Dortmund. . Die Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken haben fünf Jahre lang den Strukturwandel in Dortmund-Hörde beoachtet, haben festgehalten, wie die hässliche Brache des Stahlwerks unterging in einem schicken See und ein neuer Stadtteil auftauchte. Ihre Dokumentation kommt diese Woche in die Kinos.

So ist Dortmund, sagt einer im Film: „Kein Stahl mehr, kein Bier, kein Pütt. Hier wird nur noch Freizeit gemacht.“ Das wäre dann wohl, was man Strukturwandel nennt: die Perspektive des alten auf das neue Dortmund, gesehen vom Zaun über den Ufern des Phoenixsees.

Irgendwo hier haben auch die Filmemacher Ulrike Franke (44) und Michael Loeken (60) gestanden, fünf Jahre lang, haben beobachtet, wie die hässliche Brache des alten Stahlwerks unterging in einem schicken See, wie ein neuer Stadtteil auftauchte aus dem alten. Getrieben von der Frage: Wie gehen die Menschen mit dem Wandel um, was geschieht mit den Arbeitern, wenn die Arbeit weg ist? Diese Woche kommt ihre Dokumentation in die Kinos.

Reichtum und Armut nebeneinander

„Göttliche Lage“ heißt der 90-Minüter, und das ist die andere Sicht der Dinge: Die der Zuzügler, die man nicht Häuslebauer nennen will, weil sie raumgreifende Villen bauen an den neuen Ufern; auf dem Plakat sehen sie aus wie angeschmiegt an die Mietshäuser in den schäbigen Straßen dahinter. Doch auch, wenn die Filmemacher nicht werten wollen, ihr Film tut es doch: Da schmiegt sich nämlich gar nichts – und schon überhaupt nicht der Reichtum der neuen Hörder an die Armut derer, die schon immer hier waren, die das Stahlwerk kommen und gehen sahen. Die blieben, weil sie kein anderes Ziel hatten und der billige Wohnraum sie hielt.

„Die Welt an der Weingartenstraße ist weit weg vom See“, sagt die gebürtige Dortmunderin Ulrike Franke, und tatsächlich entsteht beim Zuschauer das Gefühl, da wäre ein Zaun gezogen zwischen dem Stadtteil Hörde von einst und dem von jetzt. Hier die Visionäre, Projektentwickler, Marketingstrategen, die „Nachfrage schaffen“ wollen, indem sie „Qualität erzeugen“. Die aber Dortmund einen „dunklen Farbklang“ zuordnen: braun und dreckig. Ernsthaft machen sich diese Leute vor der Kamera Gedanken darüber, ihre „Kunden nicht durch das Umfeld zu irritieren“, das „in einem ziemlich bedauerlichen Zustand“ sei.

Den Menschen zugehört

Und auf der anderen Seite die Anwohner, die Arbeiter, die sich noch an die Hütte erinnern, die sie zumachen müssen vor derselben Kamera: „Wir sind hier die Bronx“, sagen sie und glauben erst gar nicht an den Kontakt mit den neuen Nachbarn. „Hoffnung hab’ ich nix“, sagt Anna, die ihr Büdchen im langen Laufe der Bauarbeiten tatsächlich schließen muss. Andere versuchen, die Häuser aufzuhübschen – oder sie nehmen die Veränderungen einfach hin. „Der Zeitgeist“, wird ein Hoeschianer sagen, „war gegen uns.“ 45 Jahre auf der Hütte, „kann man nicht vergessen“.

Michael Loeken indes glaubt, Dortmund wollte vergessen. „Konzeptkunst“ nennt er, was die Stadt aus ihrer Brache machte; man habe sich von der Vergangenheit lösen wollen. „Eine Stadt erfindet sich neu“, steht im Untertitel der Doku. Und dabei ist es gar nicht so, dass die Bürger ihren See nicht lieben wollten: Sie vergleichen ihn mit Hamburg („Wer will denn da noch hin, wenne hier sowas hast!“), sie sehen ihn als Kiebitze am Bauzaun wachsen, sie drücken sich an Schautafeln die Nasen platt, um zu sehen, was sie sich selbst nie werden leisten können. Und sie erobern ihn. So sehr, dass Lokalpolitiker streiten, dass die Polizei befriedet, dass der Projektentwickler sich sorgen muss um Gänseeier.

"Man arrangiert sich - wie die Enten

Sehr nah kommt der Film den handelnden, den einfach nur dort lebenden Menschen, dass der Eindruck entsteht: Sie haben die Kamera vergessen über die Jahre. Loeken und Franke aber haben genau hingesehen, sie hören zu, lassen Dortmund reden. Was sie zeigen, ist mehr als der Bau eines Stadtsees im Zeitraffer: Sie setzen Begriffe wie „Deindustrialisierung“ und „Gentrifizierung“ ins Bild, machen bewusst, was beides mit Menschen macht. Und beschließen mit „Göttliche Lage“ ihre Trilogie über den Strukturwandel: In „Winners and Losers“ erzählten sie vom Abbau der Kokerei Kaiserstuhl durch Chinesen, in „Arbeit Heimat Opel“ von der Zukunft in einem Werk, das keine Zukunft mehr hat. In diesem dritten Teil der Reihe stellen die Macher ähnliche Fragen: „Passen die Welten zusammen, wachsen sie wenigstens zusammen, sollen sie es überhaupt?“

Wahrscheinlich wäre es viel, käme es, wie es im Film heißt: „Man arrangiert sich. Wie die Enten.“