Essen. . Ein Vollbad im Luxus auf Firmenkosten: Der umstrittene Manager Thomas Middelhoff soll viel Geld bei „KarstadtQuelle“ verschleudert haben. Wegen Untreue in 49 Fällen ist der 60-Jährige angeklagt. Vor dem Essener Landgericht betont der Beschuldigte, er habe sich absolut nichts vorzuwerfen.
Fast drei Stunden redet Thomas Middelhoff am ersten Tag des Prozesses vor dem Landgericht Essen, in dem er sich wegen Untreue in 49 Fällen in seiner Zeit als Chef des Handelskonzerns KarstadtQuelle verantworten muss. Seine Botschaft ist klar: Er sei das Opfer staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, die „gegenüber mir und meiner Familie nicht akzeptabel“ sind.
Weit holt er aus, nachdem die Bochumer Staatsanwälte Daniela Friese und Helmut Fuhrmann 90 Minuten lang die Anklage vorgelesen haben. Auch Middelhoff liest vom Blatt. Die Aufforderung von Richter Jörg Schmitt, sich doch zu setzen, lehnt er freundlich und mit einem Lächeln zurück: „Ich fühle mich wohler, wenn ich stehe.“
Middelhoff will entschieden um seinen Ruf kämpfen
„Hohes Gericht“, beginnt er und bedankt sich ausdrücklich für die Gelegenheit, „dass ich endlich öffentlich Gehör finde“. Entschieden werde er um seinen Ruf kämpfen, „auch wenn der Reputationsschaden längst eingetreten ist“. Und er hält es für notwendig, sich dem Gericht gegenüber als treuen katholischen Kirchgänger zu bezeichnen, der sich zu christlichen Werten bekenne. Hat das etwas mit den Vorwürfen der Anklage zu tun?
Weite Passagen seiner Erklärung dienen eher dazu, seine Leistungen als Manager zu betonen. Er erzählt von seinen Erfolgen bei Bertelsmann, als er als einziger Manager die Möglichkeiten des Internets erkannte. Nachdem er 2001 Bertelsmann verließ, war es in Deutschland still um ihn geworden. Er arbeitete im Finanzsektor in London, bevor er 2004 das Angebot bekam, zum angeschlagenen Karstadt-Quelle-Konzern zu wechseln. Er habe dafür deutliche Einkommensverluste hinnehmen müssen, erklärt er und räumt ein: „Möglich, dass es an meinem Ehrgeiz lag und dem Bemühen, in der Öffentlichkeit eine größere Rolle zu spielen.“
Middelhoff wollte mit Luxusflügen "kostbare Arbeitszeit" sparen
Viel ist zu hören von seinen strategischen Fortschritten im Essener Unternehmen. Dass der Arcandor-Konzern, zu dem Karstadt-Quelle gehörte, wenige Monate nach seinem Weggang im Februar 2009 Insolvenz anmeldete, wäre mit ihm nicht passiert, sagt er.
Erst nach gut zwei Stunden wird Middelhoff stellenweise konkreter. Dass er auf Karstadt-Kosten Charterflieger buchte, liege allein daran, Zeit zu sparen, „kostbare Arbeitszeit“, die dem Unternehmen nutze.
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Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft die Anklage verlesen. „Powershopping, Nachtleben in fetziger Kleidung und faulenzen“ – selbst private Luxusreisen im südfranzösischen St. Tropez soll Thomas Middelhoff, Ex-Vorstandschef des Essener Karstadt-Quelle/Arcandor-Konzerns, dem damals notleidenden Unternehmen in Rechnung gestellt haben. Tausende Mitarbeiter der 2009 in Insolvenz geratenen Traditionsfirma zitterten um ihre Arbeitsplätze, als der heute 60 Jahre alte Manager die Karstadt-Kasse um rund eine Million Euro für laut Anklage rein privat veranlasste Reisen belastete.
90.000 Euro pro Flug - was die Anklage Thomas Middelhoff vorwirft
In früheren Zeiten wäre ihm der Titel „Spesen-Fuchs“ sicher gewiss gewesen, falls die Ermittlungen der Bochumer Staatsanwaltschaft zutreffen. Die Behörde zeichnet das Bild eines Mannes, der private Reisen mit eigentlich unerheblichen dienstlichen Anlässen für den Karstadt-Konzern verknüpft, um die Kosten so bei der Buchhaltung unter der Kostenstelle 801150 des Vorstandsvorsitzenden erstattet zu bekommen.
Heutzutage nennt sich so ein Vorgehen im schlimmsten Fall strafbare Untreue. Bei Middelhoff in 49 Fällen, meinen die Ermittler. Punkt für Punkt listet die von der XV. Strafkammer am Landgericht Essen zugelassene Anklage auf, wie der im Konzern auch „Big T“ genannte Manager immer wieder Flugreisen nach London oder New York abgerechnet hatte, obwohl sie ihn vordringlich zu Sitzungen bei seinen Nebenjobs als Berater bei Unternehmen brachten, die nichts mit Karstadt zu tun hatten. Die von der Anklage genannten Preise haben einen gewissen Klang. So koste ein Linienflug rund 8000 Euro, das von ihm gebuchte Charterunternehmen Challenge Air berechne dafür aber rund 90.000 Euro. Nebenbei: Die Luftverkehrsfirma gehört laut Staatsanwaltschaft seinem Vermögensberater Josef Esch, der sich aktuell vor dem Landgericht Köln wegen Untreue verantworten muss.
180.000 Euro für eine Festschrift
Unerheblich ist für die Ankläger, dass bei dem ein oder anderen Fall auch schon mal ein oder zwei Stunden für Treffen mit für Karstadt wichtige Menschen reserviert waren. Das, so die Staatsanwaltschaft, sei lediglich „gelegentlich“ der privaten Reise veranlasst gewesen. Und wenig Verständnis zeigen die Ermittler für die vielen Hubschrauberflüge für An- und Abreise zu seinem Wohnort Bielefeld, übrigens auch wieder über die Challenge Air gebucht. Wen der Preis für einen solchen Hubschrauberflug interessiert, wenn er selbst gerade auf dem Weg zur Arbeit im Stau auf der A 40 steht: rund 3000 Euro, die wohl kaum ein Arbeitgeber seinem Angestellten erstatten würde. 19 Fälle nennt die Anklage.
Verantworten muss sich Middelhoff auch für die 180.000 Euro für die Festschrift zum 70. Geburtstag seines Ziehvaters Marc Wössner. Die Anklage betont auch hier die rein private Veranlassung des Buches. Außerdem zeichnet sie nach, wie die anfangs auf Middelhoff adressierten Rechnungen nach und nach für die Karstadt-Buchhaltung tauglich geschrieben wurden.
Middelhoff hat all diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Sein Anwalt sprach noch am Montag, dass er einen Freispruch erwarte. Deshalb wird Thomas Middelhoff seinen Essener Richtern wohl detailliert erklären, dass seine Reisen einen wirklichen dienstlichen Anlass hatten.
Tagesordnungspunkt: Lunch und faulenzen
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Zur Sprache werden dann auch die drei Nizza-Reisen zu seiner Villa Aldea in St. Tropez kommen, zu der Middelhoff Vorstandskollegen einlud. Die Anklage hat die Programme in den Einladungen an die Kollegen zitiert. Da möchte man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch den harten Job eines Vorstandsmitgliedes bekleiden. Am Freitag, 10. Juni 2005, geht es nach den Angaben der Anklage um Drinks und Dinner, am Tag danach ums „relaxen“, während am Sonntag nach einer Bootstour „Lunch und faulenzen“ auf dem Programm stehen.
Zwei Jahre später ist das St. Tropez-Leben schon anspruchsvoller: Am 2. Juni 2007 beginnt der Tag in seiner Villa Aldea mit dem Frühstück und anschließendem „Powershopping“ auf dem Markt, danach geht es auf die 33 Meter lange Villa Medici mit Lunch und Drinks, bevor der Abend laut Anklage endet mit dem „Nachtleben in St. Tropez“ für die Vorstandskollegen und ihre Damen -- natürlich „mit fetziger Kleidung“.