Ruhrgebiet/Düsseldorf. . Nach einer anti-israelischen Demonstration in Essen wurde in Herne das Shoa-Mahnmal beschädigt. Auch an der Duisburger Synagoge hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt. Am Donnerstagabend hatten jüdische Organisationen in Düsseldorf zu einer Solidaritätskundgebung mit Israel aufgerufen.

Andere sahen vielleicht nur eine Demo, doch Edna Brocke sah eher Zeichen an der Wand. Am vergangenen Freitag, als einige Hundert Menschen in Essen gegen Israel demonstrierten: Eine stilisierte Fahne Israels sah sie, auf der der Davidstern zum Hakenkreuz geworden war; Menschen, die den Hitlergruß zeigten; und jenes Transparent mit der Aufschrift „Angeblich damals Opfer – heute Täter.“

In einem Beitrag für unsere Zeitung wirft die frühere Leiterin der Alten Synagoge Politik und Kirchen jetzt vor, zu den Vorfällen zu schweigen. „Dieses lange Schweigen kennen wir Juden aus verschiedenen Epochen der europäischen Geschichte“, schreibt sie dort. Und: „Beim ,Aufmarsch’ einer Kleinstgruppe von NPD-Mitgliedern ruft sofort ein breites Bündnis von Linken und muslimischen Verbänden zu einer Gegen-Demo auf. Wenn es aber gegen Juden geht, bleiben sie unsichtbar und stumm. Warum?“

Betonfuß auf Mahnmal geworfen

Die einen angeblich stumm, die anderen erkennbar laut – und dabei bleibt es nicht in diesen aufgehitzten Tagen. In Herne haben Unbekannte in der Nacht zum Donnerstag den Bauzaun um das Shoa-Mahnmal in der Innenstadt durchtrennt und einen Betonfuß des Zauns auf das Mahnmal geworfen. Es ist deutlich beschädigt – beim jetzt schon vierten Anschlag in diesem Jahr. Und in Gelsenkirchen flog vor einigen Tagen ein Gullydeckel durch ein Fenster der Synagoge. Sie wird jetzt wieder stärker von der Polizei bewacht.

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„Ich habe dann später die Scherben zusammengelegt und hätte nie gedacht, dass ich noch mal diese Assoziationen habe“, sagt Judith Neuwald-Tasbach, die die jüdische Gemeinde in Gelsenkirchen leitet. An 1938 dachte sie da, an die Pogromnacht. Viele Juden in Gelsenkirchen hätten jetzt ein mulmiges Gefühl, denn durch den Gullydeckel sei nicht nur die Scheibe kaputtgegangen: „Wir arbeiten ja ständig an den eigenen Mitgliedern, als Juden ein normales Leben in Deutschland zu führen. Das war jetzt ein herber Rückschlag.“

Viele Juden in Deutschland sind verängstigt. „Wir fühlen uns bedroht, aber wir verstecken uns nicht, und ich glaube auch nicht, dass wir uns verstecken sollten“, sagt Dmitrij Yegudin, der Vorstandsvorsitzende der jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen. Auch an der Duisburger Synagoge hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt. In einer freien Gesellschaft gelte die Meinungsfreiheit für alle, aber manches, was Yegudin auf den Demonstrationen sieht, sei „unakzeptabel. Schade, dass so etwas passiert. Aber wir sollten das tragen, wie wir das immer getragen haben.“

Demonstration verläuft friedlich

Die aus Amerika stammende, seit Langem in Duisburg lebende Jüdin Stacey Blatt findet es „absurd, jemanden als antisemitisch zu bezeichnen, wenn er Israels Politik kritisiert“. Israel dürfe „wie jeder Staat kritisiert werden, und es macht ja auch viel falsch“. Es gebe aber natürlich Antisemiten auf der Welt, doch „wir sollten klüger sein“, so die Künstlerin, die Mitglied der Gruppe „Juden für Frieden in Nahost“ ist. Auch manche Juden in Deutschland hätten diesen „Selbstverteidigungsreflex: Manche unterstützen Israel, manche sagen lieber nichts, weil sie nicht wissen, was folgt.“

Aber auch diese Reaktion gibt es: Für den frühen Donnerstagabend hatten jüdische Organisationen in Düsseldorf zu einer Solidaritätskundgebung mit Israel aufgerufen. Und so hitzig es begann – mit gegenseitigen Beschimpfungen über die Polizeikette hinweg: „Kindermörder!“, „Zionisten sind die wahren Faschisten“ rufen die einen, „Nazis raus!“, „Hamas raus!“ die anderen – am Ende verläuft die Demonstration von rund 250 Menschen friedlich.