der bisherigen Grippe-Saison 5702 Erkrankte gezählt, am Niederrhein 3029 und im Sauer- und Siegerland 3742. Anders als beim Coronavirus liegt der Kreis Heinsberg bei den Grippe-Erkrankungen weit weg von der Höchstmarke: Die meisten Fälle wurden im Zeitraum zwischen 4. und 11. Kalenderwoche in Euskirchen und im Ennepe-Ruhr-Kreis gezählt, mit einem Anteil von etwa 150 Meldungen pro 100.000 Einwohner. Im Kreis Heinsberg waren es 58, fast genau so viele wie in Dortmund oder Herford. Die wenigsten Meldungen gab es in Olpe: 0,74.
Die meisten Grippe-Kranken sind ungeimpft
Was die Sorge vor den Auswirkungen des Coronavirus so groß macht: Bis dato gibt es keinen Impfstoff dagegen, denn dieses Virus ist neu. Laut jüngsten Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, wäre ein Impfstoff wohl erst in einem Jahr zu erwarten.
Wenn man sieht, welche enormen Auswirkungen das Coronavirus auf die Freizügigkeit, das öffentliche Leben und die Wirtschaft hat, lässt sich vermuten, dass die Bereitschaft der Menschen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, groß sein wird - wenn dann ein Impfstoff verfügbar ist.
Bei der saisonalen Grippe zeigt sich dagegen: Von den 21.750 Grippe-Erkrankten in der aktuellen Grippe-Saison bis Anfang März waren 13.515 Personen nicht geimpft - also mehr als 60 Prozent. Gänzlich verhindern kann eine Impfung eine Grippe zwar nicht, wohl aber milder verlaufen lassen.
Ob die Kurve bei der Influenza-Grippe nun tatsächlich einen Wendepunkt markiert hat, wird sich erst in ein paar Tagen zeigen: Kommenden Woche Mittwoch oder Donnerstag (25./26. März) werden die Zahlen der 12. Kalenderwoche erwartet, teilt das LZG mit.