Dortmund. . Ein Pärchen soll eine 17-jährige Rumänin nach Deutschland gelockt und in die Prostitution gedrängt haben. Hart werden sie kaum bestraft, denn das Dortmunder Landgericht spricht von einem Strafrabatt wegen überlanger Verfahrensdauer. Das Gericht sei überlastet.
Das Leid der 17-Jährigen bleibt außen vor. Fast ein Jahr lang ist die junge Rumänin von einem Pärchen aus Hemer zum Sex in einem Iserlohner Club gedrängt worden. Aber sie wird vor dem Landgericht Dortmund nicht reden müssen. Nach dem Geständnis der Angeklagten soll der Prozess ohne Zeugen über die Bühne gehen. Richter Ulf Pennig kündigte am Dienstag sogar Strafrabatt wegen Überlastung der Justiz an.
Dreieinhalb Jahre ist die Anklage gegen die 26 Jahre alte Club-Betreiberin und ihren 34 Jahre alten Freund alt. Weil die Jugendschutzkammer in den vergangenen Jahren so viele Haftsachen hatte, erläutert Gerichtssprecher Kay Holtgrewe, habe sie keine Zeit für dieses Verfahren gehabt. Bei einem Urteil müsse deshalb ein Teil der Strafe wegen „rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung“ als verbüßt gelten und erlassen werden.
Die junge Rumänin wird nicht geahnt haben, dass die Justiz kaum Zeit für sie hat, als sie am 12. September 2009 in einem unbeobachteten Moment den Club in Iserlohn-Letmathe verließ und sich der Polizei anvertraute. Im Herbst 2008 hatte sie den Angeklagten kennengelernt. Die Heirat habe er ihr versprochen. Sorgen wolle er für sie in Deutschland.
Von Hochzeit keine Rede mehr
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Als sie am 4. Oktober in Dortmund ankam, war keine Rede mehr von der Hochzeit. Sofort hätten ihr die Angeklagten signalisiert, dass sie anschaffen gehen müsse. Sie hätte abgelehnt. Allein in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht kannte, hätte sie aber keine andere Möglichkeit gesehen, als sich tatsächlich zu prostituieren. Arbeitsmaterial und einen Zettel mit Preisangaben hätten sie ihr gegeben. Zwei Wochen lang habe sie dann auf dem Straßenstrich in Dortmund arbeiten müssen, danach im Club der Angeklagten in Iserlohn.
Die Anklage geht davon aus, dass die junge Rumänin keine Möglichkeit zur Flucht hatte. Sie sei in einem Haus im Dortmunder Stadtteil Syburg untergebracht worden. Ein Angeklagter habe immer auf sie aufgepasst, die Tür sei verschlossen gewesen. Wer sich das Haus im Süden der Stadt oberhalb des Hengsteysees ansieht, ahnt, dass ein Fremder dort kaum Fluchtgedanken hegt. Es liegt im Wald, Nachbarhäuser sind weit entfernt.
Die junge Frau lebt längst wieder in ihrer Heimat. Ihre Anwältin Henriette Lyndian scheint froh, dass der Mandantin durch die Prozessentwicklung die Aussage erspart bleibt. An ihr habe es aber nicht gelegen, dass das Verfahren so lange dauere. Nach einem Rechtsgespräch der Juristen legt zunächst die 26-Jährige über ihre Verteidigerin Julia Kusztelak ein Geständnis ab. Es ist nicht ganz im Sinne der Anklage, aber sie räumt wie danach ihr Freund ein, die Abhängigkeit der 17-Jährigen ausgenutzt zu haben. Den Prozessbeteiligten reicht es aus für eine Verurteilung wegen Menschenhandel, die nächste Woche erwartet wird.
Personalstärke „im grünen Bereich“
Den angekündigten Strafrabatt wegen Überlastung kommentiert das Düsseldorfer Justizministerium nicht. Sprecher Peter Marchlewski betont aber gegenüber dieser Redaktion, dass Arbeitsbelastung und Personalstärke am Landgericht Dortmund nach seinen Zahlen „im grünen Bereich“ lägen.
Richter verteilen ihre Arbeit selbstständig. Wird der Arbeitsanfall über eine längere Zeit zu groß, zeigen sie dem aus Richtern bestehenden Präsidium die Überlastung an. Andere Richter übernehmen dann Fälle. Manchmal werden auch Hilfskammern gegründet.