Werl. . Der muslimische Schützenkönig von Werl-Sönnern, Mithat Gedik, und seine “Königin“ und Ehefrau Melanie bekommen Rückendeckung aus ganz Deutschland. Politiker, Verbände, Glaubensvertreter und andere Schützen stellen sich hinter den 33-Jährigen.

Es soll ja Moslems geben, die Mitglied sind in der Christlich Demokratischen Union (CDU). Duisburg hat einen türkischen Vorstand im Kleingartenverein, Hagen hatte im Vorjahr mit Erdinc I. einen türkischen Karnevalsprinzen, Beckum mit Aykut I. schon 2008. Alles typisch deutsch, die Integration also schon weit – aber ein muslimischer Schützenkönig ist zu viel. Jedenfalls für den Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaft: Der will dem frisch inthronisierten Schützenkönig von St. Georg in Werl-Sönnern, Mithat Gedik, die Krone wieder entreißen. Der Mann ist kein Christ!

Und Integration keine Einbahnstraße, wie es immer heißt: „Da wird wieder klar, was damit gemeint ist“, seufzte der Zentralrat der Muslime in Deutschland. „Stets fordert man in der Debatte, dass Muslime sich auch in Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und auch Schützenvereinen beteiligen sollen“, sagte ZMD-Chef Aiman Mazyek (in der Freiwilligen Feuerwehr ist Gedik auch). Satzungen von Vereinen, die nur Christen zuließen, seien nicht zeitgemäß.

Verein droht der Ausschluss aus dem Verband

Denn da liegt das Problem: Laut Satzung sind die Sönneraner Schützen eine „Vereinigung christlicher Menschen“, die sich durch „aktive religiöse Lebensführung zum Glauben bekennen“. Zwar muss, räumt Verbandssprecher Rolf Nieborg ein, bei der Aufnahme niemand eine Taufbescheinigung vorlegen. Aber auf dem Meldebogen des neuen Königs für das Bezirksschützenfest fiel die Konfession Gediks auf: Nun darf er dort nicht antreten, schlimmer noch: Seinem Verein droht der Ausschluss aus dem Verband.

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„Steinzeitliche Regeln“, schreibt dazu der Kölner Schützenkönig Hans, „irrsinnige Auslegung“ kommentieren Menschen auf der Seite des Schützenvereins, „verbohrte Ansichten“. Sie gratulieren dem König zu seinem „Traumschuss“ und mahnen: „Lass dich bloß nicht aus dem Amt jagen!“ Die Dorfgemeinschaft stehe „geschlossen hinter Mithat“, sagt Wilfried Prünte, Ehrenbrudermeister der St.-Georg-Schützen von 1837. „Keiner versteht das hier in Sönnern.“ Zumal: Unternehmer Gedik (33) machte seine katholische Frau Melanie zur Königin, die Kinder wurden in der Dorfkirche getauft. Und: Er ist gar nicht der erste Schützenkönig mit türkisch-muslimischen Wurzeln.

Das war Emin Özel, vor sieben Jahren schon, im erzkatholischen Paderborn. Der schoss 2007 den Vogel ab, gerade um zu zeigen, dass „Integration möglich“ ist. „Krasseste Integration“, bestätigte Jahre später das Industriemuseum Henrichshütte in Hattingen; es stellte Özels Schützenhut sogar aus.

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Und der Einzige ist Gedik auch nicht: In Betzdorf an der Sieg regiert derzeit der Türke Alper Hosnut seine Schützenbrüder. In Neuss führte der Schneider Mustafa vor Jahren seinen Zug beim Umzug an, setzte dafür sogar den Fastenmonat Ramadan aus. Ein Schütze vom Niederrhein verweist auf einen früheren „atheistischen Schützenkönig“ und auf den aktuellen Kompaniekönig – der sei Hindu. In Essen schüttelt eine ehemalige Schützenkönigin nur den Kopf: „Wir hinterfragen die Konfession nicht. Uns ist doch egal, ob einer gen Mekka betet, einen Buddha-Altar zu Hause hat oder das Kreuz über der Tür.“ Zumal: „Wir haben alle Nachwuchssorgen!“

Werte sind nicht an einen einzigen Glauben gekoppelt

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Schon deshalb, glaubt Gustav Hensel aus dem Vorstand des Rheinischen Schützenbundes (80 000 Mitglieder), sei es höchste Zeit, dass sich die Schützen für Zuwanderer öffneten. „Es stellt sich die Frage, wie lange wir große Teile der Bevölkerung noch außen vor lassen können.“ Klar ist für ihn zwar: „Ein Verein braucht Werte.“ Die seien aber nicht nur an einen einzigen Glauben gekoppelt. „Gemeinschaft, Solidarität, Respekt – das sagt einem Muslim genauso etwas wie einem Christen.“

Für ihre Satzungen aber seien die Vereine selbst verantwortlich, sagt der Neusser Rechtsanwalt Tobias Goldkamp, selbst Schütze. In vielen Bruderschaften stehe die Verbreitung und Festigung des christlichen Glaubens als Vereinszweck in der Satzung. Trotzdem gehen nicht alle streng nach katholischer Kirchenlehre: In Saalhausen, Kreis Olpe, regiert seit zwei Wochen mit Thorsten Hyss ein offen homosexueller Schützenkönig – an der Seite seines Partners. Seine Bruderschaft sagt: „Wir müssen das in der heutigen Zeit tolerieren.“